Das Wacker-Firmenlogo als weltweit erster 3D-Druck mit Silicon

Das Wacker-Firmenlogo als weltweit erster 3D-Druck mit Silicon (Bild: Wacker Chemie)

Dabei entstehen homogene Körper mit einer nahezu glatten Oberfläche. Das Material ist biokompatibel, temperaturbeständig und transparent. Damit eröffnet das neue Verfahren viele Anwendungsfelder in den Industriebereichen Automobil, Medizin, Haushalt und Optik. Nach Meinung von Experten ist der 3D-Druck mit Silicon ein riesiger Markt.

Das Verfahren haben Dr. Maximilian Peter von Geschäftsbereich Wacker Silicones und Fachleute der Firma Enders Ingenieure aus Ergolding entwickelt: den dreidimensionalen Druck von Silicon. Das ist ein Durchbruch in der Welt der „additiven Fertigung“, heißt es in dem Halbjahresbericht, und weiter erläutert dort Dr. Bernd Pachaly, Leiter der Silicone-Forschung bei Wacker Silicones: „Elastomere, also gummiartige Substanzen, konnte man bisher nicht drucken. Es gab einfach kein geeignetes Verfahren dafür“. Formteile aus Silicon konnten bisher nur im kostspieligen Spritzgussverfahren gefertigt werden. Das lohnt sich nur für größere Stückzahlen (Serienprodukte). „Aber diejenigen, die Prototypen entwerfen oder nur wenige Exemplare eines Bauteils produzieren wollen, können solche Kleinserien jetzt schnell und flexibel neuen Anforderungen anpassen. Darin besteht der eigentliche Mehrwert des Verfahrens“, schreibt Pachaly.

Damit schließt Silicon mit der neuen Technologie zu Materialien wie thermoplastisch verformbaren Kunststoffen, Metallen und Keramiken auf. Bei ihnen ist der 3D-Druck schon länger möglich. Er gilt als eine der Schlüsseltechnologien der Zukunft und begeistert viele „Maker“, wie sich die Anwender im Szenejargon nennen. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt: Kreative Entwickler und technikaffine Designer drucken ihre Objekte entsprechend dreidimensionaler Designvorlagen. Und längst gibt es auch spezialisierte Unternehmen, die zum Beispiel Filmkulissen oder Schmuck, Prothesen oder Spielzeug fertigen. Nicht zu vergessen Ersatzteile aller Art, Prototypen und Kleinserien, für die der 3D-Druck ursprünglich entwickelt wurde.

Zukunftstechnologie mit wachsendem Markt

Den Markt für die additive Fertigung schätzen Experten für das Jahr 2014 auf rund 3,8 Milliarden US-Dollar weltweit, mit einer rasanten Steigerungsrate von 30 Prozent und mehr pro Jahr. Davon entfällt nicht einmal die Hälfte auf die Hardware, also Drucker und Materialien. Dienstleistungen wie Produktentwicklung und Kundenlösungen sind als Markt noch wichtiger. In den USA haben Forscher und Unternehmer den Trend zur additiven Fertigung längst erkannt. 150.000 Drucker gibt es dort bereits – sogar Kinder experimentieren damit in Grundschulen.

Deutschland ist da noch längst nicht so weit. Zwar haben sich im April 2015 in Hamburg die Politiker der dortigen Koalition erstmals auf eine „3D-Druck-Strategie“ verpflichtet. Bundesweit fehlt jedoch eine strategische Förderung, wie die „Expertenkommission Forschung und Innovation“ der Berliner Regierung einen Monat zuvor ins Stammbuch schrieb. Auch der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) sieht in seinem Statusreport „Additive Fertigungsverfahren“ Handlungsbedarf. Vor allem sollten noch mehr Werkstoffe drucktauglich werden, die Maschinen sollten leistungsfähiger und die Prozesse stärker integriert und automatisiert sein, mahnten die Fachleute im Herbst 2014. Genau an diesen Themen arbeiteten Wacker und Enders bereits damals gemeinsam. Für den 3D-Druck von Silicon mussten sie dabei eine grundlegend neue Lösung austüfteln. Denn das Material schmilzt in der Hitze nicht, wie das thermoplastische Kunststoffe oder Metalle tun. Man kann also nicht einfach Schicht für Schicht als Pulver auftragen und entsprechend der gewünschten dreidimensionalen Form mit einem Laserstrahl verschmelzen.

Die Technik des 3D-Druckverfahrens

Die Lösung des Problems besteht aus einem Roboter, der mit einer Düse ausgerüstet ist, aus der zügig ein Tröpfchen Silicon nach dem anderen auf einer Unterlage absetzt wird. Und zwar exakt dort, wo es die Computerdatei mit der Design-Software vorgibt – genau wie beim Tintenstrahldruck auf Papier. Für die Steuerung des Roboters konnten die Entwickler keine Lösung von der Stange verwenden: „Ein zentraler Entwicklungsschritt war die Erstellung eines maßgeschneiderten Programms“, berichtet Enders-Geschäftsführer Florian Ganz. Aus der Sicht von Bernd Pachaly hat sich der Aufwand gelohnt: „Das ist die erste wirklich benutzerfreundliche Software auf diesem Gebiet“, findet er.

Regelmäßig hält der Roboter kurz an und ein UV-Lichtstrahl wandert über die winzigen Tropfen. Die sind zu einem schmalen Streifen zusammengeflossen. Nun wird das Silicon in weniger als einer Sekunde im ultravioletten Licht vulkanisiert. Dabei vernetzen die Moleküle zu einer gummielastischen Substanz. Anschließend trägt der Roboter die nächste Lage aus Silicon-Tröpfchen auf. Dank der Vulkanisation entsteht ein homogener Körper, denn das zähflüssige Material verbindet sich gleich nach dem Auftragen auch mit den Schichten, die unmittelbar daneben oder darunter liegen. Beeindruckend rasch wächst beispielsweise aus dem Nichts das Firmenlogo von Wacker heraus. Nach einer guten Viertelstunde sind die Buchstaben mit den markanten Serifen rund einen Zentimeter groß und einige Millimeter dick. Größere Objekte zu fertigen dauert entsprechend länger. Doch langfristig wollen die Entwickler in einer Stunde rund 100 Gramm Silicon ausdrucken – schnell genug für jede denkbare Anwendung.

Höhere Präzision als bei gedruckten Kunststoffen

Die Präzision des Verfahrens ist eindrucksvoll. Der Roboter erzeugt extrem feine Strukturen: Der Siliconstreifen ist etwa 0,6 mmr breit und dabei nur halb so hoch. Das macht die Herstellung äußerst genauer Konturen möglich und ergibt eine Oberfläche, die bei angenehmer Haptik nahezu eben ist. „Die Rauigkeit kann noch besser werden als 100 Mikrometer“, betont Pachaly. Das ist kaum mehr als Haaresbreite und deutlich glatter als bei gedruckten Kunststoffen.

Fast wie mit Spritzguss hergestellt sehen die Objekte aus – die additive Fertigung sieht man ihnen kaum an. Um das zu erreichen, musste Silicon-Entwickler Dr. Ernst Selbertinger eine Formulierung entwickeln, die sich als winziges flüssiges Tröpfchen dosieren lässt und anschließend sofort an Ort und Stelle stehen bleibt. „Man kann sich das so vorstellen wie bei der Zahncreme: in der Tube unter Druck flüssig wird sie auf der Zahnbürste wieder standfest“, erklärt der Chemiker. Mehr verrät er nicht über die Mischung – nur dass ein Platinkatalysator enthalten ist, der die Vernetzung der Moleküle im UV-Licht bewerkstelligt.

Das Wacker-Firmenlogo aus Silicon ist nur eines von vielen Entwicklungsergebnissen zum Anfassen. Es soll das Potenzial des Verfahrens demonstrieren. Kleinserien und Einzelstücke lassen sich mit dem 3D-Druck deutlich schneller fertigen als mit herkömmlichen Techniken. Etwa Prototypen und Ersatzteile für die zahlreichen Silicon-Elemente, die in jedem Auto stecken: Stecker, Schläuche und vieles mehr. „Im Automobilsektor wird die aufwändige Lagerhaltung von Siliconteilen überflüssig werden“, davon ist Bernd Pachaly überzeugt. Auch die Medizin interessiert sich für das biokompatible Material. Etwa für Implantate, die sogar während einer Operation passend für den Patienten gefertigt werden könnten – nach den Daten, die bildgebende Verfahren wie die Magnetresonanztomografie liefern.

Neue Anwendungen und Märkte

Auch individuell hergestellte Atemmasken und Hörgeräte aus Silicon sollen schon bald im 3D-Druck hergestellt werden. Und, was alle Brillenträger freuen wird: Nasenpolster, die wirklich passen. Die Vision: Der Optiker braucht nur noch mit einem Laser die dreidimensionale Kontur der Nase zu erfassen und sie in einen 3D-Drucker einzulesen, der sofort das perfekt sitzende „Pad“ herstellt. Für den Haushalt sind zum Beispiel Backformen mit dem eigenen Namenszug denkbar. Silicon ist bekanntlich temperaturbeständig. Weil es zudem wegen seiner Transparenz ge-schätzt wird, denken die Forscher auch an optische Anwendungen wie maßgeschneidert ge-druckte Linsen. Und nicht zuletzt an individuell gefertigte Einlegesohlen für Laufschuhe. Der Markt für gedrucktes Silicon ist riesig, da sind sich die Entwickler sicher.

„Wir haben viele Ideen und wollen unseren Kunden mehr zur Verfügung stellen, als nur das Silicon für die additive Fertigung“, sagt Pachaly. Das bedeutet: Wenn ein Unternehmen ein bestimmtes Produkt aus Silicon drucken möchte, muss es nicht erst mit großem Aufwand ein neues Verfahren entwickeln. Wacker wird sich in naher Zukunft um die Systemlösung kümmern können, also um geeignete Maschinen und die passende Software – und damit neuartige Leistungen für seine Kunden anbieten. „Bald wird es nicht mehr ausreichen, den Kunden Gebinde mit Chemikalien vor die Werkshalle zu stellen“, so die Einschätzung des Innovationsleiters. Sein Fazit: Wertschöpfung wird zukünftig vor allem durch kundenorientierte Gesamtlösungen möglich. Und dafür eignet sich der 3D-Druck von Silicon hervorragend.

Weblink zum Thema

Weitere Details zum 3D-Druck von Silikonen finden Sie in dem aktuellen Zwischenbericht von Wacker Chemie (Januar bis Juni 2015, als pdf, 80 Seiten) auf den Seiten 5 bis 11 – dazu bitte hier klicken.

(dw)

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