Herr Santoso, könnten Sie den Lesern bitte einen Überblick über die Eigenschaften von Acrylatkautschuk geben und wie er sich dadurch von anderen gängigen Kautschukarten unterscheidet?
Dr. Marcus Santoso: Acrylatkautschuk eignet sich sehr gut für anspruchsvolle Hochtemperaturanwendungen bis 180 °C und in einer Umgebung wo Fette und Öle, wie Motor- und Getriebeöle, eingesetzt werden. Die Kältebeständigkeit liegt je nach Monomerzusammensetzung bei bis zu -40 °C. Nicht so gut ist dagegen der Einsatz in einer wässrigen oder treibstoffhaltigen Umgebung. Im Vergleich zu anderen Spezialkautschuken, die ebenfalls unter solchen aggressiven Bedingungen eingesetzt werden können, ist ACM kostengünstiger.
Welche technischen Herausforderungen gibt es beim Verarbeiten dieses Kautschuktyps?
Santoso: Durch die Natur der Monomereigenschaften verfügt der Kautschuk über einen thermoplastischen Charakter, eine niedrige Viskosität bei Scherung und ist klebrig. Deshalb ist das Verarbeiten herausfordernd, jedoch mit dem notwendigen Know-how und Erfahrung ist diese gut zu meistern und zu kontrollieren. Hier können Gummiverarbeiter auf erfahrene Anwendungstechniker aus unserem Haus zurückgreifen.
Zeon stellt jährlich rund 20.000 t ACM her. In welchen Branchen wird dieser verarbeitet?
Santoso: Aufgrund seiner Beständigkeit gegen Heißluft, heiße Öle, Additive und Schmierstoffe wird ACM hauptsächlich im Automobil- und Motorenbau für Dichtungen, Membranen und Schläuche eingesetzt. ACM-basierte Fahrzeugbauteile werden in einer Vielzahl von Automobilspezifikationen aufgeschlüsselt und haben sich im Markt seit Jahrzehnten bewährt. Aber auch in Non-Automotive-Anwendungen ist der Kautschuk im Einsatz.
Nennen Sie bitte einige Beispiele für Produkte aus ACM in der Industrie und im täglichen Leben?
Santoso: Unter der Motorhaube von Verbrennerfahrzeugen befinden sich eine Reihe an Bauteilen wie Zylinderkopf- und Ölwannendichtung, Turbolader-, Kraftstoff- oder auch Ladeluftschläuche. In Elektrofahrzeugen wird der Kautschuk bereits in der E-Achse, die einzelne Bauteile wie Motor, Achse und Getriebe zu einer Einheit kombiniert, als Dichtung verwendet. In der Industrie sind in einigen Hochleistungsdruckmaschinen Drucktücher aus diesem Kautschuk im Einsatz, weiterhin gibt es Fugenmasse oder Flexibilitätsspender für Reibbeläge daraus.
Wie unterstützt Ihr Unternehmen Kunden bei der Auswahl und Anwendung von Acrylatkautschuk für spezifische Produktanforderungen?
Santoso: Bei uns steht die Entwicklungspartnerschaft stets im Vordergrund. ACM ist ein Spezialkautschuk und deswegen müssen in der Rezepturentwicklung und beim Verarbeiten verschiedene Aspekte beachtet werden. Wir stellen Partnern unser Know-how und verschiedene Compoundstudien auf Basis bekannter und gängiger OEM-Spezifikationen zur Verfügung, um gemeinsam bedarfsgerechte Lösungen zu entwickeln.
Wie hat sich die Nachfrage nach Acrylatkautschuk in den letzten Jahren entwickelt und welche Trends sehen Sie für die Zukunft?
Santoso: Wir sehen eine wachsende Nachfrage und mit 20.000 Jahrestonnen Kapazität aus vier Werken ist es uns möglich, den Marktbedarf zu decken. Die Elektrifizierung der Automobilindustrie ist sehr herausfordernd für uns, aber wir sehen auch darin eine Chance, die Kautschuktype für neue Bereiche und andere Einsatzbedingungen zu entwickeln.
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Gibt es spezifische Umwelt- oder Nachhaltigkeitsaspekte im Zusammenhang mit der Herstellung und Verwendung dieses Kautschuks?
Santoso: Die Möglichkeit den Kraftstoffverbrauch bei gleicher Leistung zu senken, gewinnt in der Automobilbranche zunehmend an Bedeutung. Die Vorteile der Motoraufladung bedürfen einer fortschreitenden Entwicklung der Werkstoffe. Hierbei spielt Acrylatkautschuk eine große Rolle als wichtiger Bestandteil der Turbolader- beziehungsweise Ladeluftschläuche.
Können Sie uns Einblicke in die aktuellen Entwicklungen oder Forschungsprojekte bei Zeon geben?
Santoso: ACM wird stets weiterentwickelt, um den immer wieder strengeren Anforderungen und Auflagen in der Automobilindustrie gerecht zu werden. Vor kurzem haben wir erfolgreich eine neue Kautschuktype für breitere Temperaturanwendungen, sowie ein säurebeständigeres ACM als eine mögliche Lösung für die sogenannte Worst Case Oil Thematik in den Markt gebracht.
Zeon hat ein ambitioniertes Nachhaltigkeitsziel bis 2050. Bis 2030 sollen die CO2-Emissionen halbiert werden und bis 2050 der gesamte Chemiekonzern CO2-neutral sein. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde ein umfassender Masterplan entwickelt, der als Schlüsselfaktoren die aktuelle Konzernstrategie (Stage 30) darstellt. Diese Strategie legt den Schwerpunkt auf das Umgestalten der Fertigungsprozesse, um CO2-Emissionen zu reduzieren und die Kreislaufwirtschaft zu fördern. Seit 2021 wurde die Konzernstrategie auf Basis einer Vision aufgebaut, die den aktuellen gesellschaftlichen Erwartungen und Ansprüchen gerecht wird, gemäß der Ziele der Vereinigten Nationen für nachhaltige Entwicklung (UN SDG). CO2-Neu-tralität, eingebettet in die Kreislaufwirtschaft, ist ein Pfeiler dieser Vision. Wir fördern eine Transformation von „monozukuri“ was mit „Herstellung“ übersetzt werden kann, im Japanischen aber eine noch tiefere Bedeutung hat – es ist das gesamte Wertschöpfungskonzept.
Speziell für Acrylatkautschuk haben wir auch in diesem Zusammenhang einiges vor. Wir bemühen uns den Herstellungsprozess stets effizienter zu gestalten, um die CO2-Emissionen zu reduzieren. Desweiteren arbeiten wir intensiv daran, dass unser ACM entweder einen besseren CO2-Fußabdruck aufgrund biologischen oder nachhaltigen Feedstocks erhält oder das Polymer dadurch gekennzeichnet ist, dass der Energiebedarf beim Verarbeiten reduziert werden kann, beispielsweise durch das Optimieren der Extrudierbarkeit des Polymers oder durch den eventuellen Verzicht auf das Nachtempern. Durch diese Maßnahmen sinkt der CO2-Fußabdruck der produzierten Gummibauteile.
Die Fragen stellte Simone Fischer, verantwortliche Redakteurin KGK
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