Großer Roboterarm bei der Entnahme von Gummi-Verbundteilen.

Detailansicht der automatisierten Entnahmesituation von Metall/Gummi-Verbundteilen, die der manuellen Handhabung wegen der geringen Größe und der Hochtemperaturumgebung natürliche Grenzen setzt. (Bild: LWB-Steinl)

Die Anfänge der Motzener Gummi- und Kunststoffverarbeitung in Mittenwalde/Motzen, rund 20 km südlich von Berlin, reichen bis in das Jahr 1931 zurück. In diesem Jahr gründete der Berliner Unternehmer Hermann Buchholz, einer der frühen Spritzgießpioniere, ein Zweigwerk des Berliner Bezet-Werk Hermann Buchholz in Mittenwalde/Motzen. Das Unternehmen hat eine wechselvolle Geschichte mit Krieg, Verstaatlichung und geglückter Wieder-Privatisierung überstanden. Auf 3.000 m² Produktionsfläche werden heute mit 65 Mitarbeitern auf 35 Spritzgießmaschinen Gummi-, Kunststoff- und Mehrkomponenten-Teilen produziert.

Welche Besonderheiten die Gummiteileproduktion mit sich bringt

Eine zunehmend knappe Ressource in der Produktion ist Personal. Bedienpersonal, das willens und in der Lage ist, die fordernden Arbeitsbedingungen in der Gummiteileproduktion in Kauf zu nehmen. Dies sind insbesondere die 150 bis 180 °C heißen Oberflächen der Spritzgießwerkzeuge, aus denen Formteile zu entnehmen oder in die meist vorgewärmte Metallteile einzulegen sind. Erschwerend kommt hinzu, dass viele produzierte Gummiteile entweder sehr groß oder sehr klein sind. Die sehr großen Formteile sind Spezial-O-Ringe oder Profildichtringe für Großmaschinen-Hydrauliken. Am anderen Ende der Größenskala liegen ebenfalls Dichtungen, hier jedoch im Zehntelgrammbereich für Elektro-Komponenten und Hydraulikventile. Beides erfordert einiges Manipulationsgeschick und Durchhaltevermögen während einer Acht-Stunden-Schicht.

Ablagerungen von Rückständen in den Formkavitäten reduzieren

Bevor es konkret um mögliche Lösungen für die Personalengpässe in der Produktion ging, waren es verfahrenstechnische Anliegen, deren Diskussion die Wege zu dem im bayerischen Altdorf ansässigen Maschinenbauer LWB Steinl ebneten. Es ging dabei um eine angestrebte bessere Plastifikatqualität der verarbeiteten Gummimischungen, konkret um die Reduktion der, auf den bestehenden Maschinen vorhandene Neigung zur Ablagerung von Rückständen in den Formkavitäten. Dies stand deshalb ganz oben auf der Agenda, weil die produzierten Groß-Dichtringe eine Brillanzoberfläche aufweisen müssen, um sich in den Dichtsitzen durch Adhäsion so fest zu fixieren, dass sie nicht verdreht oder verformt werden können. Materialrückstände auf den Kavitätenoberflächen sind kontraproduktiv und Reinigungsstopps in der Produktion immer wieder notwendig, was bei den teils großen Formen mit heißen Oberflächen eine deutliche Erschwernis darstellt. Dieses Problem sollte mit der Investition in eine neue Maschinentechnik abgestellt beziehungsweise minimiert werden. Die Empfehlung eines Materiallieferanten führte schließlich zu LWB Steinl. Umfangreiche Materialtests waren der nächste Schritt. Dabei konnten die LWB-spezifischen EFE-Plastifizier- und Spritzaggregate ihre Vorteile ausspielen. Insbesondere das der FIFO-Plastifizierung nachgelagerte Kolben-Einspritzaggregat stellt sicher, dass bei jedem Zyklus alles Material vollständig ausgeschoben wird. Dadurch ist kein Material mit einer längeren Verweilzeit vorhanden, das ansonsten beim nächsten Zyklus mitgenommen und eventuell in der Formkavität abgelagert würde. Als zusätzlicher positiver Effekt der EFE-Kolbeneinspritzung erwies sich dessen hohe Einspritzkonstanz, die im Vergleich mit der bisher vorhandenen Maschinenausrüstung den Prozentsatz unzureichend gefüllter oder überfüllter Formteile deutlich reduzierte.

So werden O-Ringe entnommen und geprüft

Folgend werden zwei Automatisierungsbeispiele näher betrachtet. Das erste demonstriert, wie ein Linear-Handling an einer vertikalen Spritzgießmaschine das Teilehandling trotz heißem Umfeld beschleunigt, konstanter macht und damit zur Qualitätserhöhung beiträgt. Aufgebaut wurde es an eine vertikale, von unten schließende C-Rahmen-Maschine vom Typ LWB-VCEFE 1000/1000 bc (bottom closing) mit 1.000 cm³ Spritzvolumen und 1.000 kN Schließkraft. Die Linearachse verfährt seitlich und ist am feststehenden oberen C-Rahmen-Ende montiert. Der Übernahmekopf des Handlings übernimmt mit 4 oder mehr Vakuumsaugern, je nach Durchmesser und Schnurdicke, den O-Ring und transferiert ihn seitlich zum Ablageort auf einem Förderband, das einen Kühltunnel durchläuft. Am Ende der Kühlstrecke befindet sich die Übernahmeposition durch den Bediener, der eine visuelle Kontrolle sowie gegebenenfalls eine notwendige Nacharbeit der nunmehr abgekühlten Teile übernimmt. Ein über die höhere Produktivität hinaus zusätzlich positiver Effekt der Integration von Maschine und Roboter zu einer in sich geschlossenen Produktionszelle ist der gegenüber einer konventionellen Maschine/Roboter-Konfiguration geringere Aufstellflächenbedarf, ein nicht zu vernachlässigender Kostenfaktor.

Zwei Männer vor einer großen Produktionszelle.
LWB-Verkaufstechniker Thomas Vodnansky (links) und Motzener-Geschäftsführer Matthias König vor der Produktionszelle auf Basis der von unten schließenden VCEFE 1000/1000 bc-Vertikalmaschine. (Bild: LWB-Steinl)

Robotergestütztes Mikro-Spritzgießen beispielhaft umgesetzt

Ein zweites Beispiel demonstriert die Handhabungs-Automatisierung an einer Maschine mit Mikroplastifizieraggregat. Eingesetzt wird sie zur Beschichtung eines zylindrischen Metallteiles mit einer 0,6 g schweren Scheibe aus FPM. Die Spritzgießmaschine der Produktionszelle ist eine VSRS 100 / 6 b mit 100 kN Schließkraft und 6 cm³ Spritzvolumen aus der Mikromaschinenbaureihe des Herstellers. Kombiniert ist sie mit einem 2-fach Einlege-Spritzgießwerkzeug und einem 6-Achs-Roboter als „Arbeiter“ zwischen der Spritzgießmaschine und den Peripherieeinrichtungen. Dort werden einerseits die mit einem Primer beschichteten Einlegeteile bereitgestellt und andererseits die Fertigteile und der Angussverteiler abgelegt. Die neue Spritzgießmaschine löst eine konventionelle Vertikalmaschine mit einem per Hand beschickten 8-fach-Werkzeug ab. Möglich wurde dies, weil das „Downsizing“ Materialanfahrverluste und Teilemanipulationszeiten deutlich verkürzte. „Im Vergleich mit der bisher eingesetzten konventionellen Vertikalmaschine mit dem 8-fach-Werkzeug fällt mit dem Mikrospritzaggregat nur mehr 100 g Anfahrverlust an, statt bisher 2 bis 3 kg teurer FPM-Mischung“, erklärt der Technologieleiter Matthias Purann. Ebenso deutlich fällt die Einsparung bei der Manipulationszeit aus, Purann ergänzt: „Beim 8-fach-Werkzeug hatten wir eine Manipulationszeit von rund drei Minuten. Sie war bestimmt durch die schwierige Handhabung der Teile mit klobigen Wärmeschutzhandschuhen. Als abzusehen war, dass sich der Entnahme-/Einlege-/Reinigungszyklus mit dem Roboter auf rund eine Minute verkürzen würde, haben wir uns entschieden, statt mit einem 8-fach nur noch mit einem 2-fach-Werkzeug zu arbeiten. Insbesondere, weil dies zusätzlich zur Zyklusverkürzung auch noch eine beträchtliche Materialeinsparung versprach. Denn anstatt einer neun Gramm schweren 8-fach-Angussspinne war nur mehr mit einem kleinen, ein Gramm schweren, 2-fach Angussverteiler zu kalkulieren.“ Und weiter: „So können nun trotz 25 % geringerer Ausstoßleistung mit dem kleineren Werkzeug in Summe 15 % mehr Teile aus der gleichen, teuren, Materialmenge hergestellt werden. Und dass ein 2-fach-Werkzeug kostengünstiger ist, als ein 8-fach-Werkzeug, versteht sich von selbst.“ Darüber hinaus wurde die Anlage so konzipiert, dass sie auch mit offener Schutztür und nach innen neben die Maschine transferiertem Bediendisplay ohne Roboter in normalem Handbedienmodus betrieben werden kann. „Messebesuche und Gespräche mit Kunststoffverarbeitern hatten uns das Effizienzpotenzial des Robotereinsatzes in der Teileproduktion bereits aufgezeigt. Ob das auch für die Gummiteileproduktion gelten würde, konnten wir noch nicht absehen. Erst die Gespräche mit den Spezialisten von LWB Steinl beseitigten die Zweifel. Und das Ergebnis kann sich sehen lassen. Es sind zwei große Schritte vorwärts, denen sicher noch weitere folgen werden“, fasst der Motzener-Geschäftsführer Matthias König das abgewickelte Modernisierungsprojekt zusammen.

Quelle: Motzener Kunststoff- und Gummiverarbeitung

Quelle: LWB Steinl

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