Zwei Schemenbilder nebeneinander bunt.

Bild 1: PP mit verschiedenen Reversacol-Farbstoffen unbelichtet -> (Sonnen-) belichtet. (Bild: TITK e. V., Rudolstadt)

Grafik mit schwarzen Linien.
Bild 2: Thermochrome Farbstoffe (2 %) in verschiedenen Harzen – Abfall des Farbumschlags nach UV-Alterung; Prüfung nach [16,20]. (Bild: TITK e.V., Rudolstadt)

1. Einleitung
Spontane Farbwechsel fesseln immer die Aufmerksamkeit, vor allem dann, wenn sie intrinsisch im Werkstoff verankert sind, reversibel verlaufen und keiner elektronischen Peripherie bedürfen. Bekannteste und eindrucksvollste Phänomene sind die Thermochromie – der Farbwechsel nach Einwirkung von Wärme – und die Photochromie – der Farbwechsel nach Einfall von kurzwelligem Licht (im Allgemeinen UV, siehe Bild 1). Vor allem für Polymere, also Kunststoffe, Textilien und Beschichtungen jeglicher Art, bieten solche Reaktionen ein beträchtliches Potential [1,2]. Wird über die Integration derartiger Effekte in ein Bauteil gesprochen, so stehen sofort die Fragen: „Wie kommt der Farbwechsel in das Produkt?“ und „Welches Leistungsvermögen/welche Qualität kann erwartet werden?“
Hersteller und Lieferanten der entsprechenden Farbstoffe können zu diesen Fragen nur bedingt beitragen, da deren Beantwortung von den konkreten Herstellungsprozessen und vom Einsatz abhängt. Notwendig ist immer ein gesamtheitlicher, konzeptioneller Ansatz zu all diesen Aspekten. Ein solcher Ansatz wurde in den hier zusammengefassten Untersuchungen verfolgt [3].

2. Thermochrome Kunststoffe
2.1 Thermochrome Farbstoffe
Es gibt eine ganze Reihe von anorganischen Substanzen, die sich thermochrom verhalten [4]. Wegen ihrer toxikologischen Eigenschaften, aber auch wegen ihrer Inkompatibilität mit Kunststoffen, erscheinen sie für die Praxis ungeeignet [5]. Unter den organischen Verbindungen sind auswählte Spiro-Strukturen [6-8] hervorzuheben (die häufig auch Photochromie zeigen, siehe unten), daneben Schiffsche Basen von Salicyl-Derivaten sowie bestimmte Kronenether, weiterhin auch intrinsisch thermochrome Kunststoffe (Polymere mit durchgehend konjugierter Struktur). Diese Substanzen erlangten aus verschiedenen Gründen bisher keine wirtschaftliche Bedeutung.

Technisch wichtig sind Flüssigkristalle und Leukofarbstoffe:
Bei Flüssigkristallen, insbesondere bei cholesterischen Systemen mit Helix-Überstrukturen, führen Temperaturänderungen zu Absorptions- beziehungsweise Streuungserscheinungen; Ursache ist, dass sich die molekularen Abstände in der Helixstruktur (um 0,1 bis 1 %/K [9]) und damit die reflektierten/gestreuten Wellenlängen verschieben. Beobachtet werden hier Verfärbungen in einem diskreten, engen Temperaturbereich. Beschichtungen mit derartigen Substanzen führen zu interessanten Effekten [3]. Für Kunststoffprodukte sind diese Systeme allerdings weniger geeignet: Sie bedingen einen wässrigen Beschichtungsprozess, und der Farbwechsel tritt eben nur innerhalb eines engen Temperaturfensters auf (Anwendung Thermometer). Für die Praxis interessanter erscheinen Leukofarbstoffe. Typische Beispiele sind Triphenylmethan- oder Fluoran-Derivate, deren Lactonring sich zu einem zwitterionischen konjugierten System öffnen lässt [10]. Zusätzlich bedarf es zum Farbwechsel des Leukofarbstoff (= Elektronendonator) eines „Entwicklers“ (= Elektronenakzeptor) [11]; für technische thermochrome Systeme hatte sich als „Entwickler“ Bisphenol A durchgesetzt, inzwischen gibt es auch unproblematische Alternativen auf dem Markt. Die kommerziell verfügbaren thermochromen Pigmente bestehen aus dem System Leukofarbstoff/Entwickler in einem geeigneten Lösungsmittel. Der Farbumschlag tritt beim Übergang fest/flüssig auf: farbig unterhalb einer bestimmten Temperatur im festen Zustand, farblos oberhalb im flüssigen Bereich. Ursache ist die Ablösung des Entwicklers vom Farbstoff in der Schmelze; die offene, farbige Form des Farbstoffs ist dann nicht mehr stabilisiert. Wegen der Vielfalt der Leukofarbstoffe und der möglichen Lösungsmittel (längerkettige Alkohole, Säuren und Alkylamide) sind nahezu alle Farbumschläge in einem weiten Temperaturbereich machbar. Wichtige Anwendungen sind Thermodruck-Papier und Thermographie [11].

2.2 Thermochrome Thermoplaste
Wegen der thermischen Sensibilität der Farbstoffe (siehe unten) kommen nur Kunststoffe mit niedrigem Schmelzpunkt in Betracht .
Kommerzielle, mikrogekapselte Leukofarbstoffsysteme lassen sich (über Batches) in Polypropylen eincompoundieren und führen – in Abhängigkeit der Konzentration – zu intensiven Farbumschlägen:


  • Dabei immer im Auge zu behalten sind Scherbelastung und Verarbeitungstemperatur; bereits unterhalb 200 °C werden Dämpfe beobachtet, die auf eine Schädigung der Kapselung hindeuten.
  • Der Umschlag erfolgt (bei den Temperaturen entsprechend Herstellerangabe) von farbig nach farblos. Bei höheren Farbstoffmengen führen die Pigmente auch im aktivierten Zustand zu einer gewissen Abdunkelung, eben durch ihre Konzentration.
  • Zu beachten sind auch eventuelle Unverträglichkeiten zwischen Farbstoffkapsel und Matrix; möglicherweise bietet der Hersteller hier gesonderte Batches an.
  • Thermische Alterung der Folien bei üblichen Gebrauchstemperaturen verschlechtert den Farbumschlag nicht.
  • Die Beständigkeit gegen UV-Strahlung ist jedoch äußerst niedrig [3].

Wie bereits angedeutet, verläuft bei den kommerziellen Leukopigmenten der Umschlag von farbig nach farblos. Vom Design her interessanter wäre natürlich der umgekehrte Effekt „farblos -> farbig“; farbig“; dafür steht am Markt jedoch kein Produkt zur Verfügung.
Eine Alternative ist der coloristische Effekt hinter/mit einer zweiten Farbe. Geeignet scheint hier vor allem eine Kombination „Grundfärbung + thermochromer Farbstoff“ in einer Matrix, entsprechend der jeweils komplementären Farbmischung. Zu weniger spektakulären Umschlägen führen die Konfektion von thermochromen mit konventionell eingefärbten Folien oder die Beschichtung von Dekoren mit thermochromen Folien [3]. Ein anderer Ansatz wäre des Design mit thermochromen Fäden. Wie sich zeigte, bedarf es sehr hoher Konzentrationen an Farbstoff, um an dünnen Gebilden die Effekte herauszuheben. Daneben stört beim Schmelzspinnen die Scherempfindlichkeit der Pigmente [3].
Andere, in der Praxis wichtige Thermoplaste mit niedrigen Schmelztemperaturen sind ABS und PVC sowie Vertreter aus der großen Gruppe der Elastomere (TPE). Auch diese Kunststoffe lassen sich grundsätzlich mit thermochromen Farbstoffen compoundieren. Bei den TPE fällt auf, dass, verglichen mit PP, weit mehr thermochromes Pigment für adäquate Farbwechsel notwendig ist, und dass nach einigen Tagen deutliche Ausblühungen durch migrierende Substanzen auftreten. Die technischen Polyamide PA 6 und PA 6.6 sowie Polyester PET sollten wegen ihrer Verarbeitungsfenster von weit über 200 °C von vornherein ausscheiden, was sich in orientierenden Tests auch bestätigte [3]. Unabhängig ihres Typs vereint alle thermochromen Thermoplaste die völlig unzureichende UV-Beständigkeit; der Farbumschlag verliert sich bereits nach wenigen Stunden Sonneneinstrahlung! Zur Verbesserung der Situation liegt der Einsatz von UV-Stabilisatoren nahe, vor allem aus der Gruppe der UV-Absorber. Ein umfangreiches Screening sehr vieler Alterungsschutzmittel führte jedoch zu ernüchternden Ergebnissen: Mit einigen UV-Absorbern beziehungsweisen deren Kombinationen ließen sich zwar tendenzielle Verbesserungen erzielen, aber in keinem Fall die UV-Beständigkeit signifikant steigern [3]! Damit beschränkt sich eine praktische Nutzung in Thermoplasten derzeit auf Accessoires für den Indoor-Bereich.

2.3 Thermochrome Harze

Liniendiagramm mit schwarzen Linien.
Bild 3: Photochromer Farbstoff Reversacol Palatinate Purple in PP und in Elastollan L1185 A12 – Abfall des Farbumschlags nach UV-Alterung in Abhängigkeit der Farbstoffkonzentration; Prüfung nach [16,20]. (Bild: TITK e.V., Rudolstadt)

Werden die Besonderheiten der Leukofarbstoff-Pigmente bedacht, so sollten Harze und Lacke als Träger von vornherein günstiger sein, da hier Temperatur- sowie Scherbelastungen weitgehend entfallen. Im technisch wichtigen Epoxidharz sind die erwarteten coloristischen Effekte zu beobachten, allerdings bei träger Relaxation und wiederum nur sehr geringer Widerstandsfähigkeit gegen UV-Strahlen.
Die Suche nach Harzen mit hohem Sonnenschutz führt zu Lacken aus dem Bootsbau. Ein solches Produkt wurde beschafft und mit Pigmenten getestet: Bootslack eignet sich zwar sehr gut als thermochrome Matrix; einen besondere Lichtechtheit bietet er jedoch nicht [3]. Bei den Untersuchungen kristallisierte sich ein Produkt heraus, das eine überraschenden Schutz gegen UV-Schädigung bietet: das Domingharz Suracer 4460 der Firma Surachemicals [12]. Schon als oberflächlicher Auftrag auf thermochrome (thermoplastische) Compounds bewirkt es interessante Effekte. Werden thermochromen Pigmente direkt in dieses Harz eingemischt, so fällt die hohe UV-Beständigkeit auf, gepaart mit einem intensiven Farbwechsel: Verblasst bei den bisher genannten Matrices die Farbe bereits nach wenigen Stunden intensiver UV-Einstrahlung (Xenotest), so verbessert sich die Situation mit dem oben genannten Domingharz um den Faktor 10 bis 20 (Bild 2). Freiheitsgrade für die UV-Beständigkeit sind die Art des thermochromen Pigments, dessen Konzentration sowie die Schichtdicke des Lacks [3].

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3. Photochrome Kunststoffe 3.1 Photochrome Farbstoffe

Liniendiagramm mit schwarzen Linien.
Bild 4: Photochromer Farbstoff Reversacol Palatinate Purple (0,1 %) in Elastollan L1185 A12 – Abfall des Farbumschlags nach UV-Alterung in Abhängigkeit der Schichtdicke; Prüfung nach [16,20]. (Bild: TITK e.V., Rudolstadt)

Photochromie ist der reversible Farbwechsel nach Einfall von kurzwelligem Licht, in der Regel von UV-Licht. Üblich als technische Anwendung sind photochrome Farbstoffe, eingebracht in eine (polymere) Matrix. Seit Jahrzehnten wurden und werden immer wieder neuartige Verbindungen entdeckt bzw. gezielt synthetisiert. Die aus technischer Sicht im Moment wichtigsten Strukturen photochromer Farbstoffe sind die Benzo- und Naphthopyrane (Chromene) sowie die Naphthoxazine. Sie zeichnen sich durch coloristische Vielfalt und eine vergleichsweise hohe Lebensdauer der Farbumschläge aus [8,13]. Da sich farbige und farblose Form der genannten photochromen Pigmente in ihrer Polarität und auch in ihrer Struktur signifikant unterscheiden, überrascht nicht, dass die (polymere) Mikroumgebung der Farbstoffe deren Funktionalität beeinflusst [8,14]: Das farbige Molekül ist, im Gegensatz zur farblosen Form, weitgehend planar; die UV-Einstrahlung bewirkt also einen echten strukturellen Wechsel. Deshalb benötigt die photochrome Reaktion einen hinreichend freien Raum. Dies wiederum führt zu einer Korrelation zwischen der Kristallinität der Matrix und dem photochromen Verhalten. Weiterhin unterscheiden sich farblose und farbige Zustände bei der internen Ladungsverteilung. Entsprechend begünstigen unpolare Polymere wie Polyolefine eher den unpolaren (im Allgemeinen farblosen) Zustand des Farbstoffs, polare Matrices eher die polarisierte Form (im Allgemeinen den farbigen Zustand); dies spiegelt sich in der Eigenfärbung des unbelichteten Kunststoffs wider [1,15-17]. Bei den kommerziell verfügbaren photochromen Farbstoffen handelt es sich um wasserunlösliche Pigmente. Für die Textilveredlung verbietet sich damit ein direkter Einsatz. Dennoch können über technologische Anpassungen mittels Ausziehfärbungen photochrome Polyamid- und Polyesterfasern hergestellt werden [1,15,18]. Nachteilig ist hier der hohe Farbstoffverlust. Dagegen lassen sich über die Stufen „Compoundieren der Pigmente zu einem thermoplastischen Batch -> Verspinnen/Extrusion/Spritzguss dieser Batches mit thermoplastischem Granulat“ photochrome Fasern, Folien und Formteile in breiter Vielfalt produzieren [16,18-21] (siehe unten). Auch mit Harzen und Beschichtungen entstehen interessante Effekte [17,21]. Nebenreaktionen beeinflussen den Farbwechsel und schwächen die coloristische Intensität ab. Dieses Phänomen wird als Fatigue bezeichnet. Hauptursache des Fatigues ist das UV-Licht; thermische Belastungen bei Gebrauchstemperaturen spielen eine geringere Rolle [16,21,22]. Somit beruhen sowohl die Triebkraft als auch die Schädigung des Farbumschlags auf der UV-Einstrahlung. Die Hersteller versuchen, über Optimierungen der Farbstoffe das Leben der Photochromie soweit zu verlängern, wie es von „normalen“ Färbungen bekannt ist [13]. Doch trotz all dieser Bemühungen ist die Haltbarkeit üblicher photochromer Systeme für hochwertige, langlebige Produkte noch immer viel zu niedrig [3].

3.2 Photochrome Thermoplaste

Zwei quadratische farbige Bilder neben einander.
Bild 6: Digitaldruck auf photochromer TPU-Folie unbelichtet -> belichtet. (Bild: TITK e.V., Rudolstadt)
  • Polyolefine verhalten sich hinsichtlich photochromer Funktionalisierung sehr günstig [13,16,19-21], vor allem wegen ihrer geringen Polarität und der niedrigen Schmelzpunkte. Eine wichtige Rolle dürfte auch die (verglichen etwa mit Polyamid und Polyester) geringere Kristallinität spielen. Das kommerziell bekannteste Sortiment an photochromen Pigmenten sind die Reversacole, vertrieben durch die Firma Grolman. PP zeigt mit diesen Produkten ausgezeichnete Farbumschläge (beispielhaft in Bild 1); die Kinetik von Farbwechsel und Relaxation hängt dabei vom jeweiligen Farbstoff ab. Mit wachsender Konzentration wächst die Intensität des Farbumschlags zunächst an, was sich auch auf die Relaxation auswirkt, aber in allen Fällen gehen die Verfärbungen vollständig zurück. Ab einem bestimmten Gehalt wird keine weitere Intensivierung der Farbumschläge beobachtet. Bei den Reversacol-Pigmenten liegt diese Größenordnung bei etwa 0,2 %; je nach Farbstoff lassen sich (in PP) ∆E-Niveaus von bis zu 80 bis 100 erreichen [3]. Gegenüber thermischer Alterung bei üblichen Gebrauchstemperaturen bleibt die Photochromie stabil. Bei UV-Alterung sind tendenzielle Unterschiede zwischen den Reversacol-Typen erkennbar. Dabei lässt sich ein Bezug zur jeweiligen Grundstruktur der Farbstoffe finden [16,17,20,21]. Diese Unterschiede nivellieren sich allerdings bei längerer Belichtung – wie auch bei den thermochromen Systemen führen schon wenige Stunden UV-Alterung (im Xenotest) zu einem weitgehenden Verlust der Photochromie. Das Fatigue hängt maßgeblich von der Farbstoffkonzentration ab: Mit wachsendem Gehalt verblasst, genau wie bei der Lichtechtheit „normaler“ Färbungen, die Intensität des Farbumschlags langsamer. Die Ursachen dürften darin zu suchen sein, dass bei höheren Konzentrationen
  • nach einer bestimmten Bestrahlungsdauer einfach mehr nicht-geschädigte Farbstoffmoleküle existieren und/oder
  • die Farbstoffmoleküle sich durch die ihre Eigenabsorption gegenseitig vor der UV-Strahlung abschirmen.
    Aus sicher den gleichen Gründen ist die UV-Beständigkeit einer dünnen Schicht photochromer Folie niedriger als die einer dickeren Platte [3].


Weitere wichtige thermoplastische Polymere sind Polyamid und Polyester. Für die hoch schmelzenden Typen PA 6, PA 6.6 und PET bleiben zur Integra-tion nur

  • Thermosol-Prozesse, die – wie eigene Arbeiten [18,19,22] zeigten – grundsätzlich mit allen Polyamiden und Polyestern funktionieren, allerdings bei geringer Ausbeute,
  • Ausziehfärbungen, die zu interessanten photochromen Systemen führen [18], die aber angesichts der Aufmachung der derzeit verfügbaren Farbstoffe (als unlösliche Pigmente) und der ebenfalls unvollständigen Ausnutzung kaum interessant sind,
  • Beschichtungsverfahren, die sich gut eignen, aber besondere Farbstoffvorbereitungen erfordern [19-21].


Ein Werkstoff, der bei unkritischer Temperatur schmilzt und in den Eigenschaften dennoch den technischen Polyamiden nahekommt, ist PA 12. Dieses Polymer lässt sich über Compoundier- und Spinnprozesse photochrom ausrüsten. Allerdings wird nur mit wenigen Farbstoffe eine hinreichende Photochromie erzielt. Hier wird wieder der in [16,20,21] diskutierte Zusammenhang zwischen Farbumschlag und polymerer Matrix sichtbar. Werden die Proben durch UV-Belichtung im Xenotest gealtert, so fällt die Photochromie auch bei PA 12 ab, jedoch moderater als bei analogen PP-Folien [3]. Ein Polyester mit hohem werkstofflichen Niveau, aber noch relativ niedrigem Schmelzpunkt ist Polybutylenterephthalat PBT. Hier wird ebenfalls mit nur wenigen Farbstoffen und auch dort nur bei relativ hohen Konzentrationen eine auffällige Photochromie beobachtet; die Relaxation verläuft deutlich langsamer als bei PP, die UV-Beständigkeit liegt ähnlich schlecht. In ABS muss weit mehr Farbstoff als bei PP eingearbeitet werden, um intensive Farbumschläge zu erzielen. Mit diesen hohen Konzentrationen lässt sich das – ebenfalls im Vergleich zum PP – etwas bessere Verhalten bei UV-Alterung begründen.

Kurvendiagramm mit schwarzen Lienien.
Bild 5: Photochromer Farbstoff Reversacol Palatinate Purple in verschiedenen Harzen – Abfall des Farbumschlags nach UV-Alterung in Abhängigkeit der Konzentration; Prüfung nach [16,20]. (Bild: TITK e.V., Rudolstadt)

Ergebnis der Arbeiten mit PVC war, dass in dieser hochpolaren Matrix die meisten photochromen Pigmente zu überhaupt keinem Farbumschlag führen, bei wiederum geringer UV-Beständigkeit. Aus früheren Arbeiten [20,21] war bekannt, dass mit ausgewählten Alterungsschutzmitteln die UV-Beständigkeit von photochrom dotiertem PP positiv beeinflusst werden kann. Dieser Gedanke wurde noch einmal in breitem Umfang verfolgt, sowohl an PP als auch an ABS, mit allerdings nur geringem Erfolg: Trotz UV-Stabilisierung verbleicht der photochrome Farbumschlag innerhalb weniger Stunden [3]. Dies gilt sowohl für die direkte Integration der Alterungsschutzmittel als auch für den Ansatz „Mehrschichtfolie“. Weiterhin interessant sind die Thermoplastischen Elastomere TPE. Entsprechend der strukturellen Vielfalt dieser Werkstoffgruppe bewirken die Reversacol-Pigmente unterschiedliche, zum Teil tiefe Farbumschläge, wobei die UV-Beständigkeit auch hier niedrig liegt – bis auf die Ausnahme des speziellen TPU-Typs Elastollan L1185 A12 der Firma BASF [23] in Kombination mit ausgewählten Reversacol-Farbstoffen [3]: Bild 3 und 4 zeigen, dass ein solcher Compound signifikant stabiler gegenüber UV-Alterung ist, wobei die Widerstandsfähigkeit erwartungsgemäß mit der Farbstoffkonzentration und der Schichtdicke anwächst.

3.3 Photochrome Harze
Untersuchungen mit verschiedenen photochromen Farbstoffen zeigten, dass Epoxidharz als Matrix für die getesteten Pigmente nicht geeignet ist. Ursachen sind vermutlich die Polarität (die Reversacol-Farbstoffe Palatinate Purple und Aqua Green verfärben sich bereits beim Einrühren!) und die hohe Steifigkeit des Epoxids. Bootslack verhält sich hier günstiger, verhindert aber nicht den raschen Abbau des Farbwechsels. Mit anderen Duromeren aus dem Compositebereich (Polyester-Gießharz, Polyurethan-Schaum) wurden überhaupt keine Farbumschläge [3] beobachtet. Das Domingharz Suracer 4460 fiel bereits im Zusammenhang mit den thermochromen Farbstoffe auf (Bild 2). Tatsächlich hebt es sich auch für photochrome Systeme ab: Zwar können nur wenige Pigmente ihre Funktionalität in Suracer 4460 entfalten (hohe Polarität dieser Matrix), aber mit den Reversacol-Farbstoffen Midnight Grey und Palatinate Purple werden eine gute photochrome Performance bei deutlich verbesserter UV-Alterung erzielt – wiederum in Abhängigkeit von Farbstoffkonzentration und Schichtdicke [3]. Bild 5 fasst einige Ergebnisse für Palatinate Purple zusammen.
Dieses Harz eignet sich (in reiner Form) auch als UV-Schutzlack auf photochromen Kunststoffen.

4. Zusammenfassung und Ausblick

Auf dem Markt ist eine ganzes Spektrum an thermochromen und photochromen Pigmenten verfügbar. Deren Hersteller versprechen eine breite Vielfalt an coloristischen Effekten. Häufig fällt die praktische Umsetzung jedoch ernüchternd aus: Materialien und Prozesse passen mitunter nicht zueinander, und die Qualität der Farbwechsel bleibt oft hinter den Erwartungen zurück, insbesondere beim wichtigen Parameter Lichtbeständigkeit. Vor diesem Hintergrund wurden umfangreiche Untersuchungen zur Machbarkeit derartiger Produkte durchgeführt, wobei die Werkstoffe, Prozesse und Kriterien des Automobil-Interieurs im Mittelpunkt standen [3]. Zur thermochromen Funktionalität ließ sich zeigen, dass kommerzielle Leukofarbstoffe ein breites Spektrum – sowohl vom Temperaturbereich her als auch aus coloristischer Sicht – an Farbwechseln bieten. Harze eigenen sich dafür besser als Thermoplaste. Die Farbveränderungen bleiben auch nach thermischer (Wechsel-)Belastung über lange Zeit stabil, sind aber sehr empfindlich gegenüber Sonnenlicht. Mit UV-Stabilisatoren lässt sich das Verbleichen nur tendenziell aufhalten; bessere Ergebnisse erzielen spezielle UV-Schutzlack. Für die industrielle Umsetzung sei der Lack Suracer 4460 herausgehoben: Bei Auswahl geeigneter Farbstoffe wird mit diesem Harz eine UV-Beständigkeit erzielt, die auch harten Anforderungen, etwa denen des Auto-Interieurs, sehr nahekommt. Das System eignet sich sowohl für Beschichtungen als auch für den Siebdruck [3]. Für photochrome Systeme steht eine breite Palette an kommerziellen Farbstoffen zur Verfügung. Der Effekt dieser Pigmente (Farbumschlag, Relaxation) hängt maßgeblich von der jeweiligen polymeren Matrix ab. In Polyolefinen bieten die verfügbaren Farbstoffe ein großes Potential für intensive Umschläge aller Art. Allerdings zerstört auch hier schon eine kürzere Sonneneinstrahlung die Funktionalität (Fatigue). Ausgewählte UV-Stabilisatoren und UV-absorbierende Lacke führen nur zu tendenziellen Verbesserungen; die Widerstandsfähigkeit gegen Sonnenlicht wächst aber mit höheren Farbstoffkonzentrationen und mit der Schichtdicke. Eine gegenüber UV-Alterung herausragende Matrix ist das TPU Elastollan L1185 A12. Der Inkjet-Druck auf photochromen Folien oder Bauteilen bietet vielfältige Freiheiten beim Design (beispielhaft in Bild 6) [3]. Auch einige Harze lassen sich photochrom dotieren. Wiederum gilt, dass für jedes Harz der passende Farbstoff herauszufinden ist; wegen der Polarität der vernetzenden Kunststoffe treten nur bei mit wenigen Pigmenten hinreichend intensive Effekte auf. Eine sehr gute UV-Beständigkeit wird mit dem Lack Suracer 4460 erzielt. Wie angedeutet, bieten Farbwechsel, die durch Umwelteinflüsse ausgelöst werden, ein großes Potenzial für das Design von Werbeartikeln und von Gebrauchsgegenständen bis hin zum Interieur. Die weit interessantere Anwendung – vor allem der Photochromie – ist jedoch das Licht- und Wärmemanagement von Gebäuden, etwa in Form von Markisen, Jalousien oder Gardinen. Aber gerade diese Anwendung scheitert bisher vor allem daran, dass die Farbwechsel bei Sonneneinstrahlung viel zu schnell verblassen. Überraschenderweise wurden nun zwei Kunststoffe gefunden, die – mit ausgewählten Farbstoffen – eine weit höhere UV-Stabilität bieten, und zwar bei intensiven photochromen oder thermochromen Farbumschlägen. Zwar besteht auch bei diesen beiden Kunststoffen noch Entwicklungsbedarf, etwa zur Transparenz des funktionalisierten Kunststoffs und zur photochromen Gleichgewichts-verfärbung. Aber es konnten doch gezeigt werden, dass schon über die Matrix die Qualität von Photochromie/Thermochromie deutlich verbessert werden kann. Dies sollte dazu ermutigen, auch weiterhin in dieser Richtung zu arbeiten, um letztlich vor allem der Photochromie die Stellung in der Funktionalisierung von Kunststoffen zuzuweisen, die sie verdient.


Danksagung
Wir danken der EuroNorm GmbH für die finanzielle Förderung des Forschungsvorhabens 49MF190005, das als Fördermaßnahme des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klima im Rahmen der „FuE-Förderung gemeinnütziger externer Industrieforschungseinrichtungen– Innovationskompetenz“ INNO-KOM - Modul „Marktorientierte Forschung und Entwicklung“ erfolgte.


Literatur
[ 1] K. Bredereck, F. Effenberger, M. Frick, Textilveredlung 44 (5/6) (2009) 14 ,44 (7/8) (2009) 16, 45(5/6) (2010) 8, 45(7/8) (2010) 4.
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[ 5] A. Seeboth, D. Lötzsch, Thermochromic and Thermotropic Materials, Pan Stanford Publishing Pte. Ltd. 2014, Abschnitt 2.3.
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[ 7] Informationsmaterial Firma Vivimed (früher James Robinson) www.vivimed.com.
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[10] R. Muthyala, Chemistry and Applications of Leuco Dyes, Plenum Press New York, 1997
[11] A. Seeboth, D. Lötzsch, Thermochromic and Thermotropic Materials, Pan Stanford Publishing Pte. Ltd. 2014, Abschnitt 4.1.1.
[12] https://www.surachemicals.de/domingharze.
[13] https://www.grolman-group.com/products.
[14] V. Malatesta, Photodegradation of Organic Photochromes, in Organic Photochromic and Thermochromic Compounds Volume II: Physicochemical Studies, Biological Applications, and Thermochromism, Edited by J.C. Crano and R.J. Guglielmetti Plenum Press – New York and London 1999, 153-164.
[15] M. Frick, Photochrome Textilien – Herstellung und Eigenschaften, Dissertation Universität Stuttgart 2008.
[16] A. Nechwatal, M. Nicolai, Polymer Degradation and Stability 96 (2011) 1648.
[17] A. Klukowska, Switching Hybrid Polymers with Physically and Covalently Entrapped Organic Photochromes, Dissertation Universität Würzburg 2005.
[18] M. Nicolai, A. Nechwatal, Melliand Textilberichte 87 (2006) 345.
[19] A. Nechwatal, M. Nicolai, Technische Textilien 54(1) (2011) 22, Technical Textiles 54 (1) (2011) E27.
[20] M. Nicolai, A. Nechwatal, Textilplus 2 (5/6) (2013) 10.
[21] M. Nicolai, A. Nechwatal, Textilplus 2 (11/12) (2013) 11.
[22] A. Nechwatal, M. Nicolai, AATCC Review 15(1) (2015) 49.
[23] Thermoplastic Polyurethane Elastomers (TPU) Elastollan – Product Range, Informationsschrift BASF.

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