In seiner Eröffnungsrede stellte Präsident Michael Klein die Bedeutung von Zusammenhalt und Resilienz in den Mittelpunkt. Klein erinnerte daran, dass die deutsche Kautschukindustrie im Laufe ihrer langen Geschichte – die Anfänge des WDK und seiner Vorgängerorganisationen gehen auf das Jahr 1894 zurück – immer wieder große Herausforderungen gemeistert hat: Vom Wiederaufbau nach zwei Weltkriegen über die Pandemie bis hin zu aktuellen geopolitischen und wirtschaftlichen Krisen habe die Kautschukindustrie immer wieder ihre Widerstandsfähigkeit bewiesen. „Wir sind resilienter, als wir es selbst von uns geglaubt hätten“, betonte Klein.
Er hob die Bedeutung der Branche als Schlüsselindustrie hervor: „Ohne uns geht nichts – nichts fährt, nichts fliegt, nichts steht.“ Dabei sei es wichtig, selbstbewusst aufzutreten und die Stärke der Gemeinschaft zu nutzen, um in politischen und wirtschaftlichen Diskussionen Gehör zu finden. „Nur die Großen und Starken sitzen am Tisch“, mahnte Klein und appellierte an die anwesenden Branchenvertreterinnen und -vertreter, Geschlossenheit und Einigkeit zu demonstrieren.
Mit seiner Vorwärtsstrategie hat der Verband Anfang 2024 eine neue strategische Ausrichtung definiert. Ziel ist, nicht nur auf politische und wirtschaftliche Entwicklungen zu reagieren, sondern aktiv Einfluss zu nehmen und frühzeitig Lösungsansätze zu entwickeln. „Wir wollen nicht den Entwicklungen hinterherlaufen, sondern sie gestalten“, erklärte Klein.
Kritik übte Klein an der Zusammenarbeit mit politischen Akteuren, die seiner Meinung nach häufig von Unzuverlässigkeit geprägt sei. So äußerte er seine Enttäuschung über die kurzfristige Absage eines versprochenen Beitrags aus dem Bundeswirtschaftsministerium, obwohl zuvor persönliche Zusagen gemacht worden seien. Dennoch zeigte er sich optimistisch und motiviert, die Anliegen der Branche weiterhin konsequent gegenüber den politischen Gesprächspartnern zu vertreten.
Abschließend rief Klein die Mitglieder zur aktiven Mitgestaltung auf und unterstrich die Bedeutung der gemeinsamen Arbeit. „Ohne Ihre Beiträge wären wir wie eine einsame Stimme in der Wüste“, sagte er und lud die Anwesenden ein, ihre Ideen und Anregungen einzubringen. Er betonte, dass die Kautschukindustrie nicht nur eine wirtschaftliche Schlüsselrolle spiele, sondern auch Verantwortung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland trage. „Wer, wenn nicht wir, soll die Zukunft gestalten?“ fragte Klein und schloss seine Rede mit einem klaren Appell zur Einheit und Zusammenarbeit.
Spuren des WDK im politischen Berlin
In seinen Ausführungen anlässlich der Herbsttagung des WDK ging Dr. Christoph Sokolowski, Leiter des Hauptstadtbüros, auf die aktuelle politische Lage und deren Auswirkungen auf die Kautschukindustrie ein. Er eröffnete mit einer Analyse der Ampelkoalition, die er als von Spannungen und unüberwindbaren Differenzen geprägt beschrieb. Besonders hob er hervor, dass die FDP und die Grünen sowohl auf politischer als auch auf Arbeitsebene in den letzten drei Jahren kaum Gemeinsamkeiten gefunden hätten. Er skizzierte mögliche Szenarien für Neuwahlen, einschließlich einer wahrscheinlichen Großen Koalition unter Friedrich Merz.
Sokolowski kritisierte die Grünen für ihre wirtschaftspolitische Ausrichtung, die er als realitätsfern bezeichnete. Er wies darauf hin, dass wirtschaftliche Fragen auf Parteitagen kaum Beachtung fänden und die Partei weiterhin in einer „eigenen Blase“ agiere. Zudem äußerte er Bedenken über die Zunahme populistischer Strömungen und den damit verbundenen Einfluss auf die politischen Verhältnisse in Deutschland.
Mit Blick auf die Arbeit des WDK betonte Sokolowski die Bedeutung einer proaktiven Strategie. Der Verband habe in den vergangenen Jahren nicht nur auf politische Entwicklungen reagiert, sondern eigene Vorschläge eingebracht, etwa zu Regulierungsstopps und Entbürokratisierung. „Wir wollen nicht nur meckern, sondern konkrete Lösungen anbieten“, erklärte er. Dabei hob er hervor, dass der Verband im politischen Berlin deutlich sichtbare Spuren hinterlassen habe, etwa dadurch, dass vom Verband formulierte wirtschaftspolitische Ideen und Forderungen Eingang in Strategiepapiere verschiedener politischer Akteure gefunden hätten.
Abschließend zeigte sich Sokolowski zuversichtlich, dass der Verband gut aufgestellt sei, um die Herausforderungen einer unsicheren politischen Zukunft zu meistern, und rief zur weiteren Geschlossenheit sowie aktiven Mitgestaltung durch die Mitgliedsunternehmen auf.
Gemeinschaft ist stärker als der Einzelne
Im Gespräch zwischen Michael Klein und Peter Fischer, dem Ehrenpräsidenten von Eintracht Frankfurt, stand neben der Wahrnehmung der Kautschukindustrie auch das Thema Eintracht und Zusammenhalt im Vordergrund. Fischer betonte, wie wichtig Einigkeit und gemeinsames Auftreten für den Erfolg eines Vereins aber auch einer Branche seien, insbesondere wenn es darum geht, sich gegenüber Politik und Öffentlichkeit Gehör zu verschaffen. Er hob hervor, dass die Stärke einer Gemeinschaft aus ihrem Selbstbewusstsein und ihrer Fähigkeit, sich klar und vereint zu präsentieren, resultiere: „Eintracht ist die Grundlage für Größe und Einfluss.“
Fischer betonte, dass viele Verbraucher, einschließlich seiner selbst, die vielfältigen Anwendungen und die Relevanz von Kautschukprodukten im Alltag nicht wahrnehmen. Er nannte Autoreifen als bekanntes Beispiel, zeigte jedoch auf, dass Produkte wie Dichtungen, Beatmungsschläuche oder Babyschnuller weniger bewusst als Kautschukprodukte wahrgenommen werden. Dies unterstreiche den Bedarf, die Schlüsselrolle der Branche stärker zu kommunizieren.
Klein bestätigte, dass der WDK als Schlüsselindustrie nicht nur auf Kooperation innerhalb der Branche angewiesen sei, sondern auch auf eine überzeugende Außenwirkung. Beide waren sich einig, dass Eintracht kein abstrakter Wert, sondern ein praktisches Instrument für den Erfolg sei. Fischer schloss mit dem Appell, diesen Geist von Einheit und Zusammenarbeit weiter zu stärken: „Nur durch Eintracht können wir unsere Botschaften glaubwürdig und kraftvoll transportieren. Frustration darf nicht gegen Hoffnung gewinnen.“
Wie kann der deutsche Automobilstandort weiter bestehen?
Die Transformation ist gewaltig. Trotz der Herausforderungen ist Pal Skirta vom Bankhaus Metzler der Meinung, dass der Automobilindustriestandort Deutschland weiterhin Bestand hat und nicht in einer Abwärtsspirale steckt. Wichtig sei es die modernen Systeme – Smartphone, Tablet, Fahrzeug – untereinander und miteinander zu vernetzen. Die deutschen Autobauer müssen hierfür geeignete Softwarelösungen entwickeln. Die chinesischen Elektrofahrzeuge seien in erster Linie auf den dortigen Markt zugeschnitten, denn Chinesen verbringen mehrere Stunden am Wochenende im parkenden Fahrzeug, um Karaoke singen. Für sie ist das Auto ein zweites Zuhause. Solche Präferenzen gilt es bei den Entwicklungen zu berücksichtigen. China sieht die E-Mobilität als Schlüsselindustrie, die deutschen Autohersteller haben in Verbrenner, Hybrid- und E-Fahrzeuge investiert und fokussieren seit 2020 auf die E-Mobilität. Das Verbrennergeschäft sollte als Chance gesehen werden, denn die Rahmenbedingungen entwickeln sich weltweit unterschiedlich, sodass auch die Nachfrage unterschiedlich ist. Mittel- bis langfristig wird die Autoindustrie jede Region mit den entsprechenden Fahrzeugen versorgen können. Das Bankhaus erwartet für das Jahr 2025 aufgrund der Geopolitik weitere Turbulenzen, aber auch, dass es der Wendepunkt für die Elektrofahrzeuge der deutschen Hersteller wird.
Stehen wir im Wettbewerb zu China?
Dem Gespenst der chinesischen Überkapazitäten widmete sich Prof. Dr. Horst Löchel, Frankfurt School of Finance & Management, in seinem Vortrag. Er erläuterte, dass Exporte immer ein Zeichen für Überkapazität sind. 40 % des deutschen Bruttoinlandsprodukts gehen in den Export, in China 20 %, sodass wir viel abhängiger von Überkapazitäten und Exporten seien als China.
Niemand werde gezwungen ausländische Produkte zu kaufen. Es gibt eine ökonomische Logik, eine Rationalität der internationalen Arbeitsteilung. Deutschland habe sich hier, so führte Löchel aus, in den letzten 70 Jahren sehr gut positioniert. Die EU erhebt bereits 10 % Zoll auf Importfahrzeuge, alles, was jetzt in Brüssel beschlossen wird, sind Zusatzzölle. Deutschland habe gegen diese gestimmt, um einen Wirtschaftskrieg mit China zu vermeiden. Im Hinblick auf den Vorwurf, dass in China die einheimischen Anbieter von E-Fahrzeugen von Subventionen profitieren, wies Löchel darauf hin, dass auch in Europa und den USA bspw. mit Kaufprämien E-Autos subventioniert werden. Chinesen seien auf der Kostenseite deutlich wettbewerbsfähiger und auch auf der Angebotsseite orientiert man sich an dem jungen chinesischen Publikum, das es gerne bunt und digital hat. Löchel berichtete, dass Deutschland 2023 75 % mehr Autos nach China exportiert hat, als die Chinesen zu uns. „Der Handelskrieg mit den USA wird kommen“, ist sich der Professor sicher. Jedoch auch, dass sich Deutschland keinen doppelten Handelskrieg leisten kann. Der Welthandel läuft seiner Meinung nach auf eine bilaterale Beziehung hinaus – jeder gegen jeden. Der Trend der Regionalisierung werde sich weiter verstärken. Löchel plädiert dafür die wirtschaftlichen, aber auch sonstigen Beziehungen zu China weiter auszubauen.
Ist Marktüberwachung notwendig?
Stephan Rau, technischer Geschäftsführer WDK, ordnete für die Zuhörer ein, aus welchen Gründen es eine strategischen Marküberwachung braucht. Die Schwierigkeit besteht darin, dass zwischen Verbraucherinformation und Marktzugangsvoraussetzung unterschieden wird. Erstere wird von den Ländern überwacht, zweitere von den Bundesbehörden. In dieser Situation sei es wichtig, Kompetenzen und Zuständigkeiten auf Bund- und Länderebene sinnvoll zu koordinieren, eine Aufgabe, bei welcher der WDK die zuständigen Stellen kompetent unterstützen, und Prozesse anstoßen kann. Denn wer gute und konforme Produkte herstellt, dem muss an einer funktionierenden Marktüberwachung gelegen sein.
Der Markt für Kautschukrohstoffe wurde beleuchtet von Dr. Veronika Beer, zuständig für nachhaltige Entwicklung und Michael Berthel, Chefvolkswirt des WDK. Beer berichtete, dass die Umsetzungsfrist der EUDR (EU-Verordnung für entwaldungsfreie Produkte), kürzlich von 30.12.2024 auf Ende 2025 verschoben worden ist. Jedoch ist die Verschiebung noch nicht im Gesetz verankert, da das Parlament nicht nur der Verschiebung zugestimmt hat, sondern auch Änderungsanträge eingebracht hat, über die abgestimmt werden muss in den Nationalstaaten. Auch bei dem Thema PFAS-Verbot gehe die Hängepartie weiter, so Beer. Ob die Polymere erfasst oder ausgeschlossen werden ist offen. „Das Thema wird uns kommendes Jahr intensiv beschäftigen, mit einem ausgearbeiteten Regulierungsvorschlag ist erst 2026 oder gar 2027 zu rechnen“, erläuterte Beer.
Michael Berthel blickte mit den Teilnehmern in die Zukunft, um dort Chancen zu erkennen. Er empfahl den Unternehmen die aktuelle Nachfrageschwäche zu nutzen, um sich für den Aufschwung zu positionieren, wenngleich dieser für 2025 von den meisten WDK-Mitgliedsunternehmen nicht erwartet wird. Hier widersprach Berthel, da er reelle Chancen sieht im Jahr 2025 den Absatz über den von 2024 zu heben, durch mehr Exporte und durch Vorzieheffekte, die sich aufgrund der geopolitischen Situation und Entwicklung abzeichnen. Der Verband setzt darauf, dass es 2025 mit einer neuen Bundesregierung gelingen wird, die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen so zu setzen, dass sich die Wettbewerbsposition der Industrie am Standort Deutschland wieder verbessern wird.
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