Der Gelbwangen-Schopfgibbon ist ein Meister des Weitsprungs. Zehn Meter meistert er locker, wenn er sich durch die dichten Kronen des Regenwaldes schwingt. Diese Affen bevölkern den Dschungel in Laos, Vietnam und Kambodscha – oder vielmehr das, was von ihm übrig ist. Man weiß bis heute recht wenig über das Leben dieser Gibbons in der Wildnis. Gut möglich, dass das so bleibt. Denn die großen Sprünge der Gibbons, sie scheinen gezählt zu sein. Der Bestand der Affen schrumpft, weil ihre Lebensräume verschwinden.

Die Artenvielfalt Südostasiens ist massiv bedroht. Neben dem florierenden Handel mit Wildtieren ist es vor allem der rapide Ausbau von Plantagen, der diese Entwicklung vorantreibt. Bekannt ist der erbitterte Streit um das Palmöl. Doch neuere Forschungen zeigen, dass noch ein weiterer sehr begehrter Stoff aus den Tropen die Zukunft artenreicher Wälder bedroht: Gummi.

Synthetischer Gummi aus Erdöl ist nicht ausreichend
Ein dreiköpfiges Forscherteam aus Großbritannien hat in der Fachzeitschrift Conservation Letters die wichtigsten Forschungsarbeiten dazu ausgewertet und kommt zu dem Schluss, dass sich die stark ansteigende Nachfrage nach Gummi in den kommenden zehn Jahren katastrophal auf die bedrohte Tier- und Pflanzenwelt auswirken wird. Bis zu 8,5 Millionen Hektar zusätzliche Flächen für den Gummianbau sind demnach nötig, um die Nachfrage zu decken. Etwa 70 Prozent des natürlichen Gummis benötigt die Reifenindustrie für Fahrzeuge und Flugzeuge. Diese Märkte wachsen.

Zwar nutzt die Industrie auch sehr viel synthetisch produzierten Gummi aus Erdöl, doch der Gummibaum hat deshalb noch lange nicht ausgedient. Flugzeugreifen etwa sind meist zu hundert Prozent aus natürlichem Gummi, weil der die nötige Hitzebeständigkeit und andere positive Eigenschaften für den Einsatz auf der Rollbahn mitbringt.

Ältere Gummiplantagen sind in regenreichen Gebieten Südostasiens häufig den Monokulturen der Palmöl-Investoren gewichen. Doch das bedeutet nach Erkenntnissen der Wissenschaftler nicht, dass die Gummiplantagen nach und nach verschwinden. Im Gegenteil: Die Gummibäume werden jetzt nur anderswo angepflanzt, meist in trockeneren oder höher gelegeneren Gebieten als zuvor.

Gummibäume sind anpassungsfähiger als die Ölpalme, was Klimabedingungen und Bodenaufbau angeht, deshalb kann diese Monokultur auch dort Wurzeln schlagen, wo die Ölpalme nicht mehr gut wächst. „Dies wird nun den Druck auf viele Waldschutzgebiete in Asien erhöhen“, sagt eine der Autorinnen der Studie, die Biologin Eleanor Warren-Thomas von der britischen University of East Anglia.

In Kambodscha gibt es keine Tiger mehr
Wie verheerend sich das auf die Biodiversität auswirken kann, zeigt das Beispiel des Wildschutzgebietes Snoul im Osten Kambodschas. Etwa siebzig Prozent des Waldes fielen dort zwischen 2009 und 2013 großen Gummiplantagen zum Opfer. „Einen Gelbwangen-Schopfgibbon sucht man dort nun vergebens“, sagt Warren-Thomas. Und sie listet noch zahlreiche andere Arten auf, seltene Vögel und Säuger, die dort inzwischen verschwunden sind. Selbst Tiger hat es in den Wäldern gegeben, in einer Untersuchung aus dem Jahr 2000 tauchen sie noch auf, inzwischen gelten sie in Kambodscha als ausgestorben.

Die Forscher appellieren an die großen Reifenhersteller, nach Wegen zu suchen, wie man trotz des steigenden Gummibedarfs die negativen Effekte auf die Biodiversität minimieren könnte. Denkbar wäre, neben den Monokulturen intakte Waldblöcke zu erhalten – oder aber die Gummibäume mit anderen Bäumen und Pflanzen zu mischen. „Wir wissen noch nicht, welches der bessere Weg ist, um Artenvielfalt zu schützen“, sagt die britische Forscherin.

Forscher appellieren an Reifenhersteller
Bislang hat sich die Öffentlichkeit auf die negativen Auswirkungen der Palmölplantagen auf die Ökosysteme konzentriert. Gummi stand kaum in der Kritik. Die Industrie ahnt, dass sich das womöglich schon bald ändern wird. Kürzlich hat sie die „Sustainable Natural Rubber Initiative“ ins Leben gerufen.

Kontakt:
Der Autor Arne Perras, Jahrgang 1967, ist Korrespondent für Süd- und Südostasien und lebt mit seiner Familie in Singapur: arne.perras@sueddeutsche.de

(dw)

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