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Eine Auswahl an Hochleistungskomonenten für SCR-Systme. (Bild: Dätwyler)

Um als Zulieferer den Status eines „valuable partner“ beizubehalten, ist es daher bedeutend, nachhaltige Praktiken in jedes mögliche Element eines Betriebes zu integrieren – von den Auswirkungen von Produktionsprozessen auf die Umwelt, auf Fertigungsebene bis hin zu Design, Materialeinsatz und Funktionalität der hergestellten Produkte.

Erstausrüster legen bei der Auswahl ihrer Zulieferer immer größere Sorgfalt an den Tag, wofür globale Großkonzerne, wie Daimler mit seinem Triple-Bottom-Line-Ansatz, ein gutes Beispiel sind. Die nachhaltige Geschäftsstrategie eines Unternehmens berücksichtigt die ökologischen, ökonomischen und auch sozialen Auswirkungen seiner Aktivitäten unter Betrachtung der gesamten Wertschöpfungskette und daher werden die Kriterien bei der Auswahl der Zulieferer strenger denn je. Die Gruppe der Großkonzerne beweist weiterhin ihr Umweltengagement und sie stehen damit keineswegs allein.
Im Falle von Komponentenzulieferern ist es neben internen Prozessen und Verfahren auch möglich, einen spürbaren Einfluss auf die Systeme zu nehmen, in die diese Komponenten verbaut werden. Die Elektrifizierung von Fahrzeugen ist ein Schlüsselbeispiel und wird weithin als ein Bereich angesehen, der als zentrale Treibkraft für mehr Nachhaltigkeit in der Industrie und für globale Emissionsreduzierung angesehen wird. Das Entwickeln und Liefern von Komponenten für Systeme zur Kontrolle oder Minderung von Emissionen ermöglichen zusätzlich den Betrieb bestehender Verbrennungsmotoren (ICE) auf einem weitaus saubereren Niveau.

Elektrifizierung

Reine Elektrofahrzeuge (EVs) werden bis 2030 voraussichtlich 19 % des Marktes ausmachen – wobei Voll- und Plug-in-Hybride 11 % und Verbrennungsmotoren (ICE) und Mild-Hybrid-Fahrzeuge die restlichen 70 % des Marktanteils abdecken. [2] Unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit bemerkt der oben genannte Bericht auch, dass „auf der Grundlage der Ladeinfrastruktur für EVs, beispielsweise in den 27 EU-Ländern und im Vereinigten Königreich, der Umstieg auf Elektrofahrzeuge den gesamten Lebenszeit-Treibhausgas-Footprint von Personenkraftwagen um etwa 37 % und den Betriebsfootprint um 75 % reduzieren würde, wenn sie mit erneuerbaren Energien betrieben werden“ [3] (unter der Annahme einer Lebenszeit-Gesamtdistanz von 150.000 km).
Selbst kleine Komponenten wie Dichtungen mit eingebetteter Sensortechnologie werden in Elektrofahrzeugen aufgrund ihrer natürlichen Affinität zur Stromquelle zunehmend Anwendung finden und könnten in vielerlei Hinsicht zu dieser beeindruckenden Reduzierung von Treibhausgasen beitragen. Der Einsatz intelligenter Dichtungslösungen, in die Sensoren integriert wurden, kann zum Beispiel nicht nur die Funktionalität der Dichtung detektieren, sondern auch das Überwachen einer Vielzahl von Betriebsparametern im Fahrzeug ermöglichen. Ein integrierter Sensor könnte beispielsweise Temperatur, Feuchtigkeit oder Leck-age überwachen oder verfolgen. Diese Daten können dann an das Fahrzeug selbst, den Hersteller oder den Fahrer geliefert werden, was wiederum einen sicheren und effizienten Betrieb des Fahrzeugs ermöglicht.
Auch vorbeugende Wartung und vorausschauende Analysen sind denkbar, da die Sensoren in bestimmten Dichtungen in der Lage sein werden, zu erkennen, ob Teile verschleißen oder kurz vor dem Ausfall stehen, sodass sie ausgetauscht werden können, bevor es zu ungeplanten Ausfallzeiten oder sogar Sicherheitsproblemen kommt. Solche aktiven Daten werden essenziell zur Ausschöpfung des vollen Potenzials der Sensortechnologie und ihrer Auswirkungen auf Nachhaltigkeit sein.

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Elektronikteile eingebettet in Elastomerbauteile. Quelle: Dätwyler

Darüber hinaus können Fortschritte in der Bremsentechnologie auch einen Einfluss auf die Effizienz von EVs haben. Der Übergang vom Vakuumbremsverstärker zur elektrohydraulischen Technologie ermöglicht es beispiels-weise, die kinetische Energie beim Bremsvorgang zurückzugewinnen und zum Laden der Batterie zu nutzen, während das Fahrzeug in Betrieb ist. Elektrohydraulische Systeme sind zudem leichter, was heißt, dass durch Reduzieren des Gewichts weitere Energieeinsparungen erzielt werden können.
Als Beispiel für einen konkreten Anwendungsfall bestätigte der TÜV in einem zertifizierten Test, dass das elektrohydraulische Brake-by-Wire-Bremssystem MK C1 von Continental, eingebaut in ein serienmäßiges Plug-in-Hybridfahrzeug aus dem D-Segment, im Worldwide Light Vehicles Test Proce-dure (WLTP) den CO2-Ausstoß im Vergleich zu einem konventionellen – nicht Brake-by-Wire – Hybridbremssystem um durchschnittlich rund 5 g/km reduziert. [4]

Der Verbrennungsmotor wird nicht über Nacht verschwinden

Experten prognostizieren, dass aufgrund des rapide steigenden Verkehrsaufkommens und strengerer Vorschriften die weltweite Nachfrage nach Abgasnachbehandlungs-Technologien, insbesondere in Schwellenländern, steigen wird. Die von der Worldwide harmonized Light vehicles Test Procedure (WLTP) vorgegebenen Stickoxid-Grenzwerte (NOX) und die noch strengeren SULEV (Super Ultra-Low Emission Vehicle)-Grenzwerte in Kalifornien zum Beispiel stellen die Fahrzeughersteller ständig vor große Herausforderungen.
Die bereits eingeführten RDE (Real Driving Emission)-Tests untersuchen die Abgasemissionen von Fahrzeugen unter realistischen Fahrbedingungen, was bedeutet, dass niedrige Emissionswerte, die unter Laborbedingungen erzielt wurden, nicht mehr ausreichen werden. Diese strengeren Vorschriften erfordern neben optimierten Dieselmotoren auch zusätzliche Abgasnachbehandlungen. Eine Schlüsseltechnologie für das Reduzieren von Stickoxiden sind selektive katalytische Reduktionssysteme (SCR-Systeme) – sie gelten als die effizienteste und zuverlässigste Methode, um mehr als 90 % der NOX-Emissionen von Dieselmotoren zu reduzieren und Euro-6d-Normen sowie noch strengere Vorschriften zu erfüllen.
Diese Technologie ist besonders wichtig bei Nutzfahrzeugen, weil diese in der Regel mit Diesel betrieben werden und lange Distanzen aufweisen. Es gibt viele Märkte, vor allem in sich stark entwickelnden Ländern wie China, wo Güter fast ausschließlich auf der Straße transportiert werden und die dafür eingesetzten Lkw zu hohen Emissionen neigen.

SCR-Systeme und Herausforderungen für Komponenten

SCR-Systeme verwenden wasserbasierte Harnstofflösungen (AdBlue oder Diesel Exhaust Fluid (DEF), wie es in den USA bekannt ist) als Ammoniakquelle, um die Stickoxide in den Abgasen von Dieselmotoren zu neutralisieren. In SCR-Systemen reagiert Ammoniak (NH3) selektiv mit Stickoxiden und es entstehen unschädlicher Stickstoff und Wasser. Um den sicheren Transport dieses Mediums vom Tank zum Abgassystem zu gewährleisten, benötigt diese Technologie Bauteile, die auf speziell entwickelten Elastomerwerkstoffen basieren.
Die Auswahl geeigneter Elastomerwerkstoffe, die der aggressiven Harnstofflösung standhalten, stellt eine erhebliche technische Herausforderung für das Elastomer dar. Dies gilt auch für das Verbinden von Elastomer und Substrat, die für AdBlue- oder DEF-Anwendungen häufig erforderlich ist. SCR-Systeme verwenden komplexe Bauteile mit Elastomer- und Elastomer zu Metall/Kunststoff-Verbindungen, engen Toleranzen und anspruchsvollen Geometrien. Elastomerwerkstoffe sind in verschiedenen, anwendungsspezifischen Zusammensetzungen erhältlich, die konkrete Anforderungen abdecken (zum Beispiel Temperaturflexibilität, internes Schmiermittel, Faserverstärkungen oder Dieselbeständigkeit) und müssen in extremen Umgebungen bei Spitzentemperaturen von 120 und 150 °C erfolgreich getestet werden, um maximale Elastizität und langfristige Lebensdauer zu gewährleisten.
Die Nachfrage und Komplexität der SCR-Technologie wird in den kommenden Jahren erheblich zunehmen, aus den folgenden Gründen:

  • Die Sprührate von AdBlue wird steigen, was sich auf Haltbarkeit, Pumpenleistung und Dosiermodule auswirkt.
  • Flüssigkeitsmessungen werden zu den Systemfunktionen hinzugefügt werden, um korrekte Medien und deren Konzentration zu gewährleisten.
  • Global strengere Gesetzesvorschriften für Emissionen.
  • Steigende Anforderungen und zusätzliche Systemeigenschaften führen zu erhöhter Anzahl von Elastomerkomponenten innerhalb des SCR-Systems.

Chemikalienvorschriften überwachen

Auch die Chemikalienvorschriften in Europa, den USA und Asien werden immer strenger. Jede Region hat unterschiedliche Anforderungen und Komponentenzulieferer müssen sich pro-aktiv an diese Vorschriften in Bezug auf Elastomermischungen anpassen. Einschränkungen bestimmter Inhaltsstoffe, die nicht erlaubt sind oder in Zukunft eingeschränkt werden könnten, sollten genau überprüft werden. Vorausschauend können Rezepturen so geändert werden, dass es keine Auswirkungen auf die Produktion gibt.
Auf einer bestimmten Ebene kann dieser Ansatz zu Nachhaltigkeit beitragen, da diese Verbindungen umweltschädlich oder in einigen Fällen schädlich für Mitarbeiter sein könnten. Das Ideal ist ein internes Expertenteam, das dabei hilft, alle Inhaltsstoffe zu identifizieren, bei denen auch nur die geringste Gefahr besteht, dass sie in Zukunft eingeschränkt oder entfernt werden.
Sollte ein Wirkstoff als potenzieller Störfaktor identifiziert werden, besteht der erste Schritt darin, den Anbieter zu kontaktieren und den Markt mit den entsprechenden Regulierungsexperten zu scannen. Dann müssen Alternativen gesucht, interne Produktionsversuche durchgeführt und sobald ein geeigneter Ersatz entwickelt wurde, Gespräche mit dem Anwender geführt werden. Die gesamte Kette muss einbezogen werden, wenn positive Veränderungen bei den Verbindungen vorgenommen werden müssen. Dieser kooperative Ansatz gewährleistet eine rechtzeitige Reaktion.

Schlüssel zu mehr Nachhaltigkeit

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Der Payne Effect ist ein Maß für die Füllstoffvernetzung im Gummi. Quelle: Dätwyler

Ein derzeitiger Trend in der Materialentwicklung ist es, das Verwenden von Materialien, die entweder erneuerbar sind oder aus natürlichen Quellen stammen, zu erforschen. Recycelte Materialien, die auf erneuerbaren Quellen basieren, können mit anderen Inhaltsstoffen verarbeitet werden und so einen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten. Forschungsprojekte zur Verwendung von aus Zuckerrohr synthetisierten Polymeren, Füllstoffen auf der Basis von Reisschalen oder Zellulose oder bereits recycelten Materialien wie Ruß – ein Füllstoff, der einer Verbindung bestimmte Leistungseigenschaften verleiht – sind im Gange.
Bei der Elastomerentwicklung, die üblicherweise aus schweren Mineralölen hergestellt werden, besteht die Alternative darin, alte Reifen beispielsweise in einer kontrollierten Umgebung durch Pyrolyse zu verbrennen. Dadurch entstehen im Prozess keine schädlichen Nebenprodukte, und die verbleibende Asche, die ganz spezifische Eigenschaften hat, kann verwendet werden. Zunächst kann der Ruß, der ursprünglich im Reifen war, zurückgewonnen werden. Zweitens wird der Gummi, der Bestandteil des ursprünglichen Reifens war, in Ruß umgewandelt. Dieser kann entweder so, wie er ist, oder behandelt und als Füllstoff für eine Mischung verwendet werden.

Im Mobilitätssektor ist alles auf Standards ausgerichtet, daher muss Variabilität minimal und die Standardabweichung beim Verarbeiten und den Eigenschaften der Verbindungen sehr gering sein. Dies macht ein hohes Maß an Prüfungen erforderlich. Um die Wirksamkeit von Ruß als Mischungsfüllstoff zu messen, wird der Payne-Effekt genutzt, um das Spannungs-Dehnungsverhalten der Mischung zu analysieren. Der Payne-Effekt ist ein Maß für die Füllstoffvernetzung, die durch Füllstoff-Füllstoff- und Füllstoff-Polymer-Wechselwirkungen entsteht und als solches Informationen über die Qualität des Mischprozesses liefern kann. Ein Beispiel für gute versus schlechte Füllstoffdispersion ist in der abgebildeten Grafik dargestellt.
Zusätzlich zu Ruß gibt es auch das Beispiel von Ethylen-Propylen-Dien-Monomer (EPDM), das zeigt, dass es noch andere Wege zu erforschen gibt, wie dieses häufig verwendete Polymer in Zukunft nachhaltiger gemacht werden kann. Es werden Studien durchgeführt, um festzustellen, ob Ethanol aus erneuerbaren Quellen wie Zuckerrohr, Zuckerrüben, Weizenkorn rentabel sein kann. Dazu werden diese Stoffe dehydriert, um Ethylen herzustellen. Letzteres ist der Rohstoff, der zum Herstellen von Polyethylen benötigt wird, welches seinerseits zum Herstellen von EPDM verwendet wird.
In der gesamten Branche gibt es noch viele weitere Initiativen, aber hier wurde gezeigt, in welchem Umfang diese Projekte laufen. Selbst die kleinsten Komponenten können grüner und umweltfreundlicher sein. Es war noch nie so wichtig, das Gesamtbild im Hinblick auf eine nachhaltige Zukunft für den Mobilitätssektor zu betrachten, und durch enge Zusammenarbeit können die Fahrzeuge der Gegenwart und der Zukunft zu spürbaren Veränderungen auf globaler Ebene beitragen.

Literaturangaben:

[1] https://www.capgemini.com/wp-content/uploads/2020/03/The-Automotive-Industry-in-the-Era-of-Sustainability.pdf
[2] Quelle FEV
[3] Luxembourg Institute of Technology – Climobile Model for EV, 2019; Analyse des Capgemini Research Institute.
[4] https://www.continental.com/en/press/press-releases/mk-c1-brake-system-170282

Andreas Minatti

Head of Business Development Mobility Militärstrasse 7 CH-6467 Schattdorf, Schweiz

Jakub Kadlcak

Head of Materials Development and Surface Technologies Mobility Militärstrasse 7 CH-6467 Schattdorf, Schweiz

Rolf Figi

Product Manager Militärstrasse 7 CH-6467 Schattdorf, Schweiz

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