Christoph Sokolowski_WDK

Dr. Christoph Sokolowski, Leiter des Hauptstadtbüros des WDK

Gibt es eigentlich schon die Infrastruktur, um Gummi zu sammeln und damit in den Kreislauf zu bringen?

Da es „das“ Gummi nicht gibt, existiert noch keine allumfassende Infrastruktur. Hinsichtlich der Kautschukprodukte muss man zwischen Reifen und Technischen Elastomer-Erzeugnissen (TEE) oder – auf Englisch – General Rubber Goods (GRG) unterscheiden. Bei Altreifen funktioniert die Kreislaufwirtschaft sehr gut, was der stetige Anstieg des stofflichen Recyclings klar belegt. Zwei Initiativen – New Life und Azur – haben sich der Gummikreislaufwirtschaft verschrieben, wobei AZuR eine einhundertprozentige Recyclingfähigkeit anstrebt. Das Ziel dabei ist, die Bestandteile von Altreifen als wertvolle Rohstoffe zu etablieren und durch neue Märkte und Absatzwege die Masse an Altreifen kontinuierlich zu verringern. Bei den GRG wird der ganz überwiegende Teil in der Regel über den Medizin- oder Hausmüll entsorgt und dann thermisch verwertet. Auf diese Weise wird die eingesetzte Primärenergie bei Kautschukprodukten am Ende des Lebenszyklusses zurückgewonnen. Was man wissen muss: Das Mengenaufkommen an GRG für das einzelne Produkt ist gering, meistens findet eine Verwendung in Kombination mit anderen Werkstoffen statt (z. B. Gummidichtung in Alufenster, Alu wird recycelt, Gummi verbrannt). Somit besteht die Herausforderung im sortenreinen Sammeln ausreichender Mengen zur Wiederverwertung in gleichen oder neuen Produkten.

Sind die wiedergewonnenen Rohstoffe gleichwertig, oder reden wir hier in der Regel von Downcycling? Wenn ja, was sind die alternativen Einsatzfelder nach dem „ersten Leben“?

Das lässt sich an Hand von zwei Beispielen ganz gut veranschaulichen: Im Bereich der Technischen Elastomer-Erzeugnisse lassen sich Kautschuküberschüsse und Abfälle bei der Produktion wiedereinsetzen, solange sie noch nicht vulkanisiert wurden. Dies gilt auch für Reifen für unvulkanisierte Reifenmischungen Hier liegt bleichbleibende Qualität vor und damit kein Downcycling. Beim Recycling von Altreifen ist die Granulierung der häufigste stoffliche Verwertungsweg. Diese Rezyklate stellen praktisch einen eigenen Rohstoff dar, der durch seine vielfältigen positiven Eigenschaften besonders flexibel einsetzbar ist. Zu den Anwendungsfeldern zählen etwa Bodenbelägen, Spielplatzzubehör, Einfassungen oder Dichtmassen bis hin zu Sportböden und Trittschalldämmung. Mit dieser sinnvollen, stofflichen Verwertung befasst sich die 2019 gegründete und schon erwähnte Branchen-Initiative New Life. Die Unternehmen, die dahinter stehen, stellen aus verhältnismäßig kurzlebigen, aber höchst innovativen Produkten wie Reifen neue Produkte, die ebenfalls sehr hochwertig sind und teils sogar Lebenszyklen von bis zu zwei Jahrzehnten aufweisen. Darunter Designobjekte wie Vasen und Leuchtpoller, aber auch Spiel- und Sportböden. Von einem „Downcycling“ kann also auch hier keine Rede sein.

Gibt es eigentlich Probleme beim Recycling von verstärkten Elastomerbauteilen?

Eine wichtige Eigenschaft von GRG-Verbundteilen ist Langlebigkeit, die bereits bei der Mischungs- und Bauteilentwicklung berücksichtigt werden. Dieser Materialverbund stellt eine der zentralen Herausforderungen bei einer Weiterverwertung dar. Deshalb beschäftigen sich aktuell die Deutsche Kautschuk-Gesellschaft und andere Wissenschaftsnetzwerke mit der Frage, inwiefern sich bereits in der Konzeptionsphase eines Elastomer-Produkts Mischungen sowie Endprodukte mit anschließender Trennbarkeit der Verbundmaterialien und der eingesetzten Mischungsbestandteile entwickeln lassen. Wenn man auch Reifen als verstärkte Elastomerbauteile betrachtet (Stahl-, Kunstoff- und Textilcord) kann man klar sagen, dass es keine Probleme beim Recycling von verstärkten Elastomerbauteilen gibt. Die Fraktionen können heute gut voneinander getrennt und recycelt werden.

Über den Rubber & Mobility Summit

Ob nun klassischer Verbrenner, Elektro- oder Wasserstoffantrieb oder Hybrid-Technologie – die verschiedenen Mobilitätskonzepte erfordern weiterhin Bauteile und Komponenten aus Kautschuk, Silikon und TPE. Doch eine Kernfrage der Zulieferer lautet: Wohin geht die Reise und welche Produkte und Anforderungen sind für neue Fahrzeuge und Antriebe gefragt?
Auf dem Rubber & Mobility Summit 2021 gehen wir dieser Frage nach und lassen führende Experten aus der Automobil- und der elastomerverarbeitenden Zulieferindustrie zu Wort kommen. Wir geben Einblicke in aktuelle Entwicklungen und Ausblicke für neue Produkte.

Alle Informationen zum Rubber & Mobility Summit 2021, der am 16. September 2021 rein digital stattfindet, finden Sie unter www.rubber-mobility-summit.com.

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