Mann im Anzug vor einem Laptop mit Mikrofon.

Prof. Dr. Volker Herrmann, Studiendekan ­Fakultät Kunststoff und Vermessung, Studiengang Kunststoff- und Elastomer­technik, Technische Hochschule Würzburg-Schweinfurt, (Bild: THWS)

Hatte der Ingenieurberuf noch um die Jahrtausendwende ein hervorragendes Ansehen in der Gesellschaft, sieht sich dieser Berufszweig heute zuerst einmal mit Fragen der Technikethik und dem Einfluss seines Wirkens auf die Umwelt konfrontiert. Beeinflusst das die Schüler hinsichtlich der Berufswahl? Will die Jugend wirklich nichts mehr von Technik und Ingenieurs-kenntnissen wissen und nur noch „irgendwas mit Medien“ machen? Diese Sichtweise wäre ganz sicher zu sehr vereinfacht. Vielmehr sehen sich Schulabgänger und -abgängerinnen heutzutage einer unübersichtlichen Flut an Studienmöglichkeiten gegenüber. Waren es 2007 noch etwa 5.000 Bachelorstudiengänge, aus denen man in Deutschland wählen konnte, sind es heute doppelt so viele! So tobt an den Schulen und Hochschulen ein unerbittlicher Kampf um Studienanfänger und -anfängerinnen. Häufig sind die oben genannten Themen der Digitalisierung und Nachhaltigkeit auch in die Bezeichnung neuer Studiengänge eingeflossen, die zu einem enormen Kannibalisierungseffekt geführt haben. Die jungen Schülerinnen und Schüler können sich oft unter den modernen Studiengangbezeichnungen nichts mehr vorstellen.
Bezieht man in diese Rechnung noch den demographischen Verlauf mit ein, so muss für einen gegebenen Studiengang rechnerisch die Anzahl der Studienanfänger auf unter die Hälfte derer fallen, die noch vor etwa 15 Jahren ein Studium begonnen haben. Nun ist durch die derzeitige Medienlandschaft zusätzlich das Ansehen des Werkstoffs Kunststoff, der ja umgangssprachlich als „Plastik“ bezeichnet wird, nicht besser geworden, worunter die hiesige Branche noch zusätzlich zu leiden hat. Dies alles genügt, um den Rückgang der Studienanfängerzahlen und somit den Fachkräftemangel an Kunststoffingenieuren zu erklären. Jetzt wissen wir also warum.

Zitat

Weniger Studenten können

aus mehr Studienfächern

wählen.

Prof. Dr. Volker Herrmann, Studiendekan ­Fakultät Kunststoff und Vermessung, Studiengang Kunststoff- und Elastomer­technik, Technische Hochschule Würzburg-Schweinfurt

Aber was kann man dagegen tun?

Die Technische Hochschule Würzburg-Schweinfurt (THWS) hat einen Lösungsvorschlag, der auch bereits in die Tat umgesetzt wurde und aktuell noch wird. Die Internationalisierung als Problemlöser für den Fachkräftemangel ist nichts neues, aber die Umsetzung spannend und herausfordernd. An der THWS gibt es das Konzept des „Twin-Studiengangs“, das heißt in diesem Fall existiert ein englischer Zwilling eines bereits vorhandenen deutschsprachigen Studiengangs, der zeit- und inhaltsgleich angeboten wird. Studenten, die in einem der beiden Zweige eingeschrieben sind, können jederzeit (das heißt zu jedem Semester) in den anderssprachigen Zwilling wechseln und in Deutsch, beziehungsweise Englisch weiter studieren und auch absolvieren. Dies bietet nicht nur den deutschen Studenten eine persönliche sprachliche und kulturelle Weiterentwicklung, vor allem werden damit Studenten aus dem internationalen Ausland angeworben. Und dies wirkt sich nun positiv auf die Anzahl der Studienanfänger aus, da es sich genau nicht um eine Kannibalisierung handelt, sondern eine zusätzliche Anfängerzahl Studenten generiert, welche vorher dem Studiengang nicht zugänglich waren.
Die THWS hat mittlerweile in sechs erfolgreichen Twin-Bachelorstudiengängen und mit insgesamt über 2.400 ausländischen Studenten positive Erfahrungen mit ausländischen Studiengängen gemacht und hat dieses nun um einen weiteren Twin-Studiengang erweitert: Zum WS 24/25 wird der englischsprachige Bachelorstudiengang
„Applied Polymer Engineering (APE)“ am Standort Würzburg angeboten. Ergänzt wird dieses Studienangebot zudem durch das „Duale Studium“, welches den Studenten die Möglichkeit eröffnet, während des Studiums in der einschlägigen Branche während der Semesterferien nicht nur Geld zu verdienen, sondern auch praktische Erfahrungen zu sammeln, Kontakte zu knüpfen, das spätere Berufsbild aus nächster Nähe kennen zu lernen und es nicht zuletzt den ausländisch Studierenden ermöglicht, in einer anderen Kultur und Umgebung „Fuß zu fassen“.

Hörsal mit einem Dozhenten vorne.
Um wieder mehr Studenten in die Hörsäle zu bekommen, geht die TH Würzburg-Schweinfurt neue Wege. (Bild: Dalle 3/OpenAI)

Für drei Seiten ein Gewinn

Erwähnenswert ist hierbei nun noch, dass nicht nur die Studenten davon profitieren. Erfahrungsgemäß bauen dual Studierende von Anfang an eine starke Bindung zu ihrem Unternehmen auf und identifizieren sich mit diesem. Sämtliche Praxiszeiten wie Praktikumssemester, Bachelorarbeit finden im Partnerunternehmen statt. Potentielle Partner des Dualen Studiums sind Industriefirmen der Branche, die sich frühzeitig hochqualifizierte und motivierte Nachwuchskräfte sichern und diese mit ausbilden können. Dabei endet die Ausbildung nicht am eigenen Werkstor. In Fächern, die an der THWS gelehrt werden und die für die Firmen besonders wichtig sind, werden gemeinsam Lehrinhalte abgeglichen und gemeinsam auch Prüfungen abgehalten, um eine besondere Verzahnung zwischen Lehre und Praxis sicherzustellen. Auf diese Weise kann man nicht nur das Problem des Fachkräftemangels angehen und die zukünftigen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen an deren späteren Aufgabenbereich im Unternehmen heranführen, sondern auch zu einer gelungenen Integration ausländischer Fachkräfte beitragen. Wir haben es also mit einer Win-Win-Win-Situa­tion zu tun! Lassen Sie uns dies gemeinsam angehen!

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