Modellzeichnung-KFZ mit Batterie und Kreis mit Flamm-Test.

Neue Mobilität und neue Werkstoffe machen neue oder angepasste Prüfverfahren notwendig. (Bild: Freudenberg Sealing Technologies)

Die Automobilindustrie befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren (ICE) hin zu Elektrofahrzeugen (BEV). Der Verbraucher fordert hohe Reichweiten und geringe Ladezeiten. Daher ist es kein Wunder, dass sich Batterieentwickler auf höhere Batteriekapazitäten (kWh), eine höhere Kapazität pro Batteriegewicht (kWh/kg) sowie auf schnellere Ladelösungen konzentrieren.
Hiermit steigen auch die Anforderungen an die Batterietechnologie – insbesondere an das thermische Management – sowie an die verwendeten Materialien. Um die Sicherheit der Passagiere im Falle eines thermischen Durchgehens der Batterie zu gewährleisten, müssen Materialien und Komponenten eingehend geprüft werden.
Die Transformation der Mobilität von Verbrennern hin zu Elektrofahrzeugen stellt Automobilhersteller und Zulieferer vor die Herausforderung, Materialien und Komponenten an die neuartigen Anforderungen anzupassen. Bei einer Vielzahl genügen bereits geringfügige Modifikationen. Die Ansprüche an Medien- und Temperaturbeständigkeit sind verglichen mit Anwendungen in Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor häufig sogar geringer. Auf der anderen Seite gibt es jedoch Materialien und Komponenten wie 2D-Thermalbarrier-Matten, Flammenbarriere-Profile und Hitzeschilde, die für die Automobilindustrie noch relativ neu sind und deren Anforderungen sich stärker unterscheiden.

Tabelle mit Daten und Ergebnissen  mit fünf Spalten.
Tabelle 1: Funktionstests von Materialien mit direktem Flammen- und mit beziehungsweise ohne Partikelkontakt (Bild: Freudenberg Sealing Technologies)

Diese Anforderungen werden an Batterien gestellt

Im Gegensatz zur öffentlichen Wahrnehmung brennen Elektrofahrzeuge (1,2 Feuerunfälle pro 10.000 Fahrzeuge) seltener als Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor mit 7,3 Feuerunfällen pro 10.000 Fahrzeugen [1]. Dennoch nehmen Vorschriften und Anforderungen an die Batteriesicherheit zu. Im Fokus stehen dabei Maßnahmen, die das ­Risiko einer thermischen Ausbreitung zwischen den Zellen verringern und den Fahrgast im Falle eines thermischen Durchgehens vor der freigesetzten Energie schützen sollen. Denn die zunehmenden Energiedichten und die Forderung nach schnelleren Ladezeiten erhöhen das Risiko eines thermischen Durchgehens (Thermal Run­away) und dessen Ausbreitung. EV-Batterien sind in Modulen und Packs organisiert, die aus zahlreichen Zellen bestehen. Jede dieser Zellen kann unter extremen Bedingungen wie Überladung, physischer Beschädigung oder extremen Temperaturen ein thermisches Durchgehen erfahren. Dies kann sich auf benachbarte Zellen übertragen und zu einer Kettenreaktion führen (Thermal propagation).
Das Risiko für ein solches thermisches Event lässt sich durch angepasste Zellen-, Zellenpack- und Batteriedesigns sowie aktives Monitoring und Temperaturkontrolle minimieren. Zusätzlich können die Auswirkungen eines thermischen Events durch auf die Anwendung abgestimmte Materialien ebenfalls verringert werden. Freudenberg Sealing Technologies hat sich auf die Entwicklung solcher Materialien spezialisiert. Hierzu gehören Flammschutzmaterialien, die sicherstellen, dass im Falle eines thermischen Durchgehens einzelner Zellen oder der ganzen Batterie das Fahrzeuginnere geschützt ist. Gerade hier zeigt sich, dass bestehende Methoden zur Prüfung thermischer Barriere-Eigenschaften einzelner Materialien nicht ausreichend geeignet sind, um diese zuverlässig zu charakterisieren.

Bewährte und angepasste ­Testmethoden

Wie in Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor müssen auch alle Komponenten und Materialien für Elektrofahrzeuge genauen Spezifikationen für grundlegende mechanische Größen wie Härte, Zugfestigkeit und Bruchdehnung erfüllen. Darüber hinaus ist in der Regel auch festgelegt, wie weit sich diese Eigenschaften über eine bestimmte Zeit unter normalen Anwendungstemperaturen maximal verändern dürfen. Weiterhin gibt es eine Anzahl etablierter Standardtestverfahren, die bislang in der Prüfung von elastomeren- und kunststoffbasierten Materialien bei Verbrennerfahrzeugen nicht zum Einsatz kamen, aber in anderen Industrien schon lange genutzt werden. Diese Methoden lassen sich relativ leicht auf Materialien für die E-Mobilität übertragen. Beispiele hierfür sind die Wärmeleitfähigkeit bei unterschiedlichen Temperaturen, die dielektrische Festigkeit und Kriechfestigkeit sowie eine grundlegende Entflammbarkeitsbewertung wie UL94 V oder H. Auch Anpassungen dieser etablierten Testmethoden an Fragestellungen für EV-Anwendungen sind häufig notwendig.
So werden für die Charakterisierung von Hitzeschilden das Heat Flow Meter und das Cycle Testing (siehe Tabelle 2) verwendet. Beides sind Anpassungen bestehender Testmethoden. Der Wärmestrommessertest prüft die Wärmeleitfähigkeit unter verschiedenen Kompressionslasten und Temperaturen. Damit lassen sich die Isoliereigenschaften und der Wärmefluss zwischen den Zellen bei verschiedenen Kompressionsstufen oder verschiedenen Phasen der Zellatmung und der Batterielebensdauer abbilden. Der Zyklustest ist eine Anpassung klassischer Ermüdungs- oder Entspannungs-/Hysteresemessungen und liefert die Hysterese der Druckfestigkeit während und nach verschiedenen Lastzyklen mit konstanter Datenaufzeichnung.
Auch das Messen der elektrischen Durchschlagsfestigkeit eines Materials ist seit langem gängig. In der Entwicklung von Brandschutzmaterialien für Busbars werden die elektrischen Eigenschaften des Materials nach einer Brandexposition gemessen. Dabei wird untersucht, wie gut ein Material nach dem Brandereignis isoliert bleibt, um Kurzschlüsse zu verhindern, die zu weiteren Gefahren führen könnten.

Testblock mit Batterie und sprühenden Flammen.
Bewertung der Entflammbarkeit nach UL. (Bild: Freudenberg Sealing Technologies)

Wie die thermischen Barriereeigenschaften geprüft werden

Für das Materialverhalten während eines thermischen Durchgehens einer oder mehrerer Batteriezellen müssen jedoch erst neue Testmethoden entwickelt und standardisiert werden. Dies gilt insbesondere für Materialien und Komponenten mit direkter Flammen- und Partikelexposition. Insgesamt unterscheidet man bisher im Wesentlichen drei Kategorien.
Tabelle 1 zeigt Testmethoden für Materialien, die in direktem Kontakt zu Flammen stehen, sowie zu solchen, die zusätzlich noch heißen Partikeln ausgesetzt sind. Tabelle 2 zeigt Tests für Materialien, die nur hohen Temperaturen, nicht aber Flammen oder Partikeln direkt ausgesetzt sind.
Die Testkomplexität sowie Sicherheitsanforderungen und Kosten, aber auch die Relevanz für die Anwendung nehmen in beiden Bildern von links nach rechts zu. Die Tests reichen von Materialtests über das Prüfen von Komponenten bis zum Test einer kompletten Batterie. Letztlich ist nur das Verhalten eines kompletten Batteriesystems direkt sicherheitsrelevant für die Passagiere. Daher ist es unerlässlich, die Eignung einzelner Komponenten und Materialien auf Systemebene der Batterie zu testen, um den hohen Sicherheitsstandards Rechnung zu tragen.
Diese Tests sind für die Automobilindustrie relativ neu. Daher ist es nicht verwunderlich, dass sowohl die Tests selbst als auch die spezifischen Testbedingungen je nach Hersteller und Batterietechnologie und -design erheblich variieren und noch optimiert werden.

Tabelle mit Daten und Ergebnissen  mit fünf Spalten.
Tabelle 2: Funktionstest von Hitzeschutzmaterialien ohne direkte Exposition gegenüber Flammen oder heißen Partikeln (Bild: Freudenberg Sealing Technologies)

Tests mit Flammen und kalten Partikeln

Für die Entwicklung von Materialien mit direkter Flammen-, oder Flammen- und Partikelexposition sind der Torch Test, der Torch & Grit Test (Tag) sowie der pyrotechnische Test besonders wichtig. Bei den Fackeltests wird eine definierte Flamme mit 1.000 bis 1.500 °C direkt auf die Probe gerichtet, um dickenabhängig die Flamm- und Temperaturbeständigkeit eines Materials zu bewerten. Der Tag-Test ergänzt dies durch einen zyklischen Wechsel zwischen Flamme und Bestrahlen mit definierten, kalten Partikeln. Das wichtigste Ergebnis beider Tests ist die Durchbrennzeit zur relativen Materialbewertung. Fast alle Testanbieter messen dabei auch eine Temperaturkurve.
Die Experten von Freudenberg Sealing Technologies haben umfangreiche Torch- und Tag-Tests sowohl intern als auch mit verschiedenen externen Testanbietern für zahlreiche Materia­lien durchgeführt. Es stellte sich heraus, dass die Ergebnisse zur Durchbrennzeit hinsichtlich der Wiederholbarkeit und maximalen Abweichungen immer noch einigen Schwankungen unterliegen, auch wenn die Messmethoden schon einige Fortschritte gemacht haben.
Für ein tieferes Verständnis der verschiedenen Phasen von Materialveränderungen und Abbauprozessen ist die Temperaturkurve von größerem Interesse. „Bisher haben wir jedoch keine Testmethode oder Testeinrichtung mit ausreichender Wiederholbarkeit gefunden, die über vergleichende Tests hinaus zur Unterstützung der Formulierung und Entwicklung der Materialzusammensetzung genutzt werden könnte“, erläutert Dr. Ruth Bieringer, Vice President Technology & Innovation, Material Technology bei Freudenberg Sealing Technologies.
Dies liegt an den unterschiedlichen, nicht genormten Testabläufen und -aufbauten. Beispiele hierfür sind die diversen Methoden und Orte der Temperaturmessung, die Unterschiede bei den Probenhalterungen und den beflammten Probenausschnitten sowie die Art der Detektion des Durchbrennens der Proben.

Probe, die auf Vorder- und Rückseite einem Durchbrenntest unterzogen wird mit brennendem Test.
Probe, die auf Vorder- und Rückseite einem Durchbrenntest unterzogen wird. (Bild: Freudenberg Sealing Technologies)

Wann pyrotechnische Tests geeignet sind

Im Gegensatz zu den Fackel- und Tag-Tests setzt der pyrotechnische Test das Probenmaterial gleichzeitig Flammen und heißen Partikeln aus. Dies ähnelt den Bedingungen bei einem direkten Entlüftungsereignis einer Batterie. Da dieser Test jedoch nur 20 s dauert, liefert er wesentlich weniger Informationen und keine Temperaturkurven. Um eine möglichst hohe Konstanz des Feuerwerks zu gewährleisten, kommt Bühnenfeuerwerk zum Einsatz, das aus Sicherheitsgründen relativ gleichmäßig abbrennt. Trotzdem sind die Ergebnisse nicht ausreichend reproduzierbar. Pyrotechnische Tests sind daher nur geeignet, um ein schnelles Feedback zu den grundlegenden Brandschutzeigenschaften eines Materials zu erhalten. Sie bieten jedoch nicht die Tiefe und Detailliertheit, die für umfassende Mate­rialentwicklungen erforderlich sind.

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Deshalb wird unter Hitze geprüft

Materialien, die nur Hitze, aber keinen direkten Flammen ausgesetzt sind, werden oft mit Heizplatten- oder Heißofentests geprüft. Auch wenn das Prinzip des Testens von Materialien vor und nach Temperatureinwirkung nicht neu ist, liegen die beteiligten Temperaturen von 400 bis 800 °C weit über dem, was die Automobilindustrie gewohnt ist, und stellen deutlich höhere Anforderungen an Heiz- und Messgeräte sowie an HSE-Maßnahmen. Dies kann selbst typische Testabläufe, wie zum Beispiel bei der Lagerung eines Materials von 30 s bei 450 °C problematisch machen: Wenn der vorgeheizte Ofen geöffnet wird, um die Probe einzulegen, verringert sich die Temperatur und nicht jeder Ofen schafft es, in der kurzen Prüfzeit wieder auf die geforderte Prüftemperatur hochzuheizen. Auch ob die Probe auf ein Rost oder eine geschlossene Metallfläche positioniert wird, verändert die Ergebnisse aufgrund anderer Wärmeübertragungen in das Material. Der Heizplattentest ist für viele Komponenten innerhalb und außerhalb der Batterie, die nicht direkten Flammen ausgesetzt sind, wichtig.
Sowohl Testmethoden als auch Materialien befinden sich noch in der Entwicklung und müssen hinsichtlich ihrer Eigenschaften und Zuverlässigkeit weiter verbessert werden – eine Herausforderung und eine Chance für die Automobilindustrie.

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Warum weitere Forschung nötig ist

Die fortschreitende Entwicklung von EVs erfordert neue Materialien und Prüfmethoden, die den steigenden Anforderungen gerecht werden. Obwohl bereits erhebliche Fortschritte erzielt wurden, bleibt noch Raum für Verbesserungen in Bezug auf die Wiederholbarkeit und Standardisierung der Tests.
Die Entwicklung von sicheren und effizienten Flammschutzmaterialien ist entscheidend für den Erfolg der Elektro­mobilität. Durch kontinuierliche Forschung und Entwicklung können wir sicherstellen, dass die Batterien der nächsten Generation nicht nur leistungsfähiger, sondern auch sicherer sind. n

Literatur:
[1] Produktentwicklung von E-Mobilitätskomponenten RWTH Aachen (2023), Herausforderungen und Lösungen in der Batteriesicherheit.

Quelle: Freudenberg Sealing Technologies

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