Dr. Michael Wendt, Präsident des WDK, bei der Eröffnung der Veranstaltung.

Dr. Michael Wendt, Präsident des WDK, bei der Eröffnung der Veranstaltung. (Bild: Redaktion KGK)

Dr. Michael Wendt, Präsident des WDK hat den Tag der Kautschuktechnologie 2023 eröffnet. In seiner Rede wies er darauf hin, dass aufgrund der aktuellen Herausforderungen der Dialog mit und auf allen Ebenen wichtig sei, denn einfache Lösungen gäbe es nicht. Die aktuelle Ausgestaltung durch den Gesetzgeber gleiche einem Hindernisparcours. Der PFAS-Beschränkungsvorschlag, der keine Einzelstoffbewertung vorsieht, sei eines davon. Wie erreicht die Kautschukbranche das Jahr 2030 bei den aktuellen Energiepreisen, wenn andere Regionen mit besseren Standortbedingungen locken? „Wir haben Power“, so Wendt, „aber dafür benötigen wir viel Energie! Bezahlbare Energie in Form einer Strompreisbremse, sowie Wertschätzung für unsere Wertschöpfung!“ 90 % der Innovationskraft komme aus der Wirtschaft. Um Ideen umzusetzen, müssten Planungs- und Genehmigungsverfahren modernisiert, entbürokratisiert, digitalisiert und verkürzt werden, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, so sein Appell an die Politik.

Politik will Deindustrialisierung Deutschlands verhindern

„Wir haben eine neue Deutschland-Geschwindigkeit, die beim Bau der sechs LNG-Terminals unter Beweis gestellt wurde, erreicht“, so Tilman Kuban, MdB der CDU. Wichtig sei es, die Wirtschaft zu stärken und die Deindustrialisierung des Landes zu verhindern. Aktuell sei der China-Taiwan-Konflikt der weiße Elefant im Raum. Deshalb sei die neue Chinastrategie „Derisking“, denn Deutschland ist abhängig von China, China jedoch weitgehend unabhängig von seinen weltweiten Partnern. Aus diesem Grund sei es notwendig neue Handelspartnerschaften zu initiieren. Diese werden derzeit mit Ländern wie Thailand, Indien, Neuseeland und Australien geknüpft, die große Lieferanten für Naturkautschuk sein könnten. „Da das Deutschland-Wachstum zu niedrig ist, wird eine angebotsorientierte Finanz- und Wirtschaftspolitik benötigt“, sagte Dr. Nils Weith, Abteilungsleiter im Bundesministerium der Finanzen. Die wirtschaftliche Substanz müsse vor Schäden bewahrt werden. Deshalb sei es wichtig, dass die Politik die Wirtschaft unterstütze, indem sie für Steuergerechtigkeit und dadurch für Wettbewerbsfähigkeit sorge. Denn derzeit sei Deutschland ein Hochsteuerland und im OECD-Vergleich ganz oben.

Ohne Bürokratieabbau geht es nicht

Mann im Anzug, Dr. Adam McCarthy vertritt die Belange der europäischen Kautschukindustrie in Brüssel.
Dr. Adam McCarthy vertritt die Belange der europäischen Kautschukindustrie in Brüssel. (Bild: Redaktion KGK)

Wie wettbewerbsfähig ist der Wirtschaftsstandort Deutschland? Der Beantwortung dieser Frage ging Professor Friedrich Heinemann, vom Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim in seinem Vortrag nach. Der seinen Ausführungen zugrunde liegende Index war im Jahr 2021 bei Familienunternehmen in 21 Ländern erhoben worden und die Resonanz war so hoch wie nie. Betrachtet werden die Felder Steuern, Arbeit, Regulierung, Finanzierung, Infrastruktur und Institutionen sowie Energie. Ob die hohe Steuerbelastung für Deutschland zuträglich ist, gilt es zu diskutieren, da Deutschland sowohl bei den Arbeitskosten und der Produktivität sowie beim Humankapital ganz hinten liegt. Die deutschen Schuldenquoten hingegen sind im internationalen Vergleich moderat, wodurch Deutschland hier auf Platz 1 liegt. Anders sieht es bei der Infrastruktur aus, denn trotz der höchsten Steuerlast besitzt Deutschland nicht die beste Infrastruktur, sondern liegt auf Rang 6 im Ländervergleich. Bereits vor dem Ukraine-Krieg lag Deutschland in den Punkten Versorgungssicherheit und Energiekosten auf Platz 18. Im Gesamtbild ist Deutschland unter den 21 betrachteten Ländern aufgrund des Reformstaus weiter abgerutscht – von Rang 14 auf 18, sodass es nicht mit den Topstandorten Nordamerika sowie den kleineren nord- und westeuropäischen Standorten mithalten kann. Der Verband ETRMA (European Tire & Rubber Manufacturers Association) möchte der Branche in Brüssel eine Stimme verleihen, war von Dr. Adam McCarthy, dem Generalsekretär des Verbandes zu erfahren. Die Schwerpunktthemen sind unter anderem die Mikropartikel, die durch den Reifen- und Bremsenabrieb entstehen und das Aufzeigen der technischen Grenzen, um deren Entstehung zu verhindern. Außerdem die chemische Regulierungspolitik hinsichtlich REACH und PFAS. Hier stehen Studien zu warum und wie werden die Chemikalien verwendet und benötigt im Vordergrund, denn die steigenden Regulierungen schaden der Industrie und stoppen Innovationen. Das Lieferkettengesetz für die Anwendung auf Naturkautschuk ist ebenfalls Thema, da es für diesen Rohstoff aufgrund der komplexen Kette nur sehr schwierig abbildbar sei.

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Gemeinschaft ist Zukunft!

Fünf Menschen an einem Podiumspult sitzend, Maria Röttger, Dr. Torsten Bremer, Dr. Michael Wendt, Dr. André Weisz und Peter Cöllen (v.l.) sprachen auf dem Podium zum Thema „Gemeinschaft ist Zukunft!“
Maria Röttger, Dr. Torsten Bremer, Dr. Michael Wendt, Dr. André Weisz und Peter Cöllen (v.l.) sprachen auf dem Podium zum Thema „Gemeinschaft ist Zukunft!“ (Bild: Redaktion KGK)

Der Tag der Kautschuktechnik 2023 wurde mit einer Podiumsdiskussion des Präsidiums des Verbandes abgerundet. Michael Wendt leitete die Runde, an der die Vize-Präsidentin Maria Röttger und die Vize-Präsidenten Peter Cöllen, Dr. André Weisz und Dr. Torsten Bremer teilnahmen. Die Automobilindustrie reduziert ihre Produktion in Deutschland und Europa. Was bedeutet das für den Standort? Die heimische Zuliefererindustrie hat vor 10 Jahren für 5,6 Mio. Fahrzeuge, zuletzt noch 3,6 Mio. produziert. Der überproportionale Export wurde durch lokale Fertigungsstandorte ersetzt, sodass in Deutschland die Produktion heruntergefahren wurde. „Die Branche hat heute eine Unterauslastung von mindestens 30 %“, so Dr. Torsten Bremer. Weiterhin prognostizierte er, dass die heimische Produktion nicht mehr über 4 Mio. Fahrzeuge steigen wird, denn auch die Rahmenbedingungen sind dafür nicht dienlich. Hierzu ergänzt Dr. André Weisz, dass die Zahl der Beschäftigten in der Kautschukindustrie in den vergangenen Jahren zurückgegangen sei, ebenso Investitionen im Inland. Dennoch sieht er eine Chance diese Tendenz aufzuhalten, denn es gibt weltweit 3.400 Hidden Champions, von denen 1.600 in Deutschland sitzen. „Wenn wir diese Kraft, das Know-how, gekoppelt mit einer stabilen politischen und finanzpolitischen Situation, nutzen, um in Schieflage geratene Dinge reparieren zu können, dann kann der Standort Deutschland weiter bestehen. Mit einem ‚Weiter so‘ wird es nicht gehen!“, ist Weisz überzeugt. Peter Cöllen, sieht aufgrund der EU-Taxonomie die mittelständischen Eigentümerunternehmer als „schrumpfende Spezies“ in der Industrie. Die Kreditvergabe regionaler Banken erfolgt zwischenzeitlich differenziert. Dr. Bremer sieht die in Brüssel beschlossenen Stoffregulierungen als weitere Hürde, denn ein Ersatz sei nicht über Nacht zu schaffen. Langlebigkeit, Produktqualität, Umweltverträglichkeit der Ersatzstoffe müssen überprüft werden, sodass sich Zulieferer von der Versorgung zurückziehen werden. Cöllen ergänzt, dass die chemische Industrie unterstützen muss, da der Mittelstand die Kapazitäten nicht hat, um die Themen zu bedienen. Die zum Abschluss diskutierte Frage zielte auf die Rezyklierbarkeit von Reifen ab. Dr. André Weisz sieht für eine Kreislaufwirtschaft in der Reifenindustrie drei Ansatzpunkte: 1. den Primärrohstoff. Welche Rohstoffe werden für die Herstellung eingesetzt? Hier sei die Branche bestrebt, fossile Füllstoffe durch Abfallstoffe wie Reishülsenasche zu ersetzen. 2. die Sekundärrohstoffe. Verworfene Reifen werden wieder in ihre Bestandteile zerlegt. Ein kleiner Teil kann wieder in Reifen und der Rest für andere Dinge wie den Straßenbau eingesetzt werden, wobei es hier noch regulatorische Hürden gäbe. 3. Reifennutzung optimieren. Runderneuerung, Verschleißteil (= Lauffläche) wird erneuert und der Rest wiederverwendet. Alle Maßnahmen verringern den ökologischen Einfluss eines Reifens. Maria Röttger stellt die Mobilität der Zukunft an den Anfang ihrer Ausführungen. Die Vermeidung des Straßenverkehrs wird ein Teil zukünftiger Mobilität sein und damit ein verringerter Bedarf an Reifen. Die Runderneuerung und die Kreislaufwirtschaft spielen deshalb eine wichtige Rolle, denn hier können neue Geschäftsmodelle und neue Arbeitsplätze entstehen. „Altreifen werden zum Rohstoff, für den Unternehmen bereit sind Geld zu bezahlen“, ist Röttger überzeugt. WDK-Präsident Michael Wendt schloss mit den Worten: „Wir sollten nicht nur meckern und den Kopf in den Sand stecken, sondern die Sache in die Hand nehmen, um die Zukunft zu sichern.“

Quelle: WDK

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