Bei der Herstellung von Druckguss-, Kunststoff-, Gummi- oder Silikonteilen entstehen prozessbedingt Angüsse und Grate, die je nach Bauteil in unterschiedlicher Form und Stärke auftreten. Diese unerwünschten Grate entstehen produktionsbedingt zum Beispiel beim Einsatz von mehrteiligen Formen zwischen den Formhälften. Damit die Bauteile, auch als Strahlgut bezeichnet, uneingeschränkt funktionsfähig eingesetzt werden können, muss der Grat sauber und effektiv entfernt werden. Hierfür stehen im Allgemeinen drei Methoden zur Verfügung: die manuelle Bearbeitung, das Abschlagen durch Vibration und Wälzen sowie die kryogene Strahlentgratung [1]. In der großtechnischen Anwendung hat sich dabei das kryogene Entgraten mittels flüssigen Stickstoffs (LN2) durchgesetzt.
Das kryogene Strahlentgraten, bei dem flüssiger Stickstoff als Kühlmedium eingesetzt wird, ist werkstoffabhängig nicht zwingend technisch notwendig und daher oft nicht nachhaltig und unwirtschaftlich. Hier setzt die Entwicklung von AW und Emsodur an. Das AW Emsodur X.0 Konzept ermöglicht es, den Stickstoffverbrauch zu reduzieren und das im Prozess eingesetzte Granulat zum Strahlentgraten möglichst ressourcenschonend zu verwenden.
Das ist der Stand der Technik
- Gummi und Gummi-Verbindungen:
- wie NBR, EPDM, NR, SBR, CR, HNBR, EPM oder FKM
- Gummi-Metallverbindungen
- Gummi-Kunststoffverbindungen 2K
- alle Silikone wie LSR oder VMQ
- Thermoplaste und Duroplaste, darunter:
- Hochleistungskunststoffe wie PEEK, PEEK Optima oder PPS
- Technische Kunststoffe wie POM, PA 6 oder PA 66
- Standardkunststoffe wie PP oder PE-HD
- Daraus erstellte Compounds wie hochgefüllte, kohlefaser- sowie glasfaserverstärkte Kunststoffe wie PPS GF30, PPS LGF50, Ryton oder PA CF40
- Metallverbindungen aus Aluminium, Zink/Zamak, Magnesium oder Titan
So läuft der Prozess ab
Nach dem Einfüllen der zu entgratenden Bauteile werden diese durch den Einsatz von LN2 auf ihre Glasübergangstemperatur gekühlt. Nach dem Kühlen der Formteile und des Bearbeitungsraumes folgt das Wälzen und Bestrahlen der Bauteile mit dem Strahlmittel in Form eines Granulates. Die Teilewälzung erfolgt durch die Rotation eines Bearbeitungskorbes beziehungsweise einer Behandlungstrommel. Durch die Relativbewegung der versprödeten Formteile zueinander wird bereits der grobe Außengrat abgelöst. Gleichzeitig entfernt das durch das Schleuderrad beschleunigte Granulat feinere und innenliegende Grate. Als Strahlmittel wird in der Regel Polycarbonatgranulat in verschiedenen Korngrößen und -geometrien eingesetzt. Das Strahlmedium wird nach dem Beschuss auf die Formteile aufgefangen und mittels Förderschnecke wieder dem Schleuderrad zugeführt. So wird das Strahlmittel im Kreislauf, welcher in Bild 1 schematisch dargestellt ist, fortlaufend genutzt.
Nach erfolgter Entgratung werden die Formteile manuell entnommen oder automatisiert ausgeschleust. Abgeschlagener Grat verbleibt im Strahlmedium oder wird ausgesiebt. Um sicherzustellen, dass das verwendete Strahlmedium bei jedem Entgratungsprozess die gleiche Korngröße aufweist, ist es erforderlich dieses, nach Herstellerangaben, regelmäßig auszutauschen [4].
Das ist das energetische Verbesserungspotential
Das AW Emsodur X.0 Konzept verbessert den Prozess gleich doppelt, denn es wird sowohl LN2 als auch Granulat eingespart. Insbesondere bei Bauteilen aus NE-Metall-Druckguss oder glas- oder kohlefaserverstärktem Kunststoff ist das Erreichen der -196 °C auf der Bauteiloberfläche zum Verspröden des Materials technisch nicht notwendig. Somit ist der Einsatz von LN2 unwirtschaftlich und nicht nachhaltig. Zudem ist der Anwender vom LN2-Marktpreis abhängig.
Hier setzt die Prozessoptimierung von AW Maschinen- und Anlagentechnik an. In einem Kooperationsprojekt gemeinsam mit der Universität Siegen, welches vom Zentrum für Innovations- und Mittelstandsforschung (ZIM) finanziell unterstützt wurde, konnte ein stickstoffsparender Prototyp einer Strahlentgratungsanlage entwickelt und getestet werden.
Die Entwicklung einer geeigneten Wärmetauschereinheit ist ein zentraler Aspekt des Projekts. Das Herzstück dieser Innovation ist eine kontinuierliche Kühleinrichtung für das umlaufende Strahlmedium. Im Gegensatz zu kryogenen Strahlentgratungsmaschinen, die zur Prozesskühlung ausschließlich flüssigen Stickstoff verwenden, setzt diese Erfindung auf eine alternative Kühlmethode. Diese stellt neben einer effizienten Strahlentgratung, auch eine nachhaltige und wirtschaftliche Alternative dar.
Die Wärmeabfuhr wird über ein doppelwandiges Schneckengehäuse gewährleistet, das eine effiziente Kühlung des Strahlmediums ermöglicht. Zudem hat das eingesetzte Granulat eine höhere spezifische Wärmekapazität (cp-Wert), was zu einer besseren Wärmeaufnahme und somit zu einer effizienteren Entgratung führt. Durch diese kontinuierliche Kühlung des Strahlmediums wird eine sehr gute Wärmeabfuhr und damit die Entgratungsleistung erhöht.
Nach der Fertigstellung eines funktionsfähigen Prototypens, der die Prozesskühlung mittels einer Kompressionskältemaschine gewährleistet und über ein tiefkaltes Thermoöl in den Wärmetauscher bringt, hat eine erste ausführliche Testreihe gezeigt, dass eine derartige Prozesskühlung ohne LN2 für Prozesstemperaturen bis -30 °C funktionell ist. Dies wird in Bild 2 an einem Bauteil aus GFK verdeutlicht. Bei Elastomeren ist die Kühlung ohne LN2 aufgrund des deutlich tieferen Tg nicht ausreichend.
Die Testreihe am Prototypen hat jedoch gezeigt, dass bei der Kühlkombination aus Öl und LN2, der Verbrauch vom LN2 um rund 15 % sinkt. Die Entgratungsqualität bleibt dabei gleich hoch (Bild 2). Der Grat wird sowohl beim herkömmlichen kryogenen Entgraten als auch mit dem neuartigen, stickstoffeinsparenden Konzept ganzheitlich entfernt.
Wie die Hauptwärmequelle ermittelt wurde
Das Entwicklungsprojekt hat ebenfalls tiefergreifende Erkenntnisse der allgemeine Prozessführung hervorgebracht. Dank der Versuchsreihe und der Aufzeichnung der Temperaturen mittels zusätzlicher Sensoren sowie einer Wärmebildkamera konnte das Schleuderrad eindeutig als Hauptwärmequelle im Prozess identifiziert werden. Durch weiter geplante Prozessoptimierungen, wie das gezielte Kühlen des Schleuderrades wird davon ausgegangen, dass bis zu weitere 15 % an flüssigem Stickstoff eingespart werden können. Der theoretische LN2-Einsatz liegt dann in Abhängigkeit weiterer Prozessparameter bei durchschnittlich 72,25 % des zuvor eingesetzten LN2.
Die von Emsodur entwickelte Granulattype Emsodur LT TC hilft mit einem erhöhtem cp-Wert nicht nur dabei, die Prozesstemperaturen länger tief zu halten, sondern es ist auch verschleiß-ärmer. Dies hat eine Testreihe bestätigt, in der für fünf Stunden verschiedene Granulate auf eine Metallplatte direkt hinter dem Schleuderradauslass gestrahlt wurden. Der Verschleiß wird im Anschluss mittels einer Siebanalyse bestimmt. Als Gutkorn gilt dabei jedes Granulatkorn, das noch mindestens 95 % des ursprünglichen Durchmessers besitzt.
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So verändern sich die Prozesskosten
Quelle: AW Maschinen- und Anlagentechnik
Emsodur, Domat/Ems
Universität Siegen
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