Eine Frau mit Brille in roter Lederjacke.

Hanna Raff, Geschäftsführerin Kurz Karkassenhandel, Wendlingen und Landau. (Bild: Kurz)

Mein Name ist Hanna Raff und ich bin seit 2021 Geschäftsführerin von Kurz Karkassenhandel, einem der ältesten Altreifenentsorgungsbetriebe in Süddeutschland. Ich brenne für die Kreislaufwirtschaft von Reifen und die verantwortungsvolle und zertifizierte Entsorgung des geliebten runden Gummis.  
Meine Naivität, mit der ich in die Branche kam, ist weitestgehend verflogen. Nachhaltige Entsorgung von Abfällen? Daran glaube ich leider nicht mehr. Die „Altreifenmafia“ ist zwar glücklicherweise nicht so mörderisch wie die echte, aber nett und vor allem anständig geht es in der Branche leider nicht zu.
Bis vor 20 Jahren durften Altreifen noch deponiert werden. Heute ist das stoffliche Recycling so gut ausgereift, dass darüber keiner mehr nachdenkt. Sollte man aber, denn jährlich werden in Deutschland hunderte Tonnen Reifen in Wäldern, Flüssen und sonst wo abgeladen.
Der Geschäftsgedanke dahinter ist klar – man („fliegender Händler“) geht zur Werkstatt, gibt für alle alten Reifen einen Obolus und entsorgt die, die nicht mehr zu verkaufen sind, steuerfrei und unkompliziert. Die Bußgelder hierfür liegen zwischen 20 und 50.000 Euro, jedoch ist die Erfolgsrate der Behörden eher mager. Ein „fliegender Händler“ unterliegt als Kleinunternehmer auch keinen großen Auflagen. Wenn die Reifen nicht im Wald abgeladen werden, so verbleiben diese nicht selten nach einem Umzug in der gemieteten Halle, sodass sich der Vermieter um die Räumung des Objektes kümmern darf. Hierbei handelt es sich keineswegs um eine an den Haaren herbeigezogene These – leider.
Mit der Gründung der Initiative für zertifizierte Altreifenentsorger (ZARE), anlässlich unseres sechzigsten Firmen­jubiläums im Jahr 2015, wuchs meine Hoffnung, dass wir wirklich etwas dagegen bewirken können. Einige Kräfte bündelten sich, doch derzeit gibt es immer weniger Interessierte. Das ist für mich nicht nachvollziehbar – vielleicht ein Frauenthema, aber ich möchte unbedingt, dass wir mit alten Reifen Gutes bewirken. Ich möchte die richtigen Wege gehen und nicht nur die, mit dem meisten Ertrag.
Die Abfallhierarchie, §6 Kreislaufwirtschaftsgesetz, zeigt auf, welcher Verwertungsweg zu priorisieren ist, war, schon vor deren Erfindung, in unserem schwäbisch geprägten Familienunternehmen das natürlichste auf der Welt. Denn der Schwabe an sich lässt nichts verkommen.

Zitat

Jährlich werden
unzählige Altreifen
in der Umwelt entsorgt,
statt dem Kreislauf
zugeführt.

 

Hanna Raff, Geschäftsführerin Kurz Karkassenhandel, Wendlingen und Landau.

Die Abfallhierarchie ist eindeutig

Bei kaum einem anderen Produkt ist die Abfallhierarchie so wunderschön darstellbar, wie bei Reifen: Weiterverwendung, Nachscheiden, Runderneuern und dann den Rohstoff zerkleinern und von der Langlebigkeit profitieren.
Bei Reifen, bei denen das nicht mehr möglich ist, kann durch die thermische Verwertung in der Zementindustrie (und zwar die regionale, mit den genehmigten Filteranlagen) der Wertstoff sinnvoll genutzt werden. So hätte ein jeder am Kreislauf Beteiligte genug für sein Metier und der Rohstoff wäre maximal gut genutzt.
Mit rund 50 Mitarbeitern aus verschiedensten Nationen, sorgen wir in Wendlingen und Landau täglich dafür, dass alle Materialien aus dem wertvollen Werkstoff optimal genutzt werden, indem für Reifen- und Gummiabfälle die beste Möglichkeit zum Recycling gewählt wird. Um das erreichen zu können, werden alle Reifen händisch sortiert und genau geprüft, denn leider sind nicht alle Reifen für die beste Verwertungsmethode – das stoffliche Re­cycling – geeignet.

Viele Autoreifen auf einer Halde.
Die Altreifen warten auf die Weiterverarbeitung. (Bild: Kurz Karkassenhandel)

Erfahren Sie, weshalb nicht jeder ­Reifen recycelt werden kann

Wussten Sie, dass beispielsweise „Sealreifen“ gar nicht recyclingfähig sind? Diese Reifen sind schon zu Beginn ihres Lebens ein Produkt, das am Gebrauchs-ende nur thermisch verwertet werden kann. Granulierbetriebe nehmen die Reifen nicht an, da die Maschinen durch die klebrige Schicht heiß laufen und die Anlage zu brennen beginnt. Die Reifen ersetzen das Pannenset, bei dessen Einsatz lediglich der defekte Reifen „Sondermüll“ wäre. Was für mich als besonders tragisch hinzukommt: Nach der Demontage und Lagerung im Freien sind sie sogar tödlich für Kleintiere. Erst kürzlich habe ich wieder ein Bild erhalten, das einen verendeten Vogel zeigt, der an der Dichtmasse klebte.
Zurück zu uns. Wie der Name schon sagt: wir handeln und vermarkten Gebrauchtreifen sowie Karkassen. Das hat für unsere Partner den Vorteil, dass die in der Anlieferung zum Entsorgen enthaltenen noch brauchbaren Reifen vergütet werden, sodass sich der Entsorgungspreis deutlich verringert. Diese Wertschöpfung funktioniert jedoch nur bei einem Mehrwert für beide Seiten, das bedeutet, dass die „Gutreifen“ nicht an die „fliegenden Händler“ verkauft wurden. Mit der Reifensortierung wird dafür gesorgt, dass das stabile Sicherheitsprodukt Reifen weiterlebt und der Kreislaufwirtschaft erst dann zum ­Recycling zur Verfügung steht, wenn alle anderen Nutzungsmöglichkeiten erschöpft sind.
Wenn „wir“ als Gesellschaft jedoch Neureifen kostengünster einkaufen ­können, als der Runderneuerungsbetrieb die Materialien für die Aufarbeitung, dann wird aus dem geschlossenen Wertstoffkreislauf nichts. Die Runderneuerung spart CO2, Energie und Rohstoffe und ist Urban Mining in reinster Form, denn es wird genutzt, was bereits vor Ort ist! Ein Fun Fact am Rande – Flugzeugreifen werden 12 mal runderneuert! Hier stellt sich nicht mehr die Frage, wie sicher die Runderneuerung ist oder ob die Technik ausgereift genug sei.
Auch nach der verlängerten Lebensdauer fordert unser Unternehmen, dass die Altreifen nicht unbedacht den „einfachen und billigen“ Weg gehen. Wir stehen und kämpfen dafür, dass die in Deutschland anfallenden Reifen auch in unseren (teureren) Wirtschaftsräumen recycelt und verwertet werden. Die Wege, die seit Anfang der 2020er Jahre vermehrt genutzt werden, Reifen nicht hier, sondern in anderen Regionen zu entsorgen (Stichwort Lieferkettensorgfaltsgesetz) sind inakzeptabel. Fakt ist leider: Es ist unglaublich kostengünstiger, geschredderte oder geballte Reifen über tausende Kilometer hinweg zu verschiffen, als die Reifen hier zu sortieren und zu recyceln.

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So sollten Altreifen gehandhabt ­werden

Über verschiedene Verbände (Azur, BRV, BVSE, WDK und Zare) sind wir im Austausch mit dem Bundesministerium für Umwelt- und Verbraucherschutz (BMUV), um eine gesetzliche Regelung für den Umgang mit Altreifen zu schaffen – so viel Optimismus ist noch da. Und die Wunschvorstellung, dass die Altreifen geregelte Wege gehen, ist geblieben: Jede Werkstatt, jedes Autohaus, Bauhöfe, Speditionen, Schrauber und alle anderen, bei denen Altreifen anfallen, sollen dazu verpflichtet werden und nachweisen müssen, dass der abmontierte Reifen zu einem auf Altreifen spezialisierten Entsorgungsbetrieb mit Sortierkenntnissen gebracht wird.
Der Entsorgungsfachbetrieb verpflichtet sich im gleichen Zuge zum Sortieren und Weitergeben der gebrauchsfähigen Reifen zum weiteren Nutzen, die Karkassen kommen zum Runderneuerungsbetrieb und den Rest bekommt der stoffliche Verwerter oder das nicht recyclingfähige Material dann das Zementwerk.
Kurz geht noch weiter: je nach Altreifenaufkommen und den Umgebungsbedingungen werden Container gestellt oder die Reifen werden mit kleineren Fahrzeugen abgeholt. Für uns ist es wichtig, dass die Unternehmen die Reifen zeitnah und zuverlässig entsorgt bekommen. Wir setzen auf maximale Ressourcennutzung und vermeiden Abfall. Dabei achten wir stets auf sichere und ethische Entsorgungswege.
Und das ist auch mein Plädoyer an Sie: Erfragen Sie, welchen Weg Ihre Reifen gehen, wenn Sie diese abgeben. Nur wenn das Interesse der Verbraucher am Verbleib der Reifen in der Werkstatt ankommt, haben wir die Chance, dass sich die Betriebe auch für diesen einzig richtigen Entsorgungsweg entscheiden. Es ist wie überall – Qualität hat ihren Preis und so verlangt auch ein zertifizierter Entsorgungsfachbetrieb mit auf Reifen spezialisierten Mitarbeitern, natürlich mehr für die Bearbeitung, als ein fliegender Händler oder ein Generalentsorger, bei dem die Reifen unabhängig ihres Zustandes pauschal entsorgt werden – und somit auch die wichtigen Rohstoffe für Recyclingprodukte.

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