Unbenannt

Weltweit sind bereits mehrere Millionen Elektroautos und Plug-in-Hybride verschiedener Hersteller auf den Straßen unterwegs. Dennoch existieren für die einzelnen Komponenten noch keine allgemein gültigen Standards beispielsweise im Hinblick auf Materialwahl oder Lebensdauer. Zudem ist das Weiterentwickeln der Fahrzeuge bei weitem noch nicht abgeschlossen. Ein Hauptaugenmerk liegt dabei aktuell auf dem Vergrößern der Reichweite der Fahrzeuge. Diese kann durch eine Verbesserung der Speicherkapazität der Batterien und eine effiziente Energierückgewinnung realisiert werden. Ein zweiter Ansatzpunkt ist die Gewichtsreduktion der einzelnen Fahrzeugkomponenten, um die nötige Energie zum Überwinden der Fahrwiderstände (Reifen-Rollen, Steigung, Beschleunigung) zu reduzieren. Der Effekt der Leichtbaumaßnahmen auf die Effizienz des Antriebs ist dabei abhängig von der Betriebsstrategie des elektrifizierten Fahrzeugs. Ein Konsortium bestehend aus Forward Engineering, München, Evonik, Marl, Lion Smart, Garching, Lorenz Kunststofftechnik, Wallenhorst-Hollage und Vestaro, München, hat dazu eine Leichtbaulösung entwickelt.
Ende 2019 begannen die Arbeiten an einer markenunabhängigen, kostengünstigen Batteriegehäuselösung in verschiedenen Größen für Elektrofahrzeuge. Das Ergebnis der Kooperation war eine deutliche Gewichtsreduktion der Batterie um circa 10 % im Vergleich zu anderen gebräuchlichen Materialkombinationen, während bei den mechanischen Eigenschaften keine Einbußen zu verzeichnen waren. Darüber hinaus erfüllt das für diese Anwendung entwickelte glasfaserverstärkte Epoxid-SMC alle Vorgaben im Hinblick auf Feuerfestigkeit und ist auch bei komplexen Geometrien leicht zu verarbeiten. Das gesamte Konzept wurde erfolgreich auf Serientauglichkeit in der Produktion und Sicherheit selbst unter Extrembedingungen getestet.

Batterie Seitenansicht

Aktuell werden drei Versionen mit einem Gesamtgewicht von 412,1 kg bei 65 kWh, 527,3 kg bei 85 kWh und 789,2 kg für die Konfiguration mit 800 V bei 120 kWh angeboten.

Vereinheitlichung als Ziel

Obwohl die E-Mobilität verglichen mit der langen Entwicklungshistorie von Antrieben mit Verbrennungsmotoren noch „in den Kinderschuhen steckt“, drängen global sehr viele Hersteller mit diversen Fahrzeugtypen auf den Markt. Diese Fahrzeuge unterscheiden sich nicht nur in Design und Ausstattung, auch die konstruktive und technische Ausführung ist sehr variantenreich. Dies führt zu einer großen Bandbreite an verwendeten Materialien und unterschiedlichen Komponentenauslegungen. Derzeit gibt es Bestrebungen, einzelne Baugruppen der Fahrzeuge zu vereinheitlichen und einen marktübergreifenden Komponentenstandard zu etablieren. Peter Ooms, Geschäftsführer Lorenz Kunststofftechnik, berichtet: „Unser Hauptaugenmerk lag dabei auf der Rezeptur für ein glasfaserverstärktes Epoxid-SMC, das allen Vorgaben im Hinblick auf Sicherheit und Verarbeitbarkeit entspricht und das auch wieder in den Wertstoffkreislauf zurückgeführt werden kann.“

Glasfaserverstärktes Epoxid-SMC möglich?

Komponenten, die im Leichtbau für Hybrid- und Elektrofahrzeuge zum Einsatz kommen, wie beispielsweise Batteriegehäuse, müssen sich nicht nur durch geringes Gewicht, sondern auch durch besonders hohe Steifigkeits- beziehungsweise Festigkeitswerte auszeichnen. Dafür können unter anderem carbonfaserverstärkte SMC-Materialien verwendet werden, die jedoch sehr teuer und kaum recyclingfähig sind. Darüber hinaus war das Angebot an Materialien mit den notwendigen Eigenschaften bisher eher gering, da diese entweder zu schwer waren oder nicht die erforderlichen mechanischen Eigenschaften besaßen. „Für die Herstellung des Batteriegehäuses haben wir unter Einsatz des Epoxidhärteres Vestalite S von Evonik ein neues SMC mit einer Dichte zwischen 1,5 und 1,7 g/cm³ entwickelt“, erläutert Ooms. Der Werk-stoff besitzt eine Biegefestigkeit von > 350 MPa, ein Biege-E-Modul von > 18.500 MPa und eine Schlagzähigkeit von > 150 kJ/m². Durch das Verwenden des Epoxidharzes an Stelle des üblichen Polyesterharzes konnten unter anderem Probleme, wie das Verkleben der Pressmasse mit dem Werkzeug bei komplizierten Geometrien, behoben werden. Die neue Formulierung ermöglicht im Vergleich mit gängigen SMC-Materialien eine höhere mechanische Leistung und besitzt einen sehr guten Faserverlauf im Formprozess.

Batteriegehäuse offen

Der modulare Aufbau der Batterie in Form einer Reihenschaltung ermöglicht die Anzahl der 90 mm hohen Module flexibel anzupassen.

Unterkonstruktion und Batteriemodule

Für die Bodenkonstruktion des Batteriegehäuses griffen die Kooperationspartner auf Aluminium als typischen Leichtbauwerkstoff zurück. Insgesamt war das Ziel für die Bodenstruktur einfache Geometrien zu realisieren und damit einhergehend, die Fertigungskosten zu reduzieren. „Die Bodenplatte als Basis der gesamten Batteriekonstruk-tion wurde mit Querträgern versehen, um die Batteriemodule darauf befestigen zu können. Auch die Trägerplatte für das Batteriemanagementsystem wurde auf der Aluminiumbasis fixiert“, berichtet Philipp Taschner, Project Engineer bei Vestaro. Darüber hinaus sorgen zwei Aluminium-Deformationselemente für die nötige Seitenaufprallsicherheit durch Absorption. Die Modulausrichtung der Batteriezellen erlaubt das Trennen der elektrischen Pole, was im Falle eines Crashs eine höhere Sicherheit gewährleistet und eine einfache Kühlung ermöglicht.
Beim Bestücken mit Batterien fand das Zellenkonzept von Lion Smart Verwendung. „Die Konstruktion dieser Zellen ist durch die Verwendung einer geringen Anzahl an Bauteilen bereits auf eine vollautomatisierte, kosteneffiziente Produktion ausgelegt“, erklärt Taschner. „Um eine möglichst hohe Sicherheit der Batterien zu gewährleisten, wird ein nicht brennbares dielektrisches Kühlmittel verwendet, das die Zellen komplett umschließt.“ Auf diese Weise konnte nicht nur eine verbesserte Sicherheit, sondern auch eine reduzierte Zellenalterung erzielt werden, da sich die Durchschnittstemperatur innerhalb der Batterie konstant in einem niedrigen Bereich befindet. Der modulare Aufbau der Batterie in Form einer Reihenschaltung ermöglicht außerdem eine flexible Anpassung der Anzahl der Module, die eine Höhe von 90 mm
besitzen.

Validiertes Batteriekonzept?

Die Abteilung Computer Aided Engineering (CAE) von Forward Engineering überprüfte im Rahmen struktureller und sicherheitsrelevanter Simulationen das Konzept auf Alltagstauglichkeit. Die Tests umfassten dabei eine Simulation der Gesamtsteifigkeit in Biegung und Torsion ebenso wie einen seitlichen Polaufprall mit bis zu 350 kN und die Kurzdruckfestigkeit bei thermischem Ausreißen. Dabei konnte die begrenzte mechanische Leistungsfähigkeit der Bodenstruktur, bedingt durch deren bewusst einfach gehaltene Geometrie, dank des mithilfe der Design-Freiheiten optimierten Deckels aus GF-SMC wirkungsvoll kompensiert werden. „Die isolierenden Vorteile des Epoxid-SMC-Gehäuses kamen dabei vor allem im Rahmen der thermischen 2D-Simulation des Akkupacks zum Tragen“, erläutert Ooms. „Unser Material übersteht eine 10-minütige Hitzeeinwirkung von 800 °C ohne Durchbrennen und schützt andererseits durch seine isolierenden Eigenschaften die umgebenden Bauteile und Materialien vor Temperaturen über 300 °C.“ Da sich in der Vergangenheit glasfaserverstärkte SMC-Materialien als schwierig zu verarbeiten gezeigt hatten, wurde auch dieser Punkt intensiv getestet. Lorenz fertigte dabei mehrere komplexe Hardware-Demonstratoren, um die Serientauglichkeit des Materials und des Fertigungsprozesses zu verifizieren. „Bei unseren Versuchen mit dem Diamin basierten Epoxidhärter ließen sich Aushärtungszeiten von drei Minuten erreichen, ohne dass die Werkstücke am Werkzeug verkleben“, erläutert Ooms. Hinzu kommt, dass dieses SMC keine Styrol- sowie lediglich geringe VOC-Emissionen aufweist. Auf diese Weise haben die Kooperationspartner bereits verschiedene Konfigurationen ihres Batteriekonzepts realisiert. Aktuell werden drei Energiekonfigurationen angeboten, die im Hinblick auf Energie-dichte, Sicherheit und Kosten mit den gängigen Batteriemodellen am Markt konkurrieren können.

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