Rotes Stecker-Gehäuse.

Der selbsthaftende Flüssigsilikonkautschuk besitzt eine gleitfähige Oberfläche und lässt sich folglich gut montieren. (Bild: Wacker)

Verbundbauteile haben in den letzten 20 Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen. Die gezielte Kombination unterschiedlicher Materialien zu einem Verbund schafft die Möglichkeit, mehrere Funktionalitäten in einem einzigen Bauteil zu integrieren, und gibt den Konstrukteuren neue Designoptionen. Weit verbreitet sind Verbunde aus einer harten, formgebenden Komponente, die für die Festigkeit des Verbundartikels sorgt, und einer weichen, elastischen. Als Hartkomponente wird oftmals ein Metall, zunehmend aber auch ein geeigneter thermoplastischer Kunststoff eingesetzt. In solchen Hart-weich-Verbunden bringt die Weichkomponente eine dichtende, schwingungsdämpfende oder schallabsorbierende Funktion ein. Immer häufiger fällt dabei die Wahl auf ein Silikonelastomer, besonders wenn das Bauteil im Einsatz harschen Bedingungen ausgesetzt ist, mit Lebensmitteln oder Arzneistoffen in Kontakt kommt oder in medizinischen Geräten eingesetzt wird.

Wie das Problem der ungenügender Haftfestigkeit umgangen wird

Silikone sind chemisch inert, biokompatibel, hitzebeständig, kälteflexibel und bleiben dauerhaft elastisch. Allerdings haften Silikonelastomere tendenziell schlecht auf anderen Materialien, sofern sie nicht besonders modifiziert wurden. Dies erschwert die Bildung eines stabilen Verbunds. Und noch eine Silikoneigenschaft stört gelegentlich: Silikone haben gewöhnlich eine gummiartige Oberfläche mit hohem Reibungswiderstand. Diese Eigenschaft kann Schwierigkeiten beim Weiterverarbeiten und beim praktischen Einsatz verursachen. Das erste Problem – die schlechten Haftungseigenschaften – löste der Konzern bereits 1999 mit seiner patentierten Selbsthaftungstechnologie, die zu einem festen chemischen Verbund beider Komponenten führt. Seitdem sind speziell modifizierte Flüssigsilikonkautschuktypen – sogenannte selbsthaftende Typen – erhältlich, mit denen die Vorbehandlung der Hartkomponente überflüssig wird. Zur Lösung des zweiten Problems – der stumpfen Oberfläche – wurden 2007 erstmals Silikonelastomere präsentiert, die sofort nach der Vulkanisation eine gleitfähige, aber ölfreie Oberfläche ausbilden.
Inzwischen werden auch Silikonkautschuke angeboten, die beide Technologien kombinieren. Das Ergebnis ist ein Portfolio von Flüssigsilikonkautschuktypen, die nicht nur selbsthaftend sind, sondern zugleich Elastomere mit einer gleitfähigen, aber trockenen Oberfläche ergeben.

Wie ein Ölfilm den Reibungswiderstand mindert

Die silikontypischen Reibungseffekte erschweren das Handling der Silikonartikel bei der Montage und im Einsatz. So lassen sich beispielsweise Silikonschläuche nur mit Mühe durch Hülsen führen. Das Problem kann durch den Einsatz ölausschwitzender Silikonelastomere gelöst werden. Diese enthalten ein spezielles Silikonöl, das fortwährend zur Oberfläche des vulkanisierten Materials wandert und dort einen flüssigen und reibungsvermindernden Ölfilm erzeugt. Kommt es dagegen auf Sauberkeit an, kann ein solcher Ölfilm stören. In medizin- oder lebensmitteltechnischen Anwendungen verbietet sich der Einsatz ölausschwitzender Werkstoffe gänzlich. In solchen Fällen gab es früher nur die Möglichkeit, entweder den hohen Reibungswiderstand zu akzeptieren oder aber die Oberflächeneigenschaften nachträglich – etwa durch Aufbringen einer dünnen Beschichtung – zu modifizieren. Dazu waren zusätzliche, teilweise komplizierte und aufwendige Arbeitsschritte notwendig.

Ein technisches Gerät auf einer blauen Versuchsplatte.
Der Gleitreibungskoeffizient der selbsthaftenden Flüssigsilikonkautschuken Elastosil LR 3671, Elastosil LR 3675 und Silpuran 6760/50 liegt 50 bis 70 % unter dem vergleichbarer Standard-Silikonelastomere. (Bild: Wacker)

Damit werden glatte Oberflächen ohne Öl geschaffen

Eine Alternative bietet die Wacker-Technologie zur Schaffung einer intrinsisch gleitfähigen Silikonoberfläche. Der reibungsvermindernde Effekt entsteht hier ohne Bildung eines Silikonölfilms. Die Oberfläche des Elastomers bleibt trocken und ist dennoch gleitfähig. Bei Bauteilen macht sich die reibungsverminderte Oberfläche sowohl während der Montage als auch in der Endanwendung positiv bemerkbar. Die Teile lassen sich leichter montieren und – etwa zu Wartungs- oder Reinigungszwecken – auch einfacher ausbauen. Besonders bei beengten Einbauverhältnissen erweist sich die gleitfähige Oberfläche als hilfreich. Weil die Montage erleichtert wird, können Geräte schneller gefertigt werden. In vielen Fällen wird sogar eine automatisierte Montage möglich.

Auf welchen Materialien die Silikone haften

Lange war es nur möglich, entweder die Selbsthaftungstechnologie oder aber die Technologie der ölfreien Reibungsverminderung zu nutzen. Inzwischen hat das Unternehmen Silikone entwickelt, die beides bieten. Damit war der Weg zu einer schnellen und kosteneffizienten Massenproduktion von Thermoplast-Silikonelastomer- und Metall-Silikonelastomer-Verbundbauteilen mit einer intrinsisch gleitfähigen Silikonoberfläche geebnet. Besondere Aufmerksamkeit widmeten die unternehmenseigenen Anwendungstechniker den Haftungseigenschaften und der Oberflächenreibung. Im Haftfestigkeitstest nach DIN ISO 813 zeigte sich, dass die neuen Silikontypen auf vielen Thermoplasten und Metallen gut haften, ohne dass eine vorherige Grundierung oder Plasmabehandlung des Substrats notwendig ist.
Eine starke Haftfestigkeit wird auf Polyamid und Polybutylenterephthalat erreicht. Auch Polyetheretherketon, Polyethylenterephthalat und Polymethylmethacrylat erwiesen sich als geeignete Substrate. Die auf dem Markt angebotenen Thermoplaste können allerdings Additive enthalten, die sich auf die Oberflächeneigenschaften und damit auf die Haftfestigkeit ungünstig auswirken. Verarbeiter sollten deshalb stets das Haftungsverhalten prüfen. Der mit der dieser Selbsthaftungstechnologie erzeugte chemische Verbund lässt beim Bauteildesign deutlich mehr Freiheiten als die altbekannte mechanische Verbindungstechnologie, bei der sich die beiden Komponenten eines Hart-weich-Verbunds durch Hinterschnitte oder Durchbrüche verhaken. Darüber hinaus entstehen bei einem chemischen Verbund keine Zwischenräume zwischen Hart- und Weichkomponente, in denen sich Verschmutzungen sammeln oder Bakterien und Schimmelpilze ansiedeln können – ein wichtiger Aspekt beim Einsatz von Zweikomponentenbauteilen in pharmazeutischen oder medizintechnischen Geräten und im Kontakt mit Lebensmitteln. Sämtliche Silikontypen des Portfolios ergeben Elastomere mit einer gleitfähigen Oberfläche. Ihr Gleitreibungskoeffizient liegt zwischen 50 und 70 % unter dem Wert von selbsthaftenden Standard-Silikonelastomeren gleicher Härte. Gemessen wurden die Reibungskoeffizienten in Anlehnung an DIN EN ISO 8295.

Ausschnitt einer Kunststoff-Spritze.
Der selbsthaftende Flüssigsilikonkautschuk Silpuran 6760/50 ist bio-kompatibel und eignet sich für medizintechnische Produkte wie Spritzen oder Dosierpumpen. (Bild: Wacker)

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Wo genau liegen die Anwendungsbereiche?

  • Für medizintechnische und pharmazeutisch-technische Anwendungen wurde das selbsthaftende und intrinsisch gleitfähige Silpuran 6760/50 konzipiert, das als erste selbsthaftende, intrinsisch gleitfähige Type die Marktreife erreichte und bereits 2016 vorgestellt wurde. Dieser Flüssigsilikonkautschuk wird feingefiltert, optisch kontrolliert und unter Reinraumbedingungen abgefüllt. Er vernetzt zu einem Elastomer der Härte 50 Shore A.
  • Speziell für lebensmitteltechnische Anwendungen wurde Elastosil LR 3671 entwickelt. Diese Produkt-reihe umfasst eine 30- und eine 40-Shore-A-Type. Beide Typen enthalten nur solche Formulierungsbestandteile, die für Kontakt mit Lebensmitteln zugelassen sind. Getemperte Bauteile aus Elastosil LR 3671 sind lebensmittelkonform und können gemäß den Empfehlungen des Bundesinstituts für Risikobewertung (BFR-Empfehlung XV, Silikone) und den Anforderungen der amerikanischen Food and Drug Administration (21 CFR 177.2600) im Kontakt mit Lebensmitteln verwendet werden.
  • Auch die Produktreihe Elastosil LR 3675 umfasst zwei Typen, eine 30- und eine 50-Shore-A-Type. Bei der Entwicklung standen technische Anwendungen, vor allem im Automobilsektor, im Blick. Die Produkte besitzen ein außerordentlich wirksames Haftvermittlersystem. Additive verleihen dem Elastomer bereits im ungetemperten Zustand einen niedrigen Druckverformungsrest. Ohne dass die Vulkanisate getempert werden, erreicht Elastosil LR 3675/30 – die 30-Shore-A-Type – einen Druckverformungsrest von 14 %. Bei der härteren Type, Elastosil LR 3675/50, liegt er mit 12 % noch etwas niedriger. Das sind sehr gute Werte – ungetemperte Vulkanisate selbsthaftender Standardsilikone gleicher Härte schneiden in der Prüfung schlechter ab.

Dichtelemente aus Elastosil LR 3675 bleiben also lange funktionstüchtig.
Zugleich zeichnen sich die ungetemperten Vulkanisate durch sehr gute mechanische Eigenschaften aus. Daher können die Hersteller der Verbundbauteile den Arbeitsschritt des Temperns einsparen und auf diese Weise ihre Produktivität steigern.

Quelle: Wacker Chemie

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