Manchmal sind es Kleinigkeiten, die über Wohl und Wehe entscheiden. Das wissen auch die Prozessingenieurinnen und -ingenieure von Freudenberg Sealing Technologies. Bei der Herstellung von Hydraulik- und Pneumatikdichtungen, wie sie zum Beispiel in der Mobilhydraulik von Baggern verbaut werden, sind thermoplastische Polyurethane (TPU) ein häufig eingesetzter Kunststoff. Seine Qualität ist mitentscheidend für die Funktionsfähigkeit der benötigten Komponenten. Ist das TPU-Granulat nur minimal zu feucht, dann ändert sich dessen Fließverhalten bei der Spritzgussverarbeitung. Die Folge: Die Polymerketten können sich nicht ausreichend ausbilden. Eigenschaften wie Zugfestigkeit und Bruchdehnung sind dann nicht so gegeben, wie sie sollten.
Warum ein Monitoring sinnvoll ist
Will man also nicht erst bei der Qualitätskontrolle feststellen, dass ein ganzes Los produzierter Teile zu beanstanden ist, dann muss bereits bei der Lagerung der TPU angesetzt werden. Im Werk in Schwalmstadt lagern diese in Sechs-Tonnen-Silos. Das Bestimmen der Granulatfeuchte in den Großbehältern erfolgt manuell. Um Stichproben zu entnehmen, müssen die Silos geöffnet werden. Ein Prozess, der aber nur eine Momentaufnahme darstellt. „Was wir brauchten, war ein 24-Stunden-Monitoring“, erinnert sich Armin Hermann, Leiter des Werkstofflabors in Schwalmstadt.
Der Schlüssel für diese Art des Monitoring war künstliche Intelligenz. Doch bis es so weit war, wartete eine Menge Arbeit auf die Projektbeteiligten. Das begann damit, dass die Prozessingenieure in Schwalmstadt und ein IT-Expertenteam von Freudenberg Sealing Technologies lernen mussten, mit einer Sprache zu sprechen. „Man kann sich das überspitzt formuliert so vorstellen, dass Analog 2.0 auf Industrie 4.0 traf“, verdeutlicht Hermann. „Es waren zwei Welten, die sich in unserem Projektteam begegneten.“ Um einen Algorithmus zu schreiben, war es für die IT-Fachleute unerlässlich, die Prozesse im Werk nicht nur zu verstehen, sondern inhaltlich komplett zu durchdringen. Denn es war beispielsweise ein Simulationsmodell zu erstellen, das präzise Vorhersagen zur Feuchtigkeit des TPU-Granulats erlaubt.
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Was unterschiedet einen digitalen Zwilling von einem digitalen Schatten
Ein digitaler Zwilling und ein digitaler Schatten erlauben die Echtzeitüberwachung eines realen Objekts wie beispielsweise eines Silos. Beide sammeln und analysieren Ereignisse und Prozesse rund um das Objekt und stellen die erhobenen Daten bereit. Eine Interaktion mit dem realen Objekt ist jedoch nur dem digitalen Zwilling möglich.
Woher die Daten stammen
Um die Restfeuchte im TPU bestimmen zu können, war es elementar, ein maschinelles Lernmodell zu entwickeln, dem der Aufbau einer strukturierten Datenübertragung und -speicherung zugrunde lag. Den Grundstock der Datenbank bildeten die Daten, die bislang manuell erfasst worden waren. Um sie mit aktuellen Daten anzureichern, wurde Sensorik innerhalb wie außerhalb der Silos installiert. Sie erfasst die Temperaturen und die Luftfeuchtigkeit in beiden Umgebungen. Daneben fließen weitere Parameter wie die Lagerdauer in die Datenbank ein. Aus all diesen Merkmalen lässt sich die Materialfeuchte des Granulats ableiten. Die manuellen Messungen wurden reduziert. Sie sind aber weiter notwendig, um die Realität mit den Werten des entwickelten Algorithmus abzugleichen. „Unsere Stichproben ergaben, dass die KI-Vorhersagen zum Wassergehalt im Granulat lediglich um 0,005 Prozent von den Ergebnissen der manuellen analytischen Messung abwichen“, weiß Projektleiter Hermann.
Bei der in Schwalmstadt etablierten Lösung spricht man in der Fachsprache übrigens von einem digitalen Schatten. Von der Idee bis zur erfolgreichen Implementierung des digitalen Schattens benötigte das Projektteam ein Jahr. Nun wird die Granulatfeuchte automatisiert berechnet und visualisiert. Werden Grenzwerte überschritten, schlägt das System Alarm, sodass die Prozesstechniker vor Ort zeitnah eingreifen können. Damit bleibt sichergestellt, dass das TPU-Granulat in der notwendigen Qualität in den Produktionsprozess gelangt.
Quelle: FST
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