Auf der DKT in Nürnberg fand in diesem Jahr eine lebhafte Podiumsdiskussion statt, die vom Frauennetzwerk der Deutschen Kautschuk-Gesellschaft e.V. (DKG) organisiert wurde. Ziel der Veranstaltung, die von Simone Fischer, verantwortliche Redakteurin der KGK, moderiert und im Rahmen der „DKT-Solutions“ stattfand, war es, die Rolle und Herausforderungen von Frauen in der Technikbranche zu beleuchten und Wege zu diskutieren, wie sich ihre Sichtbarkeit und Präsenz in diesem Sektor steigern lässt.
Vorneweg einige Zahlen um die Situation einzuordnen: Eine Untersuchung des Marktforschungsunternehmens Mc Kinsey ergab, dass nur 22 % aller europäischen Tech-Jobs von Frauen besetzt sind, und lediglich 38 % der MINT-Absolventen in Europa Frauen sind. Zugleich studierten im Wintersemester 2022/2023 rund 1,1 Mio. junge Menschen einen MINT-Studiengang, davon waren rund 350.000 Frauen. Von ihnen hatten sich rund 190.000 für die Fächergruppe der Ingenieurwissenschaften entschieden. Verglichen mit dem Jahr 2013, in dem es rund 106.000 waren ist der Anteil um etwa 80 % gestiegen.
Teilnehmer und Teilnehmerinnen liefern Einblicke in die Branche
Viktoria Schütz, Geschäftsführende Gesellschafterin, Deguma-Schütz, Geisa, betonte die Wichtigkeit, junge Frauen schon früh für technische Berufe zu begeistern. „Der Gedanke, dass es als Frau möglich ist in technischen Bereichen zu arbeiten, das gibt einem ein ganz anderes Selbstbild.“ Sie betonte zugleich, dass die Prägung von Kindern bereits im Kindergartenalter stattfinde und hier bereits die Weichen gestellt würden. Sie berichtete aber auch von Situationen, in denen ihr technisches Verständnis infrage gestellt wurde, was oft auf traditionelle Rollenbilder zurückzuführen sei. „Es ist frustrierend, wenn man trotz Qualifikation und Expertise nicht ernst genommen wird. Wir müssen diese Vorurteile abbauen.“
Julia Uth, verantwortlich im Bereich Leitung Konstruktion und Entwicklung beim Maschinenbauer Uth aus Fulda, sprach über ihre Erfahrungen als Frau in einer Führungsposition und die Herausforderungen, die damit einhergehen. Die Bedeutung von Selbstbewusstsein und Unterstützung durch das Unternehmen sei besonders hervorzuheben. „Es ist wichtig, dass wir Frauen in technischen Berufen sichtbarer machen, um jungen Frauen Vorbilder zu bieten“, betonte sie. Man arbeite zugleich mit Hochschulen zusammen, um Frauen als „Technikantinnen“ die Möglichkeiten zu bieten im Unternehmen Einblicke zu erhalten und Kontakte zu knüpfen.
Bei Allod Werkstoff in Burgbernheim verantworten Frauen eine Vielzahl an verantwortungsvollen Positionen, wie der Geschäftsführer Kurt Gebert verriet. Insbesondere in der Entwicklung aber auch der Verwaltung. „Wir sind ein frauendominiertes Unternehmen“, so Gebert. Man arbeite ebenfalls eng mit Hochschulen zusammen, um Frauen nicht nur bei Bachelor- oder Masterarbeiten zu unterstützen.
Dr. Hans-Martin Issel, Geschäftsführer Unimatec Chemicals Europe, hob die Bedeutung von Frauen nicht nur für die Industrie hervor: „Wir können es uns nicht leisten, auf Frauen zu verzichten.“ Er sprach darüber wie wichtig es ist, Frauen die notwendige Flexibilität im Arbeitsumfeld zu ermöglichen. Zugleich hob er die Erfolge im Hochschulsektor hervor: Der Frauenanteil in technischen Studiengängen habe sich trotz allem deutlich verbessert.
Wie wichtig sind Netzwerke?
Netzwerke können für den beruflichen Erfolg maßgebend sein und darüber hinaus unterstützen und anleiten – insbesondere für Frauen. Doch welche Unterschiede gibt es zwischen den Netzwerken von Männern und Frauen oder ist Netzwerk gleich Netzwerk? „Netzwerk ist Netzwerk“, erklärte Gebert. Für ihn sei nicht entscheidend, ob diese eher frauen- oder männergeprägt seien. Das Bild „Frau in der Technik“ sah dieser als selbstverständlich an. Für Schütz sind Netzwerke, in denen ausschließlich Frauen vertreten sind dennoch wichtig. Frauen könnten hier Erfahrungen austauschen und sich gegenseitig unterstützen, etwa bei Themen im beruflichen Umfeld. Julia Uth verwies auf den, ihrer Meinung nach, insbesondere in der Kautschukindustrie, „sehr offenen Austausch“, unabhängig von der Gesinnung des Netzwerks.
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Herausforderungen und Lösungsansätze
Ein zentrales Thema der Diskussion war die Frage, wie Unternehmen ein Umfeld schaffen können, dass Frauen für technische Berufe begeistert. Ansätze wie flexible Arbeitszeiten, Möglichkeiten zum Homeoffice werden bereits angeboten. Wie wichtig sind solche Maßnahmen gerade auch für die Kautschukindustrie? Mentoring-Programme seien maßgeblich, um den sprichwörtlichen „Fuß in die Türe zu bekommen“ wie Gebert erklärte. „Auch um Impulse in der Außenwirkung zu erzeugen“, wie er ergänzte. Allein die Tatsache, dass diese existieren, würde bereits positiv wahrgenommen. „Wir müssen Rahmenbedingungen schaffen, die es ermöglichen, dass Frauen ihre Karriere vorantreiben können, ohne auf Familie verzichten zu müssen“, sagte Uth und sprach dabei auch die „Vorbildfunktion“ als Mentor etwa beim Onboarding eines neuen Mitarbeiters im Unternehmen oder aber für Studenten oder Auszubildene an. „Es ist wichtig, Impulse und Erfahrungen zu teilen, gerade für junge Menschen“ Das helfe etwa bei der Orientierung im Berufsleben ungemein. Auch Issel stimmte dem zu: „Diese Programme fördern nicht nur fachliches Wissen, sondern auch persönliches Wachstum.“ Schütz ist es wichtig, Jungs, wie auch Mädchen, bereits während ihrer Schulzeit, mit Programmen und Aktionen für technische Berufe zu begeistern und bezog sich hier auf Beispiele wie den „Girl‘s Day“.
Issel hob hervor, dass Unternehmen nicht auf Frauen verzichten können, wenn sie wettbewerbsfähig bleiben wollen. „Es ist unerlässlich, dass wir Frauen fördern und ihnen die gleichen Chancen bieten wie ihren männlichen Kollegen“, so Issel. Es bedarf auch flexibler und familienfreundlicher Arbeitszeitmodelle, um Frauen langfristig zu halten und ihnen Karrierechancen zu bieten. In der Runde wurde dabei auch die Möglichkeit einer Vier-Tage-Woche diskutiert.
Bei Deguma-Schütz wird diese bereits praktiziert. „Unsere Vier-Tage-Woche hat dazu beigetragen, dass die Krankentage um über 30 Prozent zurückgegangen und die Mitarbeiter insgesamt zufriedener sind“, verriet Schütz. Im Fokus stünde hier insbesondere die Angleichung der Arbeitszeiten. Denn so Schütz weiter: „Frauen können nur mehr arbeiten, wenn Männer weniger arbeiten.“
Frühzeitig fördern und Sichtbarkeit erhöhen
Ein weiterer wichtiger Punkt war die frühzeitige Förderung von Mädchen und jungen Frauen. Victoria Schütz und Julia Uth betonten die Notwendigkeit, bereits im Schulalter Interesse für technische Berufe zu wecken und positive Rollenmodelle zu präsentieren. „Wir müssen zeigen, dass Technikberufe spannend und erfüllend sein können“, sagte Schütz. Programme wie Schulbesuche, Praktika und gezielte Werbung könnten helfen, das Interesse zu steigern und Vorurteile abzubauen. Uth fügte hinzu: „Wir arbeiten mit Schulen zusammen und bieten regelmäßig Workshops an, um Mädchen für Technik zu begeistern.“
Warum es gesellschaftliche Veränderungen braucht
Die Diskussion verdeutlichte auch, dass gesellschaftliche Veränderungen notwendig sind. Traditionelle Rollenbilder und Erwartungen an Frauen müssen hinterfragt und verändert werden. Issel sprach darüber, wie wichtig es sei, dass Männer ebenso Verantwortung für Familie und Haushalt übernehmen, um Frauen die Möglichkeit zu geben, ihre Karriere voranzutreiben. „Es reicht nicht, wenn nur die Frauen flexibel sind. Die gesamte Gesellschaft muss sich anpassen.“ Es wurde darauf hingewiesen, dass dies nicht nur eine Frage der Unternehmenspolitik, sondern auch der gesellschaftlichen Einstellung ist.
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Was also muss getan werden?
Die Diskussionsteilnehmer hoben die Wichtigkeit der kontinuierlichen Förderung und Unterstützung von Frauen in der Technikbranche hervor. Die Initiative des Frauennetzwerks der DKG ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, doch es bedarf weiterer Maßnahmen auf Unternehmens- und gesellschaftlicher Ebene, um die bestehenden Barrieren abzubauen. Die Einblicke der Teilnehmer und Teilnehmerinnen zeigten, dass bereits viele positive Ansätze und Initiativen existieren. Die Branche muss sich weiterhin aktiv für die Förderung von Frauen einsetzen, um langfristig erfolgreich und innovativ zu bleiben. So war auch das Fazit einhellig: Man könne auf die Fähigkeiten und Perspektiven von Frauen nicht verzichten. Durch gezielte Maßnahmen, Flexibilität und Unterstützung können Frauen ermutigt werden, technische Berufe zu ergreifen und erfolgreich zu sein.
„Wir müssen die Leidenschaft für Technik und Innovation in jungen Frauen wecken“, fasste Schütz zusammen. Uth ergänzte: „Die Kautschukindustrie bietet großartige Möglichkeiten und wir sollten alles daransetzen, diese Chancen für alle zugänglich zu machen.“