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Für einen langfristigen Erfolg der Elektromobilität braucht es ordnungspolitische Rahmenbedingungen und finanzielle Anreizstrukturen. Bild: Luftbildfotograf – fotolia.com

Für einen langfristigen Erfolg der Elektromobilität braucht es ordnungspolitische Rahmenbedingungen und finanzielle Anreizstrukturen. Bild: Luftbildfotograf – fotolia.com

Die Automobilindustrie konnte im Jahr 2015 den globalen Absatz um 1,3 Prozent auf 76 Mio. Pkw vor allem dank der Wachstumslokomotiven Europa und USA leicht steigern. Erstmals seit den letzten 10 Jahren kommen die BRIC-Märkte aufgrund schwieriger ökonomischer Rahmenbedingungen in Märkten wie Brasilien und Russland jedoch nur noch auf ein „Nullwachstum“. Brasilien und Russland befinden sich mit einem Minus von 25 bzw. 36 Prozent in 2015 praktisch im freien Fall. Auch der Kernmarkt China zeigte zwischen Frühjahr und Sommer enorme Absatzeinbrüche, die aufgrund staatlicher Fördermaßnahmen ab Oktober jedoch überkompensiert werden konnten. China kann damit seine Position als wichtigster Pkw-Markt auf rund 20 Mio. (+8,3%) in 2015 ausbauen gefolgt von den USA mit 17,3 Mio. (+4,7%) und Westeuropa mit 13,1 Mio. (+8,2%). Seit dem Jahr 2000 ist der Weltmarktanteil von China von 1 Prozent auf rund 26 Prozent gestiegen. Dagegen sank der Weltmarktanteil der USA im gleichen Zeitraum von 35 auf 22 Prozent, während sich dieser in Westeuropa von 30 auf jetzt 17 Prozent fast halbierte. Der Weltmarktanteil von Deutschland sank von 6,9 auf nur noch 4,2 Prozent.

Nach Prognosen des Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach wird der Pkw-Weltmarkt in 2016 auf rund 78 Mio. (+2,5%) wachsen. Allerdings steigen aufgrund zahlreicher politischer und wirtschaftlicher Unwägbarkeiten die Unsicherheiten für die globale Automobilindustrie. Die USA dürften angesichts weiterhin guter wirtschaftlicher Fundamentaldaten mit 17,9 Mio. (+3,5%) ein Allzeithoch der Neuzulassungen erreichen. Auch für Westeuropa wird ein Zuwachs von rund 5 Prozent auf dann 13,7 Mio. gerechnet aufgrund von Nachholeffekten in Kernmärkten wie Italien und Frankreich. Deutschland wird nach rund 3,2 Mio. Neuwagenzulassungen in 2015 einen leichten Rückgang verbuchen, aber im strukturellen Absatzkorridor von 2,9 bis 3,3 Mio. bleiben.

 

 

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Mehr politische und wirtschaftliche Unwägbarkeiten

„Die Automobilindustrie bleibt in 2016 auf Wachstumskurs, muss aber mit zunehmender Volatilität und vielen Unsicherheiten in verschiedenen Marktregionen sowie einer weiterhin hohen Wettbewerbsintensität rechnen,“ so Studienleiter Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach. „Für Automobilhersteller und Zulieferunternehmen werden die globale Marktpositionierung als auch hohe Flexibilität als Erfolgsfaktoren immer wichtiger“, so Bratzel weiter. „Einerseits, um Schwankungen von einem Markt durch Absatz in anderen Regionen auszugleichen, andererseits, um schnell auf Veränderungen, z.B. durch Anpassungen der Produktion, Modelle und Technologien reagieren zu können.“
Für die Absatzmärkte Brasilien und Russland wird in 2016 mit keiner Belebung gerechnet. Brasilien steckt in einem tiefgreifenden wirtschaftlichen Abschwung, während in Russland die politische Großwetterlage einer wirtschaftlichen Erholung im Wege steht. Dagegen wirkt sich in Indien die wirtschaftliche Belebung auch auf die Pkw-Neuzulassungen aus, die sich in 2016 wieder der 3 Mio.-Grenze annähern könnten.
Das Wachstum des chinesischen Automarktes wird sich im nächsten Jahr zwar auf 6 Prozent abflachen. Trotz geringerem Wirtschaftswachstum dürfte die Pkw-Nachfrage vor allem in den Städten der 2. und 3. Ordnung jedoch anhalten. Allerdings steigen die politischen und ökonomischen Risiken: Insbesondere die Stau- und Luftprobleme in den Städten werden mittelfristig zu stärkeren regulatorischen Maßnahmen führen. Insbesondere die Elektrifizierung der Fahrzeuge wird künftig erheblich an Bedeutung gewinnen. Vor Kurzem ist China bereits zum Leitmarkt für Elektromobilität aufgestiegen.

 

Elektromobilität im Ländervergleich

Bislang kommen die Entwicklung der E-Mobilität nur in wenigen Ländern voran. Gemessen an den Marktanteilen von E-Autos liegen kleine Länder wie Norwegen und die Niederlande weit vorn, wo E-Autos in 2015 bereits rund 23 bzw. 10 Prozent an den Neuwagenzulassungen ausmachen. Auch Schweden, Dänemark und die Schweiz liegen deutlich über dem E-Auto Mittelwert von Westeuropa (EU15+EFTA) von 1,4 Prozent. Unter den großen traditionellen Automärkten liegen Frankreich und Großbritannien vorn, bei denen  sich in 2015 die E-Auto Marktanteile auf 1,2 bzw. 1,1 Prozent der Neuzulassungen fast verdoppeln. Deutschland liegt wie die USA im globalen Mittelfeld mit rund 0,7 Prozent neu zugelassener Elektrofahrzeuge. Rückläufig verlief die Entwicklung in den USA und Japan. Während in den USA der E-Autoanteil an den Neuwagenzulassungen von 0,73 auf 0,66 Prozent zurückging, kommt Japan nach vorläufigen Zahlen nur noch auf einen E-Autoabsatz von rund 25.000, was einem Marktanteil von 0,6 Prozent entspricht. Dagegen liegt der Anteil der E-Mobilität in China, dem größten Automarkt der Welt, bereits bei rund 1 Prozent und ist angesichts starker Förderkulissen bzw. Rahmenbe-dingungen in den letzten Monaten stark ansteigend.

 

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Niederlande als Vorreiter in Europa

Auffallend ist neben China im letzten Jahr die Entwicklung in den Niederlanden, die nicht nur hinsichtlich des Marktanteils zu den internationalen E-Auto Leitmärkten aufgestiegen sind. Mit einer Verdreifachung der Pkw-Neuzulassungen auf über 43.000 E-Autos liegen die Niederlande dank umfangreicher Anreizstrukturen nach China (207.000) und den USA (115.000) auf Rang 3 der Länder mit den meisten Elektroauto-Neuzulassungen. Die Top-5 Länder komplettieren Norwegen und Großbritannien mit 34.000 bzw. 28.000 Neuzulassungen. Global ist der E-Automarkt (Pkw) nach vorläufigen Schätzungen des CAM vor allem dank China um rund 75 Prozent auf rund 560.000 Pkw gewachsen.

 

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Gesamtkonzept für nachhaltigen Erfolg fehlt

„Für ein nachhaltiges Wachstum der Elektromobilität braucht es vor allem eine Kombination von Innovationen im Bereich Elektromobilität der Automobilindustrie sowie ein Gesamtkonzept von ordnungspolitischen Rahmenbedingungen und finanziellen Anreizstrukturen“, so Studienleiter Stefan Bratzel. „Die viel diskutierten Kaufprämien in Deutschland greifen deutlich zu kurz.“ In erster Linie sind die Hersteller gefordert, die Wettbewerbsfähigkeit von Elektroautos im Vergleich zu konventionellen benzin- und dieselbetriebenen Fahrzeugen darzustellen. Hierzu müssen Innovationen zur Erhöhung der Reichweite und zur Reduzierung der (Batterie-)Kosten und damit des Endkundenpreises umgesetzt werden, die bei Kunden „Begehrlichkeit“ auslösen.
Zweitens wird sich die Elektromobilität nicht durchsetzen solange keine ausreichend dichte (Schnell)Ladeinfrastruktur existiert. Bislang fehlt es für mögliche Betreiber – wie Energieversorger – an soliden Geschäftsmodellen, die Investitionen rechtfertigen. Hier erscheinen öffentliche Förderungen im Verbund mit der Automobilindustrie als sinnvoll.
Drittens ergibt Elektromobilität im Vergleich zum Verbrennungsmotor ökologisch nur dann wirklich einen Mehrwert, wenn der Strom zur Ladung aus regenerativen Quellen stammt. Entsprechende Rahmenbedingungen sind auch staatlicherseits zu schaffen. Schließlich sind ordnungspolitische und finanzielle Anreizstrukturen zu schaffen, die umweltverträgliche (Auto-)Mobilität bevorzugen. Grundsätzlich können dabei auch Bonus-Malus-Systeme in Erwägung gezogen werden, sodass eine staatliche Ausgabenneutralität möglich ist.

 

Prof. Dr. Stefan Bratzel

Center of Automotive Management (CAM) Bergisch Gladbach stefan.bratzel@auto-institut.de

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