Mit dem Dienstleistungspaket Online Diagnostics Network (Odin) verknüpft Bosch Rexroth sein Domänenwissen im Bereich hydraulische und elektrische Antriebe mit Sensorik, Cloud-basierten Anwendungen und Machine Learning-Methoden, um Wartungsmaßnahmen zu ermöglichen, bevor es zum Stillstand kommt.
Gerade bei kontinuierlich produzierenden Großanlagen ist ein Maschinenstillstand mit extrem hohen Kosten verbunden. Muss sogar die gesamte Anlage heruntergefahren werden, dann kann es nach einer Reparatur mehrere Schichten dauern, bis die Produktion wieder auf vollen Touren läuft. Damit überschreiten die Stillstandskosten schnell die Millionengrenze.
Zu den Ausfallkosten kommen Eil-Aufschläge bei den Reparaturen. Betreibern bleibt im Notfall nichts anderes übrig, als für die am schnellsten verfügbaren Ersatzteile und Monteure nahezu jeden Preis zu zahlen. Dieses wirtschaftliche Risiko verringern Betreiber bislang vor allem dadurch, dass sie in den fest eingeplanten Wartungspausen kritische Bauteile vorsorglich und damit viel häufiger wechseln als notwendig. Bosch Rexroth hat mit Odin Predictive Maintenance ein Dienstleistungspaket entwickelt, mit dem genau solcher Maschinenstillstand verhindert werden kann.
Domänenwissen als Grundlage
Die Zustandsüberwachung aller kritischen Antriebs-Komponenten ist der erste Schritt in Richtung vorausschauende Wartung. Dabei werden im klassischen Ansatz zunächst Baugruppen wie Hydraulikpumpen mit Sensoren ausgerüstet. Anhand der Bedienungsanleitungen und von Erfahrungswerten, basierend auf langjähriger Erfahrung in der Antriebstechnik, definiert die Instandhaltung obere und untere Grenzwerte für diese Signale. Über- oder unterschreiten die Messwerte diese Schwellen, wird eine Warnung erzeugt. Allerdings sind solche einmalig festgelegten Grenzwerte in der Praxis oft nicht aussagekräftig. Bei einem dynamischen Betrieb führen sie zu vielen Fehlwarnungen, häufig mit der Folge, dass die Instandhaltung die Warnungen nach einiger Zeit nicht mehr ernst nimmt.
Wechsel zu Machine Learning
Odin Predictive Maintenance nutzt Machine Learning-Methoden, um aus den erfassten Sensordaten Wissen über den „Gesundheitszustand“ der Anlage zu generieren und zuverlässige Vorhersagen treffen zu können. Kunden erhalten dann die entsprechenden Wartungsempfehlungen für ihre Anlagen.
Dazu ermittelt ein Machine Learning-Algorithmus in einer Einlernphase den normalen Zustand einer Anlage oder eines Anlagenteils aus einer Vielzahl von Sensorsignalen. Dabei geht es zum Beispiel um Druck, Durchfluss, Vibration, Temperatur und Ölqualität, je nach zu überwachender Anlagenbaugruppe. Diese Daten fließen neben viel Antriebs-Know-how und Wissen um Wirkzusammenhänge in die Auswertung ein. Diese Einlernphase kann nur wenige Tage dauern, wenn der überwachte Anlagenteil ständig unter sehr ähnlichen Bedingungen die gleichen Bewegungen ausführt. Wird die Station dagegen selten und dann noch in verschiedenen Betriebsarten genutzt, oder es werden verschiedene Produkte mit der Anlage produziert, dann dauert es länger, bis der „gesunde“ Referenzzustand ermittelt ist.
Health Index ersetzt Einzelwerte
Nach der Einlernphase ermittelt das System mit Hilfe des datenbasierten Modells kontinuierlich einen Health Index der überwachten Anlagenbaugruppe. Dieser Health Index, der sich aus allen relevanten Betriebsdaten zusammensetzt, hat deutlich mehr Aussagekraft als einzelne Messwerte, die für sich genommen selten den realen Verschleiß anzeigen. Bricht jetzt ein einzelner Messwert kurzzeitig aus dem Toleranzband aus, führt das nicht zu einer unbegründeten Warnung. Auf der anderen Seite kann der Health Index bei mehreren veränderten Werten ein Problem anzeigen, obwohl jeder einzelne Wert noch innerhalb der definierten Grenzen liegt.
Ein Beispieldatensatz zeigt das Potenzial dieses Ansatzes: statistisch gesehen wird ein kritischer Fehler per Zufall nur mit einer Wahrscheinlichkeit von 13 Prozent rechtzeitig entdeckt. Ein Instandhaltungsexperte, der die Anlage mit traditionellen Mitteln ständig überwacht, erkennt diesen Fehler mit einer Wahrscheinlichkeit von immerhin 43 Prozent. Odin erreicht dagegen eine Fehlererkennungsrate von über 95 Prozent.
Dabei lernt die Software mit jedem Datensatz der angeschlossenen Anlagen. Ein Beispiel aus der Praxis: An einer mit dem Wartungssystem überwachten Anlage fiel ein Elektromotor aus, ohne dass ein Einzelwert aus dem Toleranzband ausgebrochen war. Der von Odin ermittelte Health Index hatte allerdings bereits vier Wochen vorher eine signifikante Abweichung angezeigt, da sich ein unbekanntes Muster in den Daten entwickelt hatte. Durch den Vorfall hat der Algorithmus gelernt, dass er in Zukunft bei einer ähnlichen Verschlechterung mehrerer Werte – auch wenn alle Einzelwerte noch im unkritischen Bereich liegen, eine Warnung absetzen muss, damit der gleiche Fehler nicht ein zweites Mal zu einem Anlagenstillstand führt. Da alle Ergebnisse sämtlicher mit dem Monitoringsystem überwachten Anlagen in der Cloud zusammengeführt werden, profitieren alle Anlagen von solchen Lernfortschritten. Die Vorhersagegenauigkeit wächst so mit jedem neuen Datensatz.
Durch Machine Learning-Methoden zeigt der Health Index nicht nur den Verschleißzustand der direkt überwachten Komponenten an, sondern auch schleichende Veränderungen der vor- und nachgelagerten Mechanik oder Hydraulik. Wenn Bewegungen über einen längeren Zeitraum langsamer werden oder mehr Kraft erfordern, ist das ein Hinweis auf einen Verschleiß in der nicht direkt mit Sensoren ausgestatteten Mechanik oder Hydraulik.
Schnelle Amortisation
Odin Predictive Maintenance ist bereits in mehreren Großanlagen weltweit im Einsatz und wird derzeit in weiteren Anwendungen etabliert. Weil das System alle Messdaten der angeschlossenen Anlagen miteinander verknüpft, verbessert sich mit jedem Datensatz die Vorhersagequalität. Die anfallenden Instandhaltungsarbeiten übernehmen Service-Techniker von Rexroth, die in mehr als 80 Ländern präsent sind. Auch dieses Wartungssystem kann einen Anlagenausfall nicht völlig ausschließen, aber es reduziert die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Stillstands so signifikant, dass sich die Zusatzkosten schon beim ersten verhinderten Ausfall mehrfach rechnen.
DKT 2018 Stand 12-318