Das nationale deutsche Regelwerk ist ohne einen Verweis auf europäische gesetzliche Anforderungen nicht anzuwenden. Im deutschen Recht zu Trinkwasserkontakt-Materialien finden eine europäische Verordnung und eine europäischen Richtlinie Anwendung. Die sogenannte Rahmen-„Verordnung EG Nr. 1935/2004 über Materialien und Gegenstände, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen“ 1) stellt in Artikel 3 allgemeine Anforderungen, die auch im Bereich der Trinkwasserkontakt-Materialien Anwendung finden.
Diese Vorschrift bestimmt, dass entsprechende Materialien und Gegenstände („einschließlich aktiver und intelligenter Materialien und Gegenstände“) nach guter Herstellungspraxis (GMP) so herzustellen sind, „dass sie unter den normalen oder vorhersehbaren Verwendungsbedingungen keine Bestandteile auf Lebensmittel in Mengen abgeben, die geeignet sind, die menschliche Gesundheit zu gefährden oder eine unvertretbare Veränderung der Zusammensetzung der Lebensmittel herbeizuführen oder eine Beeinträchtigung der organoleptischen Eigenschaften der Lebensmittel herbeizuführen.“ Diese Vorgaben werden in den nationalen Bewertungsgrundlagen und Leitlinien des Umweltbundesamtes (UBA) berücksichtigt.
Eine weitere wichtige Regelung findet sich in der europäischen „Richtlinie 98/83/EG über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch“ 2), der sogenannten Trinkwasserrichtlinie. Deren Artikel 10 beschäftigt sich mit der Qualitätssicherung in Bezug auf Aufbereitung, Anlagen und Materialien. Dort heißt es: „Die Mitgliedstaaten treffen alle erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die bei der Aufbereitung oder der Verteilung von Wasser für den menschlichen Gebrauch verwendeten Stoffe oder Materialien für Neuanlagen und die mit solchen Stoffen und Materialien für Neuanlagen verbundenen Verunreinigungen in Wasser für den menschlichen Gebrauch nicht in Konzentrationen zurückbleiben, die höher sind als für ihren Verwendungszweck erforderlich, und den im Rahmen dieser Richtlinie vorgesehenen Schutz der menschlichen Gesundheit nicht direkt oder indirekt mindern (…).“
Die geplante Revision der EG-Trinkwasserrichtlinie
Seit mehr als 20 Jahren ist die EG-Trinkwasserrichtlinie (98/83/EG) nun in Kraft und wurde seither keiner größeren Neufassung unterzogen. Im Frühjahr 2015 stieß dann die Europäische Kommission deren Überarbeitung mit einem Evaluierungsprozess an. Das Ziel der Novellierung soll laut EU darin bestehen, „die Qualitätsnormen für Trinkwasser mit den neuesten wissenschaftlichen Daten in Einklang zu bringen und den Rechtsrahmen anzupassen, um neuen Herausforderungen wie dem Klimawandel und dem Übergang zur Kreislaufwirtschaft besser gerecht zu werden.“ Im Mai 2016 wurde der Evaluierungsbericht vorgestellt und die Überarbeitung im Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für das Jahr 2017 aufgenommen.
Im Februar 2018 erfolgte eine erste Entwurfsfassung der Europäischen Kommission. Dieser „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch (Neufassung)“ 3), 4) wurde im Laufe des vergangenen Jahres intensiv von den verschiedenen betroffenen Stakeholdern diskutiert. Ein wesentlicher Kritikpunkt der Stakeholder war dabei die erfolgte Streichung des Artikels 10 durch die Kommission. Dies hätte die Trinkwasserqualität aufgrund der Verwendung nicht geeigneter Materialien nachteilig beeinträchtigt. Die dabei erfolgten Änderungsanträge des Umweltausschusses zum Kommissionsentwurf berieten die Europaparlamentarier im Oktober 2018. Viele der vorgelegten Änderungswünsche wurden berücksichtigt. Im März 2019 fanden dann die Beratungen des Kommissionsvorschlags im Umweltministerrat der Europäischen Kommission statt, wobei es zu weiteren Änderungsvorschlägen kam. Dieser Diskussionstand 5) wird Grundlage für die im Herbst 2019 geplanten Trilog-Verhandlungen zwischen EU-Kommission, Europaparlament und Europarat sein.
Die deutsche Trinkwasserverordnung
Die deutsche Trinkwasserverordnung „über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch“ 6) soll die Qualität des Wassers schützen und verbessern. Zu diesem Zweck trifft sie Regelungen zur Beschaffenheit des Trinkwassers, zur Wasseraufbereitung, zu den Pflichten der Wasserversorger und zur Überwachung des Trinkwassers. Die gesetzliche Grundlage zur Sicherung und Überwachung der Qualität des Trinkwassers durch die Trinkwasserverordnung ist das „Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen“ 7). Darin wird die Qualität des Trinkwassers in Hinblick auf die menschliche Gesundheit definiert. In § 37 Abs. 1 heißt es: „Wasser für den menschlichen Gebrauch muss so beschaffen sein, dass durch seinen Genuss oder Gebrauch eine Schädigung der menschlichen Gesundheit, insbesondere durch Krankheitserreger, nicht zu besorgen ist.“ Die Gesundheitsämter haben die gesetzliche Pflicht, Wassergewinnungs- und Wasserversorgungsanlagen regelmäßig zu überwachen. Für die Trinkwasserqualität sind die Bundesländer und ihre Behörden verantwortlich.
Die deutsche Trinkwasserverordnung setzt die EG-Trinkwasserrichtlinie in nationales Recht um. Teilweise enthält sie aber strengere Vorgaben als das europäische Recht. Dies ist europarechtlich möglich, um national bewährte und für den Gesundheitsschutz der Bürgerinnen und Bürger wichtige Regelungen zu treffen. Das Bundesministerium für Gesundheit hat am 25. November 2015 die Dritte Verordnung zur Änderung der Trinkwasserverordnung vom 18. November 2015 verkündet. Ein wesentlicher Kernpunkt der Trinkwasserverordnung ist ihr Bezug zu den allgemein anerkannten Regeln der Technik. Sie umfassen nationale (z. B. DIN, DVGW, VDI) und internationale (z. B. CEN, ISO) Normen zur fachgerechten Gewinnung, Aufbereitung und Verteilung von Trinkwasser. Diese werden im Trinkwassersektor allgemein akzeptiert und verwendet.
Wenn Anwenderinnen oder Anwender diese detaillierten technischen Vorschriften und Hinweise nachweisbar beachten, stellen sie sicher, dass das beim Verbraucher ankommende Trinkwasser den Anforderungen der Trinkwasserverordnung genügt.
Bewertungsgrundlagen und Leitlinien des Umweltbundesamtes
Durch die 2. Änderung der Trinkwasserverordnung im Dezember 2012 wurde gesetzlich festgelegt, dass verbindlich geltende Bewertungsgrundlagen für Materialien und Werkstoffe im Kontakt mit Trinkwasser durch das UBA zu erstellen sind. Bisher hatte das Umweltbundesamt hierzu Leitlinien und Empfehlungen veröffentlicht, die einen weniger verbindlichen Status hatten.
Am 21. März 2019 wurden – nach erfolgreichem europäischen Notifizierungsverfahren – die Bewertungsgrundlage für Kunststoffe und andere organische Materialien 8), die Polymerspezifischen Anlagen 9) sowie die Übergangsregelung zur KTW-Bewertungsgrundlage 10), die Silikon-Übergangsempfehlung 11), die TPE-Übergangsempfehlung 12) und die Empfehlung zur Konformitätsbestätigung der trinkwasserhygienischen Eignung 13) im Bundesanzeiger veröffentlicht.
Zwei Jahre nach der Veröffentlichung im Bundesanzeiger wird die Bewertungsgrundlage verbindlich werden. Dann werden die KTW-, Beschichtungs- und Schmierstoffleitlinie zurückgezogen. Bis dahin gelten die Dokumente gleichzeitig. Für die Prüf- und Zertifizierungsstellen bedeutet das, dass sie Prüfzeugnisse sowohl nach den Leilinien als auch Konformitätsbestätigungen nach der Bewertungsgrundlage ausstellen können. Mit dem Tag des Rückziehens der Leitlinien werden die Prüfzeugnisse nach den Leitlinien dann aber ungültig.
Für alle Produkte, die nicht von der Bewertungsgrundlage erfasst werden, wie Silikone, Elastomere und TPE, können weiterhin Prüfzeugnisse ausgestellt werden. Auch das Ausstellen einer Konformitätsbestätigung entsprechend der UBA-Empfehlung ist möglich.
Allerdings ist für Silikone im Kontakt mit Trinkwasser eine eigene Übergangsempfehlung erforderlich. Dies liegt daran, dass die KTW-Leitlinie zurückgezogen wird, in der die Silikone bisher behandelt wurden. Bei den Erfordernissen für die Silikone wird auf die Anforderungen in der Elastomerleitlinie 14) verwiesen. Aktuell laufen die Arbeiten an einer eigenen, trinkwasserspezifischen Positivliste für Silikone. Die Übergangsempfehlung enthält den aktuellen Stand der vom UBA beurteilten Ausgangsstoffe für Silikone, wobei derzeit noch zusätzlich auf die Positivliste der BfR-Empfehlung XV verwiesen wird.
Was die Beurteilung der TPE im Kontakt mit Trinkwasser betrifft, wird die bestehende Übergangsregelung in den Verweisen auf akzeptierte Positivlisten aktualisiert. Mit der TPE-Empfehlung hat es erstmalig die Möglichkeit gegeben, diese Werkstoffgruppe als eigenständige organische Materialien zu beschreiben. Hierzu sind allerdings seitens der TPE-Hersteller noch weitergehende Informationen notwendig, um diese Empfehlung als eigene Gruppe in den Bewertungsgrundlagen aufzunehmen. Dies gilt insbesondere für vernetzte TPE.
Für die trinkwasserhygienische Beurteilung von Elastomeren kann weiterhin die Elastomerleitlinie mit ihren Ergänzungen 15) verwendet werden. Die Positivliste 16) zur Elastomerleitlinie wurde im Juli 2018 aktualisiert. Auch für die Elastomere im Trinkwasserkontakt ist die Implementierung in die Bewertungsgrundlage für organische Materialien geplant.
Um auch weiterhin ein breites Spektrum an hygienisch unbedenklichen Elastomerprodukten anbieten zu können, ist es allerdings erforderlich, vor allem für Vernetzungschemikalien und Alterungsschutzmittel seitens der Zulieferindustrie Stoffanträge nach den Regularien der Elastomerleitlinie beim Umweltbundesamt zu stellen.
1) EG-VO 1935/2004: https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2004:338:0004:0017:de:PDF
2) EU Trinkwasser-RL: https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:1998:330:0032:0054:DE:PDF%20
3) Entwurf EU Trinkwasser-RL: https://eur-lex. europa.eu/resource.html?uri=cellar:8c5065b2-074f-11e8-b8f5-01aa75ed71a1.0022.02/DOC_1&format=PDF
4) Anhänge zum Entwurf der EU-Trinkwasser-RL: https://eur-lex.europa.eu/resource.html?uri=cellar:8c5065b2-074f-11e8-b8f5-01aa75ed71a1.0022.02
/DOC_2&format=PDF
5) Interinstitutionelles Dossier 2017/0332(COD): https://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-6876-2019-REV-1/de/pdf
6) Trinkwasserverordnung: http://www.gesetze-im-internet.de/trinkwv_2001/TrinkwV.pdf
7) Infektionsschutzgesetz: http://www.gesetze-im-internet.de/ifsg/IfSG.pdf
8) Bewertungsgrundlage: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/374/dokumente
bewertungsgrundlage_fuer_kunststoffe_und_andere_organische_materialien.pdf
9) Polymerspezifische Anlage: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/374/dokumente
/polymerspezifische_anlagen_der_bewertungsgrundlage_fuer_kunststoffe_und_andere_organische_materialien_0.pdf
10) Übergangsregelung: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/374/dokumente/uebergangsregelung_ktw-bwgl_0.pdf
11) Silikon Übergangsempfehlung:https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/374/dokumente/silikon-uebergangsempfehlung.pdf
12) TPE Übergangsempfehlung: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/374/dokumente/tpe_uebergangsempfehlung_0.pdf
13) Konformitätsempfehlung: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/374/dokumente
empfehlung_zur_konformitaetsbestaetigung_der_trinkwasserhygienischen_eignung_von_produkten_0.pdf
14) Elastomerleitlinie: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/374/dokumente/20161010_elastomerleitlinie_korrigiert_2.pdf
15) Übergangsregelung Elastomerleitlinie: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/374/dokumente
/elastomerleitlinie_verlaengerte_uebergangsregelung_fuer_den_teil_2_der_positivliste_der_ausgangsstoffe.pdf
16) Aktualisierte Positivliste zur Elastomerleitlinie: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/374/dokumente
/aktualisierte_positivliste_zur_elastomerleitlinie.pdf