Abbildung elektrisch angetriebenen künstlichen Muskeln, mit Öl gefüllte Kunststoffbeutel, die auf beiden Seiten des Beutels mit Elektroden ausgestattet sind.

Bei den elektrisch angetriebenen künstlichen Muskeln handelt es sich um mit Öl gefüllte Kunststoffbeutel, die auf beiden Seiten des Beutels mit Elektroden ausgestattet sind. (Bild: MPI für Intelligente Systeme)

Das Thema Nachhaltigkeit rückt auch in der Soft-Robotik immer mehr in den Fokus. Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Intelligente Systeme (MPI-IS) in Stuttgart, der Johannes-Kepler-Universität (JKU) in Linz, Österreich, und der University of Colorado (CU Boulder) in Boulder, USA, haben einen vollständig biologisch abbaubaren, hochleistungsfähigen künstlichen Muskel entwickelt, der aus Gelatine, Öl und Biokunststoff besteht. Das Team zeigt in einer Forschungsarbeit, wie sie einen Greifarm mit mehreren solcher künstlichen Muskeln ausgestattet haben. Sind die Muskeln irgendwann beschädigt oder funktionieren nicht mehr richtig, können diese in der Biotonne entsorgt werden. Unter kontrollierten Bedingungen bauen sich die künstlichen Muskeln den Forschern zufolge innerhalb von sechs Monaten vollständig ab. Ellen Rumley, Gast-Wissenschaftlerin der CU Boulder, die in der Abteilung für Robotik-Materialien am MPI-IS in Stuttgart forscht, weiß um den dringenden Bedarf und die Potenziale nachhaltiger Materialien in der Soft-Robotik: „Biologisch abbaubare Komponenten bieten eine nachhaltige Lösung, insbesondere für Einweganwendungen bei medizinischen Behandlungen, für Such- und Rettungseinsätze und beim Umgang mit gefährlichen Substanzen. Anstatt am Ende der Produktlebensdauer auf Mülldeponien zu landen, enden die Roboter der Zukunft auf dem Kompost.“ Rumley ist Co-Erstautorin des in Science Advances erschienenen Publikation „Biodegradable electrohydraulic actuators for sustainable soft robots“.

Wie ein künstlicher Muskel funktioniert

Die Forscher haben einen elektrisch angetriebenen künstlichen Muskel namens Hasel entwickelt. Dabei handelt es sich um mit Öl gefüllte Kunststoffbeutel, die auf beiden Seiten des Beutels mit Elektroden ausgestattet sind. Wenn eine Hochspannung zwischen den Elektroden angelegt wird, bewirken die elektrostatischen Kräfte, dass sich das Pflanzenöl im Inneren des Beutels verschiebt. Indem das Öl hin- und hergeschoben wird, zieht sich der Beutel zusammen – ähnlich wie ein echter Muskel. Wichtigste Voraussetzung, dass die Verformung der Hasels klappt, ist, dass alle Materialien den hohen elektrischen Spannungen standhalten können.

Grüner Kreis, Künstlichen Muskeln sind biologisch abbaubar, lassen sich in der Biotonne entsorgen und gelangen so wieder in den natürlichen Kreislauf.
Die künstlichen Muskeln sind biologisch abbaubar, lassen sich in der Biotonne entsorgen und gelangen so wieder in den natürlichen Kreislauf. (Bild: MPI für Intelligente Systeme)

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Warum das Material leitfähig und biologisch abbaubar sein muss

Die erste Herausforderung bestand darin, eine leitfähige, weiche und vollständig biologisch abbaubare Elektrode zu entwickeln. Die Wissenschaftler der Johannes Kepler Universität entwickelten diese aus einer Mischung aus Gelatine und Salzen. „Für uns war es wichtig, Elektroden zu entwickeln, die einer Hochspannung standhalten und gleichzeitig aus natürlichen Komponenten bestehen. Da unsere biologisch abbaubaren Muskeln leicht in verschiedene Systeme integriert werden können, sind sie ein idealer Baustein für zukünftige biologisch abbaubare Roboter“, erklärt David Preninger. Er ist ebenfalls Co-Erstautor des Projekts und an der JKU Wissenschaftler der Abteilung Physik der weichen Materie des Instituts für Experimentalphysik.

Abbildungen mit bioabbaubarem Kunststoff, unter kontrollierten Bedingungen baut sich das Material innerhalb von sechs Monaten vollständig ab.
Unter kontrollierten Bedingungen baut sich das Material innerhalb von sechs Monaten vollständig ab. (Bild: MPI für Intelligente Systeme)

Im nächsten Schritt wurden geeignete biologisch abbaubare Kunststoffe identifiziert. Dabei ging es vor allem darum, wie schnell sie sich biologisch abbauen oder wie fest sie sind, weniger aber um die elektrische Leitfähigkeit – obwohl durch Hasels mehrere tausend Volt fließen. Einige Biokunststoffe zeigten eine gute Materialverträglichkeit mit den aus Gelatine bestehenden Elektroden und wiesen eine hohe Leitfähigkeit auf. Die künstlichen Muskeln konnten sich bis zu 100.000 Mal zusammenziehen und wieder entfalten bei mehreren tausend Volt ohne dabei kaputt zu gehen oder an Leitfähigkeit einzubüßen. Die biologisch abbaubaren künstlichen Muskeln sind damit so leistungsfähig wie ihre aus nicht-biologisch abbaubaren Materialien bestehenden Pendants.

Aufbau eines Roboter-Greifarms mit künstlichen, bioabbaubaren Muskeln.
Aufbau eines Roboter-Greifarms mit künstlichen, bioabbaubaren Muskeln. (Bild: MPI für Intelligente Systeme)

„Die Tatsache, dass wir mit Biokunststoffen so gute Ergebnisse erzielt haben, motiviert hoffentlich auch andere Materialwissenschaftler, nachhaltig zu denken“, so Rumley. Das Forschungsprojekt ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem Paradigmenwechsel in der Soft-Robotik. Auch hier gewinnen grüne Technologien immer mehr an Bedeutung.

Quelle: Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme

Roboter-Greifarms mit künstlichen, bioabbaubaren Muskeln fasst einen Rosenkohl.
Einsatzmöglichkeit eines Roboter-Greifarms mit künstlichen, bioabbaubaren Muskeln. (Bild: MPI für Intelligente Systeme)

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