Abb.5 Gesamtansicht VR

Die Großmaschine, hier in Doppelrahmenausführung mit insgesamt 12000 kN Schließkraft, zeichnet sich durch ein schlankes, automatisierungsfreundliches Konzept aus. (Bild: LWB)

Als es bei einem südosteuropäischen Gummiverarbeiter darum ging, die effizienteste Produktionslösung für die Fertigung großer, flexibler Profildichtungen zu finden, standen mehrere Alternativen aus dem weit gefächerten LWB-Typenprogramm zur Diskussion. Die Anforderung bestand darin, große Werkzeuge (Plattengröße 1200 x 500 mm) mit einem relativ kleinen Schließkraftbedarf (2000 bis 3000 kN) so in einer Schließeinheit unterzubringen, dass sie leicht von einer Bedienperson zwecks Entformung erreicht werden können. Umso mehr, als im konkreten Fall die Profildichtungen in Rechteckform mit einer Umfangslänge von 2600 mm auf Grund ihrer Größe und ihrer Flexibilität eine manuelle Entformung erfordert. C-Rahmen-Maschinen kamen wegen der konzeptbestimmten Größenbeschränkung nicht in Frage und eine Holm-Schließeinheit (VS-Baureihe) erwies sich für die Anwendung als viel zu groß. So hätte das 1200 x 500 mm große Spritzgießwerkzeug eine Holm-Schließeinheit mit 800 t Schließkraft erfordert (Typ VS 8000), zu groß um noch für eine Handentnahme in Frage zu kommen.

Abb.2a Dichtungsfertigung

Die vertikalen Gummi-Spritzgießmaschinen mit Rahmen-Schließeinheit ermöglichen durch ihre schmale Bauweise einfache Zugänglichkeit zum Spritzgießwerkzeug und damit gute Voraussetzungen zur manuellen Entformung von komplexen Gummi-Dichtungen. Bilder: Reinhard Bauer

Säulenlose Rahmen-Schließeinheit als Alternative

Ganz anders stellte sich die Alternative auf Basis der VR-Baureihe mit säulenloser Rahmen-Schließeinheit dar. Damit fiel es leicht, eine baulich schlanke Maschine mit großer Aufspannfläche, aber kleiner Schließkraft aus dem Standardprogramm abzuleiten, konkret die Type VREF 3200/1000 mit 3200 kN Schließkraft. Sie verfügt über eine Schließkraft von 320 t bei einer Heizplattengröße von 1300 x 500 mm.
Bei der Präzisierung der Maschinen-Ausführung entschied man sich für eine von unten schließende Ausführung mit zwei hydraulischen Schließmodulen. An der offenen Bedienseite des Maschinengehäuses sichert ein Lichtvorhang den Arbeitsbereich ab.
Dies ermöglicht dem Maschinenbediener eine Arbeitsposition in unmittelbarer Nähe zum Werkzeugbereich und eine Manipulation mit minimal notwendiger Auskragung der Hände und damit minimaler Rückenbelastung. Der Arbeitsablauf kann auf diese Weise nicht nur weniger belastend, sondern auch schneller gestaltet werden. Die gute Zugänglichkeit zum Werkzeugbereich bietet darüber hinaus auch deutliches Verkürzungspotenzial beim Werkzeug- bzw. Kavitätenplatten-Wechsel.

Abb.2b Dichtungsentformung

Die vertikalen Gummi-Spritzgießmaschinen mit Rahmen-Schließeinheit ermöglichen durch ihre schmale Bauweise einfache Zugänglichkeit zum Spritzgießwerkzeug und damit gute Voraussetzungen zur manuellen Entformung von komplexen Gummi-Dichtungen. Bild: Reinhard Bauer

Kostengünstig und effizient produzieren

Das VR-Maschinenkonzept bietet nicht nur Vorteile für die Großdichtungs-Produktion, sondern es ermöglicht auch die kostengünstige Massenfertigung kleinerer bis mittelgroßer Faltenbälge. Auch hier spielt die Maschine, die ebenfalls nach Südosteuropa ging, mit ihrer schlanken Bauweise und dem Lichtschranken-überwachten Zutrittsschutz ihre Ergonomievorteile aus.
Die Basis dafür ist ein Werkzeugkonzept, bei dem ein Wechselkern-System parallel zum Spritz- und Vulkanisationszyklus die Teileentformung außerhalb des Spritzgießwerkzeugs ermöglicht. Dessen wesentliche Komponente ist eine schwenkbare Kernträger-Leiste mit jeweils gegenüber liegenden Formkern-Paaren. Die Kernleiste wird simultan mit dem Öffnungshub des Werkzeugs so weit angehoben, dass sie anschließend vom Maschinenbediener um 180° gedreht werden kann. Dadurch kommen die produzierten Faltentüllen zur Entformung außerhalb der Spritzgießform zu liegen, während gleichzeitig die leeren Formkerne in den Kavitäten liegen. Nachdem das Werkzeug wieder geschlossen wurde, löst die Bedienperson parallel zum nächsten Spritzzyklus die Faltentüllen mit Druckluftunterstützung von den Kernen. Beim dargestellten Projekt wird die Maschinenkapazität der dafür eingesetzten VREF 320/1000 (3200 kN Schließkraft) mit einem 12-fach-Werkzeug voll genützt. Dies betrifft nicht nur die Platz- und Spritzkapazitäten, sondern auch das Zykluszeitpotenzial, denn die 12 Faltenbälge können, ohne Wartezeiten bei den Maschinenzeiten in Kauf nehmen zu müssen, entformt und bearbeitet werden.

Abb.3b Entformung Faltentu_êlle-1

Die VR-Maschinen bieten in Kombination mit einer Lichtschrankenüberwachung des Zutrittsbereichs optimale Voraussetzungen für manuelles Arbeiten zur Formteilmanipulation. Hier am Beispiel eines 12-fach Faltentüllen-Werkzeugs.

Vorteile auch beim 2K-Spritzguss

Für eine Wasserkastenabdeckung vor der Windschutzscheibe eines Automobils mit seitlich angefügten Elastikpartien wurden Kombination aus PP und TPE verarbeitet. Um diese Teile zu produzieren, entschied sich ein Autozulieferer für eine Anlage mit 12 000 kN Schließkraft und zwei vertikalen Thermoplast-Spritzaggregaten. Da es dabei um einen ausgeprägt länglichen 2K-Formteil ging, bei dem der Mittelteil aus PP an beiden Enden um TPE-Partien ergänzt wird, wurde für diese Anwendung das modulare Potential des Maschinenkonzept genutzt. Denn die Schließeinheit besteht aus einer Kombination aus zwei parallel angeordneten Portalrahmen und einem 2.720 mm großen Drehtisch, der von den vier Schließmodulen getragen wird. Um die darauf betriebenen bis zu 18 t schweren 2K-Werkzeuge aufspannen und wechseln zu können, ist die Anlage auf der Maschinenrückseite mit einer Werkzeugwechselstation kombiniert. Auf diese bzw. von dieser werden die Spritzgießwerkzeuge mit einer angetriebenen Quertransport-Einheit transferiert. Auf der Werkzeugstation ist das Spritzgießwerkzeug frei zugänglich, sodass dem Werkzeugwechsel mittels Kran nichts mehr im Weg steht.

Abb.3c Werkzeug Faltentu_êlle

VR-Konzept als Presse einsetzbar

Das VR-Maschinenkonzept ist nicht exklusiv für Spritzgießanwendungen geeignet, sondern auch, wenn es um hochpräzises Pressen geht. Dass es dabei nicht um eine Kunststoffanwendung, sondern um die Verarbeitung von großflächigen Blechen aus hochfestem Aluminium geht, gibt dem an sich alten Umformverfahren einen innovativen Touch.

Abb.6b LWB-VR 19.000

Die Pressenversion des VR-Maschinen- systems.

Der Projekt-Trigger für den Einsatz einer Metallpresse war die Suche eines Autozulieferers für die nächste Ausbaustufe seiner Karosseriekomponenten-Fertigung eine „schnelle“ Presse zu finden, mit der dünne und auf rund 450 °C vorgewärmte Bleche verarbeitet werden könnten, ohne während des Bewegungszyklus zu viel der Wärme zu verlieren. Denn es ging um das HSBF (High Speed Blow Forming)-Verfahren, bei dem die erwärmten Bleche nach einem mechanischen Vorverstrecken mittels Luftdruck in die endgültige Form gebracht werden. Die erwärmten Blechtafeln werden nach dem Einlegen vollumfänglich und dicht geklemmt. Der dafür notwendige Luftdruck bedingt eine dichte Klemmung der Blechplatten, wofür ein Präzisions-Schließen mit hoher Plattenparallelität erforderlich ist.Die VR-Pressen bieten diese Schließpräzision. Im konkreten Fall ging es um 19.000 kN Schließkraft, eine Aufspannfläche von 2,50 x 2,50 m mit 0,2 mm maximaler Durchbiegung und 0,05 bis 0,06 mm Plattenparallelität. Dazu wurden nicht ein Rahmenmodul vorgesehen, sondern drei Rahmen, die über eine, über alle drei Rahmen reichende, Schließplatte miteinander synchronisiert wurden.

Hohe Biegefestigkeit und wartungsfreie Grundkonstruktion

Das VR-Maschinensystem hat bereits eine langjährige Tradition, hat allerdings durch die stetig steigenden Anforderungen an die Fertigungspräzision eine neue Blüte erfahren. Insbesondere durch die schlanke Bauweise bei der steigenden Anzahl von Automatisierungsprojekten. Aber das ist nicht der einzige Vorteil: Klare Konzeptvorteile sind die deutlich höhere Biegesteifigkeit und die wartungsfreie Grundkonstruktion. Die systemtypische Steifigkeit bringt beim Schließen der Maschine eine verbesserte Druckverteilung über die gesamte Heizplatte mit sich. Und damit ein höheres Qualitätsniveau in allen Anwendungssegmenten.

Dipl.-Ing. Reinhard Bauer

Technokom, Gmünd, Österreich

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