Die Atemschutzmasken aus Silikon-Kautschuk und EPDM-Mischungen stellt der Gummiverarbeiter Präzisa aus Ratekau für den Sicherheits- und Medizintechnik-Hersteller Dräger in Lübeck her.

Die Atemschutzmasken aus Silikon-Kautschuk und EPDM-Mischungen stellt der Gummiverarbeiter Präzisa aus Ratekau für den Sicherheits- und Medizintechnik-Hersteller Dräger in Lübeck her. (Bild: Fotos alle Reinhard Bauer)

Nun hat das Unternehmen die Kleinteile-Fertigung von der teilmanuellen Pressfertigung (CM und TM) auf Micro-Spritzgießmaschinen umgestellt. Die Ziele sind, mehr Output und Effizienz auf gleicher Stellfläche.
Das EFE-Spritzgießsystem ist eine Kombination aus einem FIFO-Plastifizieraggregat und einem sogenannten Düsenstock mit integriertem Einspritzkolben, der mehrere Funktionen erfüllt. Er dient erstens als Verschlusselement für den Plastifizierzylinder während des Dosiervorganges, zweitens als Drossel im Materialstrom während des Einspritzens und drittens als Kolben zum Ausschieben des Restmaterials aus dem Düsenstock am Ende des Einspritzvorganges.
Im EFE-System ist an der 90-Grad-Umlenkung des Schmelzestroms der Kolben im Düsenstock so positionierbar, dass im Strömungskanal eine Engstelle entsteht. Dort erhöhen sich während des vom FIFO-Aggregat ausgehenden Einspritzens die Fließ- und die Schergeschwindigkeit im durchströmenden fließfähigen Gummi-Compound. Die dabei auf das Elastomer-Material einwirkende zusätzliche Scherbeanspruchung entspannt sich nach der Engstelle wieder. Die vorher zugeführte mechanische Energie wird dabei in Wärme umgewandelt und erhöht so die Massetemperatur unmittelbar vor dem Eintritt in das Angusssystem und in die Formkavität. Die Temperatur-Erhöhung senkt die Schmelze-Viskosität ab und bewirkt ein schnelleres Anspringen der Vulkanisationsreaktion. Je nach Gummi-Compound lassen sich dadurch gegenüber den Vorgängertechnologien Heizzeitreduktionen im Bereich von 30 bis 50 Prozent erzielen, insbesondere bei Formteilen mit großen oder stark unterschiedlichen Wandstärken.

Theorie in Praxis bestätigt, Zusatzvorteile gefunden

Knut Ziegenbein, geschäftsführender Präzisa-Gesellschafter (links) und LWB-Vertriebstechniker Thomas Vodnansky blicken auf 10 Jahre positive Erfahrungen mit dem EFE-Spritzsystem zurück.

Knut Ziegenbein, geschäftsführender Präzisa-Gesellschafter (links) und LWB-Vertriebstechniker Thomas Vodnansky blicken auf 10 Jahre positive Erfahrungen mit dem EFE-Spritzsystem zurück.

Knut Ziegenbein, geschäftsführender Präzisa-Gesellschafter in zweiter Generation, erläutert die Motivation für die damalige Investition: „Wir waren 2007 durch das rasche Wachstum unserer 1995 zusätzlich eingerichteten Spritzgießabteilung zur Herstellung von Gummi- und HTV-Teilen an den Grenzen unseres Platzpotenzials angelangt. Da war natürlich eine Maschine interessant, die bis zu 50 Prozent mehr Ausstoß versprach und so einen eventuell anstehenden Investitionsbedarf in zusätzliche Maschinen und eine Gebäudeerweiterung hinausschieben konnte.“ Die Unternehmensleitung entschied sich für eine vertikale VREFE 2700 / 1000 die konventionelle Maschinen mit 100, 320 und 450 Tonnen Schließkraft ergänzte.

Die angekündigten Vorteile wurden in der Praxis bestätigt. Dazu der Fertigungsleiter für Gummi- und HTV-Produkte Mike Heinemann: „Uns bringt das EFE-Spritzsystem vier wesentliche Vorteile gegenüber den konventionellen FIFO-Spritzaggregaten.Vorteil Eins: Die Steigerung der Produktionszahl. Ein Beispiel dazu: Bei Beatmungsmasken, die aus CR/NR-Mischungen und mit 1-fach Werkzeugen gefertigt werden, konnten die Heizzeiten, die ursprünglich im Bereich von 180 Sekunden lagen, auf durchschnittlich 120 Sekunden reduziert werden. Dem entsprechend stieg die Produktion unter Berücksichtigung eines relativ komplexen Entformungsprozesses von 100 auf 140 Stück pro 8-Stunden-Schicht.

Die Herstellung von Formteilen mit langen Fließwegen, hier am Beispiel von Maskenkörpern für Dräger-Vollmasken, wird durch das EFE-System deutlich erleichtert.

Die Herstellung von Formteilen mit langen Fließwegen, hier am Beispiel von Maskenkörpern für Dräger-Vollmasken, wird durch das EFE-System deutlich erleichtert.

Dieser Produktivitätsgewinn gilt tendenziell auch für alle anderen Gummi-Formteile. Als Bestätigung dafür sei die unverändert gebliebene Zykluszeit nach der Umstellung des Produkts auf ein EPDM-Compound genannt.“ Einen weiteren Vorteil sieht der Fertigungsleiter darin, dass die mit der zusätzlichen inneren Erwärmung zusammenhängende Viskositätsreduktion den Bedarf an Druck und Geschwindigkeit zur Füllung der Kavitäten reduziert. Daraus eröffneten sich die Möglichkeiten Formteile mit langen Fließwegen, wie die Beatmungsmasken auf kleinere Maschinen zu verlagern. Einen ganz wesentlichen Zusatznutzen sieht er darin, dass nun zusätzliche Aufträge für dünnwandigere komplexe Formteile mit langen Fließwegen gefertigt werden können.Zudem habe die Produktionspraxis gezeigt, dass sich durch das EFE-System das Zeitfenster zur Verarbeitung von gelagerten Gummi-Compounds deutlich verlängert. „Denn offensichtlich werden durch die zusätzliche Scherung in der Drosselstelle die während der Mischungslagerung beginnende Strukturverfestigung so weit zurückgeführt und homogenisiert, dass die Vernetzungsfähigkeit über einen längeren Zeitraum erhalten bleibt. Dadurch können mit dem EFE-System Gummi-Mischungen verarbeitet werden, die auf konventionellen Maschinen nur noch bedingt oder gar nicht mehr prozessfähig wären, ohne, dass Kompromisse bei der Produktqualität akzeptiert werden müssten.“

Technik im Detail – EFE-Einspritz-System

Das EFE-Einspritzsystem ist die Kombination aus einem FIFO-Plastifizieraggregat (EF-Aggregat) und einem anschließenden Düsenstock (E-Aggregat), der aus einer Düse und einem Kolben besteht. Mit dem EF-Aggregat wird pro Zyklus eine bestimmte Menge einer Gummimischung plastifiziert und anschließend mit dem Schneckenkolben durch den anschließenden Düsenstock in das Werkzeug eingespritzt. Dabei wird der Kolben des Düsenstocks so an der Umlenkstelle positioniert, dass eine Engstelle entsteht. Während des Einspritzens erhöhen sich dort die Fließgeschwindigkeit und die Scherung. Dies führt zu einer zusätzlichen  Erwärmung der Gummimischung. Nachdem der Schneckenkolben des EF-
Aggregats seine Endposition erreicht hat, wird der Düsenkolben nach vor bewegt und entleert dadurch den Düsenstock. Parallel dazu beginnt das Schneckenaggregat bei geschlossenem Düsenkanal wieder zu plastifizieren.

  • Die Temperaturerhöhung während des Einspritzvorganges senkt Viskosität der Gummimischung ab und ermöglicht so ein Ausspritzen dünner Wandstärken ohne Druckerhöhung,
  • Zusätzlicher Energieeintrag lässt die Vulkanisation schneller anspringen und verkürzt so die Heizzeit,
  • Durch den zweistufigen Energieeintrag lassen sich Schwankungen in der Mischungsqualität in gewissen Grenzen ausgleichen,
  • Spritzvolumina von 115 bis 8500 cm³, abhängig von der Aggregat-Größe,
  • Hoher Spritzdruck bis 2200 bar.
Grafik: LWB-Steinl

Grafik: LWB-Steinl

Ein laufend beobachteter Nebeneffekt der zusätzlichen Energieaufladung der Gummischmelze ist die geringere Neigung zur Belagbildung in den Formkavitäten. „Erfahrungswerte zeigen, dass an den Maschinen ohne EFE-Spritzeinheit im Durchschnitt einmal pro Schicht die Formkavitäten gereinigt werden müssen, was in der Regel eine Stunde Produktionszeit kostet“, erklärt Heinemann. „Mit den EFE-plastifizierten Mischungen verlängern sich die Reinigungsintervalle auf ein Vielfaches – und das quer über alle Gummi-Mischungen. Dies ist ganz wesentlich, da der überwiegende Teil der Formteile durch strenge Auflagen bei den meisten Produktspezifikationen ohne die Verwendung von Trennmitteln hergestellt werden muss.“ Auf eine mögliche Erklärung für diesen Effekt angesprochen, ergänzt Heinemann, dass dafür offensichtlich die raschere Hautbildung am Formteil durch den schnelleren Ablauf der Vernetzungsreaktion in Frage kommt.

Leistungssteigerung mit automatischer Micro-Spritzgieß-Anlage

So gut und vorteilhaft die Erfahrungen mit dem EFE-System bei der Herstellung von mittelgroßen Formteilen sind, so wenig ist diese Herstelltechnik auf die Produktion von kleinen und kleinsten Gummiteilen übertragbar, einfach, weil auch das kleinste EFE-Aggregat zu groß dafür ist. Zu solchen Microteilen bei Präzisa zählen vor allem Klein-Dichtungen, Profilringe und Ventilmembranen, die heute auf selbstgebauten Tischpressen in Kombination mit viel Handkonfektion hergestellt werden. Dazu Präzisa-Geschäftsführer Knut Ziegenbein:

Vertriebstechniker Thomas Vodnansky, Präzisa-Fertigungssleiter Mike Heinemann und Präzisa-Geschäftsführer Knut Ziegenbein bei der Inbetriebnahme der Micro-Spritzgießmaschine.

Vertriebstechniker Thomas Vodnansky, Präzisa-Fertigungssleiter Mike Heinemann und Präzisa-Geschäftsführer Knut Ziegenbein bei der Inbetriebnahme der Micro-Spritzgießmaschine.

„Auch, wenn eine Produktion eingespielt ist und dazu noch einen Ertrag abwirft, muss man sich immer wieder fragen, ob das, was man seit 30 und mehr Jahren macht, auch für die nächsten Jahre noch zeitgemäß ist. Bei uns führte dieses Hinterfragen nach reiflicher Überlegung im ersten Quartal 2016 zum Entschluss, unsere Gummi-Kleinstteile analog zu unseren LSR-Kleinstteilen automatisch durch Spritzgießen zu fertigen.“ Das Unternehmen investierte in eine Micro Class HCQ 100/6 von LWB-Steinl, die im September dieses Jahres in Betrieb genommen wurde. „Es ist unser Ziel, möglichst viele unserer konventionell auf Pressen mit 6- bis 8-fach Werkzeugen gefertigten Kleinteile mit automatischen 2 bis 4-fach-Werkzeugen zu fertigen. Dazu werden wir, wo immer möglich, Formteil-Abstreifer einsetzen“, so Ziegenbein. „Da eine LWB-Micro-Spritzgießmaschine nur eine Grundfläche von einem Quadratmeter einnimmt, was dem Platz von zwei Tischpressen plus dem Handarbeitsplatz entspricht, und schneller produziert, als es unsere Tischpressen tun, werden wir noch länger nicht neu bauen müssen. Ein Argument, das auch schon für die Einführung des EFE-Systems gesprochen hat.“

Technik im Detail – Kompakte Mico-Spritzgieß­maschine

Die LWB-Steinl-Micro-Spritzgießmaschine mit der Typenbezeichnung Micro Class HCQ 100/6 ist die Kombination aus holmloser C-Rahmen-Schließeinheit mit 10 Tonnen Schließkraft (100 kN) und einer Plastifizier- und Spritzeinheit mit 14 mm Schneckendurchmesser und einem Hubvolumen von 6 cm³. Sie ist sowohl in vertikaler, als auch horizontaler Ausführung erhältlich.

Grafik: LWB-Steinl

Grafik: LWB-Steinl

Sie erreicht eine Wiederholgenauigkeit beim Spritzgewicht von ± 0,005 Gramm. Die Spritzeinheit ist für die Verarbeitung von Gummi-Streifen mit einem Querschnitt bis zu 4 x 8 mm oder Schnüren mit 6 mm Durchmesser ausgelegt, kann aber auch leicht mit einer passenden Stopfeinheit für Festsilikone ausgerüstet werden. In Kombination mit einem Nadelverschluss-Kaltkanal ist es möglich, gratfreie, das heißt nacharbeitsfreie Artikel wirtschaftlich herzustellen. Da die Schließeinheit auf der holmlosen C-Baureihe aufbaut, sind die Voraussetzungen für den Anbau von Automatisierungseinrichtungen gegeben. In der Aufstellfläche von nur rund einem Quadratmeter sind nicht nur die Maschine selbst, sondern auch noch zwei Temperiergeräte enthalten.

Dipl.-Ing. Reinhard Bauer

Technokom, Gmünd, Österreich

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LWB Steinl GmbH & Co.KG

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