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Gummiwülste für Waggonübergänge werden bei Teguma seit rund 50 Jahren hergestellt. Sie werden an viele Bahngesellschaften in aller Welt geliefert. (Bild: Teguma)

Eine 165-jährige Firmengeschichte sind keine Selbstverständlichkeit, schon gar nicht, wenn es sich dabei um ein ostdeutsches Unternehmen handelt, das in dieser Zeit zwei Weltkriege und drei politische Systemwechsel überstehen musste. Dem Gummiverarbeiter Teguma in Halberstadt im Westen von Sachsen-Anhalt ist das gelungen.

Vom technischen Geweben zu Gummi-Textil-Verbunden

Angefangen hat alles im Jahr 1854, als ein Halberstädter Textilproduktehersteller namens Wilhelm Kux mit der Gummiimprägnierung textiler Gewebe zu experimentieren begann. Er folgte damit dem Amerikaner Charles Good-year, der 1839 zufällig die, als Vulkanisation bezeichnete, Schwefel-Vernetzung von Naturkautschuk entdeckt und damit die Grundlage der Gummiherstellung gelegt hatte. Damit beschichtete Gewebe bleiben über einen weiten Temperaturbereich elastisch, kleben nicht und sind wasserdicht.
Um den Beschwerden der Mitbewohner über die Geruchsbelästigung durch die Gummidämpfe seiner Experimente zu entgehen, ließ er 1856 mit der Unterstützung seiner im Bankgeschäft tätigen Brüder eine Weberei am Stadtrand von Halberstadt errichten, wo sich noch heute der Firmensitz befindet. Dort produzierte er „Technische Gewebe“, die er zunehmend mit Gummiimprägnierungen ausrüstete. Produktbeispiele jener Zeit sind Stoffe für Regenmäntel, Zelte, sowie wasserfeste Schuhe und Postsäcke.
1869 stellte Wilhelm Kux mit Carl Ebel (1838 – 1907) einen innovativen Techniker ein, dem er bereits 1870 das gesamte Unternehmen verkaufte und sich in den Ruhestand zurückzog. Carl Ebel brachte zahlreiche neue Gewebe/Gummi-Produkte auf den Markt, insbesondere gummierte Feuerwehrschläuche, die in viele Länder exportiert und deren Qualität mehrfach ausgezeichnet wurde. Daneben wurden Gummistiefel und Vollgummireifen für Kutschen hergestellt. 1903 wurde er vom preußischen König für die Erfindung eines gummierten Riemens ausgezeichnet. Das Unternehmen florierte, beschäftigte mehrere Hundert Mitarbeiter und zählte zu den führenden Gummiverarbeitern Europas.
Die Söhne von Carl Ebel bauten das Unternehmen weiter aus. Der Armeebedarf an wasserfesten Produkten während des Ersten Weltkriegs lies das Unternehmen sprungartig weiter wachsen.
Während der 1930iger Jahre kam das Unternehmen durch die Weltwirtschaftskrise zeitweilig zum Stillstand. Erst die Vorbereitungen auf den Zweiten Weltkrieg bescherten der „Schlauch- und Tuchfabrik“ wieder einen Aufschwung, wodurch der Personalstand wieder auf mehr als hundert Arbeiter anstieg. Den Zweiten Weltkrieg überstand das Unternehmen, inzwischen geführt von der dritten Ebel-Generation, weitgehend unzerstört. In der kurzen Zeit der Zugehörigkeit zum amerikanischen Einflussbereich wurde die Vorkriegsproduktion von Planen, Gummistiefeln und Keilriemen wieder aufgenommen. Nachdem Halberstadt durch einen Gebietstausch unter sowjetische Verwaltung kam, kam es zur Enteignung ehemaliger Wehrmachts-Zulieferbetriebe. Auch die „Schlauchfabrik Kux Nachfolger“ war davon betroffen. Aber nicht jede Enteignung wurde unmittelbar durch Austausch der Betriebsleitung praktisch vollzogen, sodass die Brüder Ebel in ihren Positionen verbleiben konnten. Letztendlich beschlagnahmte die Rote Armee am 11. August 1948 doch noch Maschinen und Infrastruktur und transportierte sie ab. Aber auch diesmal konnte das Unternehmen, zwar in kleinerem Rahmen, aber doch weiterarbeiten.
Nach der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik (07.10.1949) stieg der Staatseinfluss auf das Unternehmen, weshalb sich Karl Ebel III 1951 entschloss, aus dem Unternehmen auszuscheiden und die DDR zu verlassen. Sein Hälfte-Anteil, der zuvor in ein eigenes Unternehmen ausgelagert worden war, wurde vom Staat übernommen und in Treuhandschaft verwaltet. Die zweite Unternehmenshälfte, die Firma „Wilhelm Kux Nachfolger“, die Bruder Hans-Georg Ebel gehörte, wurde mit der treuhändisch verwalteten anderen Hälfte zusammengefasst und in „Halberstädter Gummiwerke“ umbenannt und unter der Führung von Hans-Georg-Ebel als halbstaatliches Unternehmen weitergeführt. Jedoch nur bis 1957, da auch Hans-Georg Ebel aufgab und die DDR verließ. Da nach wie vor wichtige Industriekomponenten produziert wurden, wurde der Betrieb nicht stillgelegt, sondern in die treuhändische Staatsverwaltung übergeben.

Bild1_Abb.1 Kux

Nach 100 Jahren in einen VEB umgewandelt

1962 wurden die Halberstädter Gummiwerke von der Zentralisierung der Industrieproduktion in der DDR erfasst und als VEB Teguma (Technische Gummi-Artikel) unter die zentrale Verwaltung eines Kombinats gestellt. 1972 wurde der Betrieb grundlegend neu ausgerichtet, weg von der Textilproduktion hin zur reinen Gummiverarbeitung vom Rohgummi aus. Produziert wurden nun Dichtungen für den Automobilbau oder Gummiwülste für Waggonübergange und Gummifingerplatten für Landmaschinen und Gleisbaumaschinen, aber auch einfache Werkzeuge wie Gummi-Hämmer. Leider mussten die Produkte zu vorgegebenen (nicht kostendeckenden) Industriepreisen an die übergeordnete Handelsorganisation abgegeben werden.
Dadurch und durch die auferlegte Verpflichtung, neben den eigenen Produkten auch artfremde Komponenten für die Konsumgütererzeugung produzieren zu müssen (Bleche und Einzelteile für Herde und Heizungen inkl. Emaillierung im 3-Schichtbetrieb mit 80 Mitarbeitern) und Freizeiteinrichtungen für die Mitarbeiter errichten zu müssen, schlitterte Teguma Anfang der 1980iger Jahre in die theoretische Insolvenz. Theoretisch deshalb, weil eine Insolvenz in der Zentralwirtschaft nicht vorgesehen war und daher auch nicht vollstreckt wurde. So wurde weiter produziert, die Verluste innerhalb des Kombinats verrechnet und notwenige Erneuerungen nicht mehr durchgeführt.

Bild2_Abb.5 Teguma_Ronald Meyer_Waggonwulst

Fast 2 m hoch und fertig montiert rund 23 kg schwer sind die seitlichen Ausgleichswulste für Waggonübergänge, die aus flammfest ausgerüstetem NR/SBR hergestellt werden, wieTeguma-Chef Ronald Meyer demonstriert.Bildquelle: Bauer

 

Das Blatt wendet sich

Aber immerhin wurde 1984 ein Wirtschaftsingenieur namens Bernd Meyer aus dem „VEB Kombinat Fortschritt Landmaschinen“ als Betriebsleiter zu Teguma delegiert. Unter ihm profitierte Teguma ab 1985 von der endlich durchgeführten Reform der zentral festgelegten Abgabepreise, die zusammen mit eigenen Rationalisierungsmaßnahmen die wirtschaftliche Situation verbesserte.
Die wirkliche Bewährungsprobe hatte Bernd Meyer aber nach der Wende von 1989 zu bestehen. Im Frühjahr 1990, nachdem das zentralwirtschaftliche Wirtschaftssystem zusammengebrochen war, berief er eine Betriebsversammlung ein und sah keine andere Wahl, als einschneidende Maßnahmen anzuordnen. Dazu Bernd Meyer: „Ich musste den Mitarbeitern die notwendige Umstellung auf die Arbeit unter privatwirtschaftlichen Verhältnissen nahebringen. Etwa, dass Parteiarbeit oder die Teilnahme an Demonstrationen während der Dienstzeit nicht mehr geduldet werden könnten. Das schwerste aber war, dass ich wegen der drastisch eingebrochenen Auftragslage eine ebenso drastische Verkleinerung des Personalstandes ankündigen musste. Uns waren die Zulieferungen für das Exportgeschäft in die RGW-Länder weggefallen und darüber hinaus die Aufträge für die ohnedies ungeliebte Elektrogeräte-Emailblechproduktion. Somit war absehbar, dass nur noch 25 der bisher beschäftigten 260 Mitarbeiter zukünftig Arbeit haben würden. Da ich eine sozial verträgliche Abwicklung der Kündigungen zusagen konnte, wurde ich trotz der schlechten Neuigkeiten vom Arbeiterkollektiv in meiner Position bestätigt. Es war ein unerwarteter Vertrauensbeweis, auf den ich meine weitere Arbeit aufbauen konnte.“
Eine zusätzliche Veränderung der Wendezeit war, dass Teguma der „Treuhandgesellschaft für die Privatisierung volkseigener Betriebe“ zugeordnet wurde und deren Entscheidungen abzuwarten hatte.

Bild3_Abb.4 Waggonwulst-Produktion

Die bis zu 19 kg schweren und fast 2 m² großen Gummiwulst-Komponenten für Waggon- Übergänge werden auf umgebauten Holzplattenpressen produziert. Bildquelle: Bauer

Teguma wieder ein Privatbetrieb

Trotz der vorgenommenen Restrukturierung sah die Treuhand für die Teguma, wie bei der Mehrzahl der früheren DDR-Betriebe, keine Überlebenschancen in der freien Marktwirtschaft und ordnete die Liquidation an. Dagegen legte Betriebsleiter Bernd Meyer Einspruch ein und übergab ein detailliertes Weiterführungskonzept. Da es schlüssig war, wurde die Liquidation gestoppt.
Anschließend ließ Bernd Meyer ein Wertgutachten erstellen und prüfte die Chancen zum Kauf des Unternehmens. Diese standen gut, weil das so genannte Investitionsvorrangverfahren zur Anwendung kommen konnte. Es bestimmte, dass das Gemeinwohlinteresse an der Sicherung von Arbeitsplätzen höher zu bewerten sei, als die Rückgabe entzogenen Eigentums an die Alteigentümer. Dennoch gestaltete sich der Kauf komplizierter, als gedacht, und zwar durch eine Abwicklung in zwei Hälften, analog zu der von den Brüdern Ebel vor ihrem Weggang vorgenommenen Unternehmensaufteilung. Den Treuhandanteil löste Bernd Meyer schon 1993 mit Hilfe eines Bankkredits ab. Mit den Alteigentümern, die auf eine Rückübertragung verzichteten, erreichte er einige Jahre später ebenfalls eine Einigung. Somit hatte Teguma zum 150-Jahr-Jubiläum in der Familie Meyer neue Besitzer, die gewillt waren, die Nachfolge von Kux und Ebel anzutreten.

Technik im Detail: EFE-System

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Grafik: LWB Steinl

Das EFE-Einspritzsystem ist die Kombination aus einem FIFO-Plastifizieraggregat (EF-Aggregat) und einem anschließenden Düsenstock (E-Aggregat), der aus einer Düse und einem Kolben besteht. Mit dem EF-Aggregat wird pro Zyklus eine bestimmte Menge einer Gummimischung plastifiziert und anschließend mit dem Schneckenkolben durch den anschließenden Düsenstock in das Werkzeug eingespritzt. Dabei wird der Kolben des Düsenstocks so an der Umlenkstelle positioniert, dass eine Engstelle entsteht. Während des Einspritzens erhöhen sich dort die Fließgeschwindigkeit und die Scherung. Dies führt zu einer zusätzlichen Erwärmung der Gummimischung. Nachdem der Schneckenkolben des EF-
Aggregats seine Endposition erreicht hat, wird der Düsenkolben nach vor bewegt und entleert dadurch den Düsenstock.
Parallel dazu beginnt das Schneckenaggregat bei geschlossenem Düsenkanal wieder zu plastifizieren.
Die Temperaturerhöhung während des Einspritzvorganges senkt Viskosität der Gummimischung ab und ermöglicht so ein Ausspritzen dünner Wandstärken ohne Druckerhöhung. Ein zusätzlicher Energieeintrag verkürzt die Heizzeit. Durch den zweistufigen Energieeintrag lassen sich Schwankungen in der Mischungsqualität in gewissen Grenzen ausgleichen.
Es sind Spritzvolumina von 115 bis 8500 cm³, abhängig von der Aggregat-
Größe verfügbar. Der Spritzdruck kann bis 2200 bar erreicht werden.

 

Zurück zu zeitgemäßer Leistungsfähigkeit

Parallel zum Reprivatisierungsverfahren gingen Bernd Meyer und sein Sohn Ronald daran, das Unternehmen zu sanieren. Vordringlich war das Halten bestehender Kunden, insbesondere der lokalen Landmaschinenbauer und der Deutschen Bahn. Im Betrieb wurden zwischen 1990 und 2004 Altlasten beseitigt, wie der Abbau der eingestellten Blechfertigung oder die längst fällige Sanierung der teils hundert Jahre alten Bausubstanz. Auch der Maschinenpark wurde überholt und, wo möglich, modernisiert, beispielsweise die zur Gummipresse umfunktionierte Furnierpresse, auf der die großflächigen Gummi-Komponenten für die Eisenbahnwaggon-Übergänge seit rund 50 Jahren produziert werden oder der hauseigene Misch-Kalander. Insgesamt stieg dadurch die Produktivität jährlich um 25 bis 30 Prozent, sodass der Personalstand in diesem Zeitraum bei gleichem Umsatz von 25 auf 10 Personen reduziert werden konnte.

Bild4_Abb.7 LWB-Thomas Vodnansky Teguma-Ronald Meyer

Nach Jahren der Konsolidierung begann 2018 mit der EU-geförderten Anschaffung einer LWB Vertikal-Spritzgießmaschine vom Typ VSEFE 3000/2000 P eine neue Ära in der 165-jährigen Unternehmensgeschichte, die vom LWB-Ver- kaufstechniker Thomas Vodnansky und demgeschäftsführenden Teguma-Geschäftsführer Ronald Meyer gemeinsam eingeläutet wurde.Bildquelle: Bauer

Mit neuer Spritzgießtechnik Leistung erhöhen

Die Jahre seit 2004 standen im Zeichen einer weiteren Konsolidierung und eines Substanzaufbaus. Die Personalkapazität verblieb bei 10 Personen. Mit der Übernahme der Geschäftsführung durch Ronald Meyer waren die Weichen endgültig auf Zukunft gestellt. Ronald Meyer: „Zukunft bedeutet einerseits, die aktuelle Produktion effizienter zu machen und parallel dazu Alternativen zu den abnehmenden Stückzahlen der Waggonübergänge produktionsreif zu machen. Um das finanzielle Risiko des Umstiegs in eine neue Technik zu minimieren, haben wir uns an einem EU-Projekt für die regionale Förderung beteiligt und mit der Unterstützung daraus die Investition in unsere erste Spritzgießmaschine teilfinanziert. Die Wahl des Maschinen-Lieferanten und des Maschinentyps haben wir uns nicht leicht gemacht. Wie schon erwähnt, war es ja die erste Spritzgießmaschine in der 165-jährigen Firmengeschichte. Nach eingehender Marktrecherche und Plastifizierversuchen haben wir uns für LWB-Steinl entschieden, und zwar für eine Vertikalmaschine vom Typ VSEFE 3000/2000 P mit dem integrierten EFE-Spritzmodul. Diese Technik hat uns besonders beeindruckt. Damit konnten wir bereits in der Einführungsphase die Zykluszeit eines NR/SBR-Dickwandteils aus unserem Bahnprogramm von 15 min (inkl. 5 min Manipulationszeit) auf der Presse um 67 Prozent auf 5 min (inklusive Entnahme) verkürzen. Mit einem 2-fach Werkzeug stieg die Stundenleistung um 200 Prozent von bisher 8 Stück auf 24 Stück. Da wir überwiegend Formteile mit größeren Wandstärken herstellen, sind wir der festen Überzeugung, dass uns die LWB-Technik positive Impulse für unsere weitere Entwicklung geben wird.“

Dipl.-Ing. Reinhard Bauer

Technokom, Gmünd, Österreich

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Unternehmen

LWB Steinl GmbH & Co.KG

Sonnenring 35
84032 Altdorf
Germany

Teguma GmbH

Bleichstraße 2
38820 Halberstadt
Germany