LKW mit drei Reifen.

Runderneuerte Reifen sind aus Gründen der Nachhaltigkeit auch für Pkw interessant. (Bild: Azur)

Eine zukunftsweisende Kreislaufwirtschaft strebt die längstmögliche Nutzung von Produkten und Rohstoffen an. Abfälle und Umweltbelastungen sollen durch Reparatur, Aufbereitung oder Wiederverwertung recycelter Rohstoffe vermieden werden. Auch die Reifenbranche kann per Circular Economy ressourcenschonend die maximale Wertschöpfung aus dem Wertstoffkreislauf herausholen. Der Königsweg einer nachhaltigen Reifen-Kreislaufwirtschaft ist die Runderneuerung gebrauchter Reifen. Diese bietet im Vergleich mit der Herstellung von Neureifen klare ökologische und sozio-ökonomische Vorteile. Runderneuerte Reifen für Nutzfahrzeuge (Nfz) und Pkw bieten zudem erwiesenermaßen die gleiche Qualität, Sicherheit und Laufleistung wie Neureifen.

Seit über 100 Jahren bewährt

Die Runderneuerung ist ein seit über 100 Jahren bewährtes, kontinuierlich weiter entwickeltes Verfahren. Man geht davon aus, dass der Startschuss für die Reifenerneuerung im Jahr 1906 in Deutschland fiel. Derzeit gibt es bundesweit rund 50 Runderneuerungsbetriebe. Für die Runderneuerung geeignete Karkassen werden von Markenherstellern in Deutschland einer strengen Kontrolle unterzogen. Nach vorangegangener Bearbeitung werden die Laufflächen und Seitenwände abgefahrener Reifen mit modernster Technologie erneuert. Runderneuerte Reifen werden in der Regel nach den Konstruktionsdaten von Neureifen gefertigt. Dabei werden hochwertige Gummimischungen eingesetzt, die für die saisonale Reifennutzung wie beispielsweise Winter und Sommer optimiert sind. In einem Arbeitsgang werden die Gummimischungen von Extrudern geknetet und im erhitzten Zustand durch einen Spritzkopf gepresst. Die angeschlossene Belegevorrichtung bringt den Gummi auf die zuvor präparierten Karkassen auf. Je nach Anforderung enthalten die Compounds aus speziell entwickelten Mischungen heute kaum bis gar keinen Naturkautschuk, jedoch hohe Anteile Silica.

Läuft länger als das Original

Die Laufflächenprofile runderneuerter Reifen entsprechen denen von Neureifen. Nach Herstellerangaben haben runderneuerte Reifen sogar bis zu 25 % mehr Laufleistung. Sie durchlaufen zahlreiche Sicherheits- und Qualitätskontrollen und erfüllen ebenso wie Neureifen die ECE R108/109. Runderneuerte Markenreifen werden für fast alle Fahrzeugarten und Einsatzbereiche hergestellt. Sicherheit und Qualität sind damit gewährleistet. Laut Automobilclub ACV erfüllen runderneuerte Reifen „die gesetzlichen Anforderungen an Qualität und Sicherheit und können bedenkenlos gefahren werden“. Die Nutzung im Sinne einer Circular Economy wird mit jeder Reifen-Runderneuerung verdoppelt. Lkw-Reifen können bis zu dreimal runderneuert werden, Flugzeugreifen sogar bis zu zwölfmal. Die Nutzungsdauer eines in Europa produzierten Nfz-Reifens kann durch die Mehrfach-Runderneuerung auf rund 660.000 km geschätzt werden. Diese Reifen sind nach Angaben von Markenherstellern, auf deren Karkassen sie aufbauen, zudem rund ein Drittel günstiger als vergleichbare, hochwertige Neureifen.

Schemenzeichnung Kreis und eine Fabrik in schwarz / grün.
Runderneuerte Reifen verursachen in der Fertigung über 63 % weniger CO2-Emissionen als qualitativ vergleichbare, hochwertige Neureifen. (Bild: Azur/Runderneuert)

Welche Reifen für eine Runderneuerung geeignet sind

Es kommen nur Qualitätskarkassen in Frage, die akribisch geprüft werden. Runderneuerungsbetriebe akzeptieren in der Regel Nfz-Reifen bis zu einem Alter von zehn Jahren. Pkw-Reifen dürfen höchstens sieben Jahre alt sein. Allerdings sind nicht alle Reifen gleichermaßen für das Aufbereiten geeignet. Es müssen folgende Bedingungen erfüllt sein:

  • Die Reifen müssen für die Runderneuerung konzipiert worden sein – erkennbar an der Bezeichnung Retreadable auf der Reifenflanke.
  • Die Reifen müssen regelmäßig geprüft worden sein, zum Beispiel hinsichtlich ihres korrekten Luftdrucks.
  • Die Karkassen müssen die strengen Eingangstests bestehen – mit Shearografie, Röntgentechnik und einem visuellen Check.
  • Die Karkassen der Reifen müssen frei von Öl, Fett, Wasser und sonstigen Verschmutzungen sein.
  • Die spezifische Reifennummer, DOT- und Homologationsnummer müssen vorhanden und lesbar sein.
Schemenzeichnung einer Landkarte in grün / schwarz
Rund 75 % der runderneuerten Reifen werden nach einer EY-Studie lokal vor Ort produziert, was die regionale Wirtschaft fördert und die Transportwege im Vergleich zu importierten Neureifen um ein Vielfaches verkürzt. (Bild: Azur/Runderneuert)

Wie es um die Ökobilanz steht

Nach einer Studie des Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik Umsicht [1] verursachen runderneuerte Reifen in der Fertigung über 60 % weniger CO2-Emissionen als qualitativ vergleichbare, hochwertige Neureifen. Das Einsparen von Energie (Strom/Gas) im Herstellprozess und der Einsatz deutlich weniger Rohstoffe sind ursächlich dafür. Mit identischer Rollwiderstandsklasse und vergleichbarer Laufleistung verbrauchen Runderneuerte in der Anwendung nicht mehr Energie als Neureifen. Ein runderneuerter Pkw-Reifen verursacht im Fertigungsprozess rund 21 kg weniger CO2-Emissionen als ein Pkw-Neureifen. Ein runderneuerter Lkw-Reifen kommt auf eine Ersparnis von rund 135 kg. 2021 konnten in Deutschland durch das Herstellen runderneuerter Reifen in Relation zu Neureifen rund 114.000 t CO2-Emissionen eingespart werden. Die Messungen des Rollwiderstands durch das Prüflabor Nord [2] ergaben, dass runderneuerte Reifen dieselbe Rollwiderstandsklasse (Pkw: C, Lkw: D) erreichen, wie die Neureifen, auf deren Karkasse sie aufbauen. Der ökologische Vorsprung runderneuerter Reifen steigt durch das Betrachten der im Fertigungsprozess eingesetzten Energie und Rohstoffe. Hier lassen sich, sofern die Materialherstellung außen vorgelassen wird, in Relation zu qualitativ vergleichbaren Neureifen, rund 50 % Strom und Gas einsparen. Da bei der Runderneuerung nur die Laufflächen und Flanken abgefahrener Reifen erneuert werden, benötigt ein runderneuerter Pkw-Reifen rund 5,88 kg weniger Rohstoffe als ein Neureifen für Laufflächen und Flanken. Die Runderneuerung eines Lkw-Reifens spart im Schnitt sogar über 44 kg Rohstoffe ein.

Mann bei einer Reifenmontage.
Die Belegevorrichtung bringt die aufgeheizte Gummimischung auf die zuvor präparierten Karkassen auf. Je nach Anforderung enthalten die Compounds aus speziell entwickelten Mischungen heute kaum bis gar keinen Naturkautschuk, jedoch hohe Anteile Silica. (Bild: Reifen Hinghaus)

Sozio-ökonomische Vorteile der Runderneuerung

Die Runderneuerung von Reifen steht nach einer EY-Studie [3] „im Einklang mit den Prinzipien der Kreislaufwirtschaft und den daraus resultierenden Vorteilen für Umwelt und die örtlichen Arbeitsplätze. Da die Runderneuerung ein vergleichsweise arbeitsintensiver Prozess ist, fließen rund 50 % des Gesamtumsatzes direkt in die Einkommen lokaler Mitarbeiter und Sozialversicherungsbeiträge. Von der Abholung abgefahrener Reifen bis zum Vertrieb und der Wartung von Reifen stützt sich die Runderneuerung der EY-Studie zufolge „auf kurze wirtschaftliche Kreisläufe“ und schränkt die Abhängigkeit von importierten Rohstoffen ein. In einigen Regionen stärken die Runderneuerungsbetriebe die lokale Wirtschaft. Die Wirtschaftsleistungen der Runderneuerungsbranche in der EU wurden von EY in Form ihres Beitrags zum Schaffen von Wohlstand gemessen, was nach Berechnung der Wirtschaftsexperten, 2015 ein BIP von rund 1,9 Mrd. Euro in der EU ausmachte.

Ein großer und ein kleiner schwarzer Auto-Reifen.
Runderneuerte Reifen für Pkw und Nutzfahrzeuge werden mittlerweile in vielen unterschiedlichen Dimensionen angeboten. Die Reifendurchmesser reichen von 13 bis 30 Zoll. (Bild: Bild: Azur/Runderneuert)

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Marktanteil noch ausbaufähig

Die positiven Studien zur Runderneuerung haben mit steigendem Umweltbewusstsein dazu beigetragen, die öffentliche Meinung zu dieser Reifenklasse stetig zu verbessern. Sie gilt bei immer mehr Verbrauchern als echte, ökologisch wie ökonomisch vorteilhafte Alternative zu teuren Premium-Neureifen. Ein umfangreiches Sortiment ist bereits vorhanden und kann mit steigender Nachfrage weiter ausgebaut werden. Da das Altreifenaufkommen in Deutschland, das die Basis für die Runderneuerung bildet, zuletzt leicht rückläufig ausfiel, sank auch die Menge der zum Weiterverwenden oder -verwerten anfallenden Reifen von 571.000 t (2019) auf 538.000 t (2021) [4]. Davon gingen rund 5 % der Karkassen in die Runderneuerung. Die Zahl der Lkw-Reifen im Ersatzgeschäft wird für 2022 auf 780.000 Stück prognostiziert – das entspricht einem Marktanteil von knapp 30 %, im Pkw-Bereich liegt dieser derzeit bei nur etwa 1 %.

Wie die Reifen vom Markt angenommen werden

Nach einer Mitte 2022 von der Allianz Zukunft Reifen (AzuR) durchgeführten Erhebung [5], wird die Runderneuerung von Reifen für Nutzfahrzeuge von 94 % der befragten Händler und Werkstätten befürwortet, obwohl derzeit nur 76 % der Befragten diese Reifen im Sortiment führen. Rund 83 % der Umfrageteilnehmer gaben an, bereits gute Erfahrungen mit runderneuerten Nfz-Reifen gemacht zu haben. Eine klare Mehrheit der Umfrageteilnehmer schätzt, dass der Preis derzeit der wichtigste Grund für Kunden ist, sich für Runderneuerte zu entscheiden. Nur 15 % sehen die Nachhaltigkeit von Runderneuerten als Hauptmotiv für den Kauf. Runderneuerte Pkw-Reifen werden etwa von jedem siebten Händler geführt, aber derzeit nicht aktiv von den Autofahrern nachgefragt. Mit steigender Nachfrage dürften runderneuerte Pkw-Reifen ihren Weg ins Sortiment finden. Dazu ist aus Sicht von Händlern und Werkstätten neben attraktiven Preisen eine hohe Qualität erforderlich – idealerweise belegt durch ein Gütesiegel. Als wichtig wird bei runderneuerten Pkw-Reifen auch die Dimensionsvielfalt erachtet.

Quellen:
[1] Ökologische Bewertung Runderneuerung – Abschlussdokumentation Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik Umsicht, veröffentlicht am 6.7.2022
[2] Messungen des Rollwiderstands von runderneuerten Pkw-/Lkw-Reifen Prüflabor Nord, Reifen-Test-Center, durchgeführt 2021/2022.
[3] Der sozio-ökonomische Einfluss der Runderneuerung von Lkw-Reifen in Europa EY Unternehmens- und Managementberatung, veröffentlicht im Oktober 2016.
[4] Erhebung des Wirtschaftsverbands der deutschen Kautschukindustrie (wdk), Stand: August 2022. https://www.wdk.de/sekundaer-rohstoffe-unterseite-von-tee/
[5] Umfrage der Allianz Zukunft Reifen (AzuR) im Sommer 2022: https://azur-netzwerk.de/aktuelles/umfrage-der-initiative-zare-ueber-das-thema-runderneuerung/

Quelle: Azur

 

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