Bügel in rot einer Spritzgießmaschine.

Bild 1: Leichtbau C-Bügel des mobilen Spritzgießsystems Robin. (Bild: Alle Anybrid)

Durch zielgerichteten Einsatz von Hochleistungswerkstoffen ist es Anybrid, Dresden, gelungen, das sonst stationäre Spritzgießen mobil zu machen. Das Robotised Injection Moulding (Robin) kombiniert die Spritzgießmaschinentechnik mit klassischer Industrierobotik und ermöglicht so eine vollkommen neue Denkweise in der Kunststoffverarbeitung. So ist es etwa möglich thermoplastische Elastomere (TPE) sehr effizient direkt auf Werk-stücke verschiedener Materialien in der Produktionslinie aufzuspritzen. Dies erspart den erheblichen Aufwand für manuelle Fügeoperationen und führt gleichzeitig zu höheren Verbindungsfestigkeiten.
140 kg beträgt das Gesamtgewicht von Robin. Dadurch ist sie so leicht, dass sie ohne Probleme von klassischer Industrierobotik getragen und bewegt werden kann. Somit wird die eigentlich stationäre Spritzgießmaschine mobil und die Polymerverarbeitung kann an nahezu beliebiger Position im Raum stattfinden. Außerdem kann das System auch in der Extrusion oder Pultrusion integriert werden, sodass in der kontinuierlichen Produktionslinie direkt zusätzliche Elemente aufgespritzt werden können. Neben dem Funktionalisieren von Profilen ergeben sich insbesondere auch Vorteile für großformatige Bauteile, deren Handling besonders aufwendig ist. Generell ist der Einsatz keineswegs auf die klassische Kunststoffverarbeitung beschränkt. Auch Holz oder Metall können mit dem System überspritzt werden.
Herzstück der Anlagentechnik ist das Leichtbauschließsystem, welches Lasten von bis zu 120 kN aufnehmen kann (Bild 1). Charakteristisch ist die hohe Ausladung im Inneren des C-Bügels sowie das Verwenden von Carbonfasern als lasttragendes Medium. Das Anybrid-Team setzt dabei ebenfalls aus Leichtbaugründen auf ein schnecken-loses Kolbeninjektionssystem zur Plastifizierung aller gängigen thermoplastischen Granulate, mit dem ein Volumen von bis zu 38 cm³ in einem Zyklus verarbeitet werden kann.

Querschnitt durch das Innere einer Partikelschaumperle in zwei Vergrößerungen.
Bild 2: Querschnitt durch das Innere einer Partikelschaumperle in zwei Vergrößerungen. (Bild: Anybrid)

Was passiert, wenn Partikelschaum plastifiziert wird?

Die Technik eignet sich insbesondere für das An-, Auf- und Umspritzen von Werkstücken mit weichelastischen Kunststoffen, wie TPE. Die möglichen Anwendungen gehen dabei von Abstandshaltern, Puffern bis hin zu Dichtungen und Kantenabschlüssen. Durch maßgeschneiderte Materialkombination werden dabei Bauteile mit höherer Funktionalität in einem Prozessschritt geschaffen. Bislang sind in diversen Studien thermoplastische Elastomere an Polycarbonat (PC), Polypropylen (PP), Acrylnitril-Styrol-Acrylester (ASA) und Acryl-Butadien-Styrol (ABS) angespritzt worden. Das Verarbeiten zeigte sich hierbei unkompliziert und es konnte stets ein sehr gutes Anbinden ohne Vorbehandlung der Werkstücke erzielt werden. Weiterhin erfolgten Versuche mit Partikelschaum auf TPE-Basis, welche aktuell bei der Firma Allod Werkstoff, Burgbernheim, entwickelt werden. Es handelt sich hierbei um vorgeschäumte Granulate, welche in Formteilautomaten zu Partikelschaumbauteilen verarbeitet werden können. Bild 2 zeigt die Schaumstruktur einer Perle. Darüber hinaus können mit diesen Materialien im Spritzgießprozess geschäumte Bauteile hergestellt werden, ohne dass hierzu chemische oder physikalische Treibmittel und deren Anlagenperipherie erforderlich sind. Erste Versuche zeigen die grundsätzliche Verarbeitbarkeit mit dem Robin-System zu geschäumten Bauteilen mit Dichten bis zu 0,45 g/cm³. Die Schaumstruktur ist nach dem Spritzprozess im Inneren noch weitestgehend erhalten, während sich im Randbereich eine dünne geschlossene Schicht ausbildet. Besondere Eigenschaften der geschäumten Struktur sind die Dichtereduktion sowie eine angenehme Haptik.

Deshalb ist das Überspritzen von Holz interessant

Verschiedenen thermoplastischen Kunststoffen überspritzte Holzwerkstücke.
Bild 3: Mit verschiedenen thermoplastischen Kunststoffen überspritzte Holzwerkstücke (Bild: Anybrid)

Neben der Funktionalisierung von Kunststoffen oder Metall ist gerade das Überspritzen von Holz besonders interessant für vielfältige Anwendungen in der Möbel- oder Baubranche. Die meisten Holzwerkstoffe haben dabei naturgemäß eine Porosität in der Oberfläche, sodass der Kunststoff gut an der Oberfläche anbinden kann. Die Verbund-festigkeit wurde anhand von Abzugsversuchen validiert. Dazu wurden Kunststoffrippen auf Holzplatten aufgespritzt und mit einer dafür spezifischen Vorrichtung definiert abgezogen. Für verschiedene Holz und Kunststofftypen konnte somit der Nachweis einer idealen Verbindung erbracht werden. Die Bruchbilder zeigen das Ablösen der Holzoberfläche mit der Kunststoffrippe. Dies deutet darauf hin, dass die Verbindungsfläche zwischen Holz und Kunststoff keine Schwachstelle im Verbundsystem ist. Neben den verschiedenen TPE-Typen von Allod konnte Holz darüber hinaus erfolgreich mit TPU, PP und PA überspritzt werden (Bild 3). In weiteren Versuchen soll dies auf den Einsatz von Wood Polymer Composites (WPC) oder vollständig biobasierten Materialien übertragen werden. Das mobile Spritzgießen des sächsischen Unternehmens ist eine zukunftsorientierte Weiterentwicklung der Spritzgießtechnik und löst die sonst starre Denkweise der konventionellen Kunststoffverarbeitung auf. Insbesondere bei der Kombination von weich-elastischen Kunststoffen wie TPE mit unterschiedlichen Fügepartnern ergeben sich eine Reihe von potentiellen Anwendungen. Diese und weitere Ergebnisse werden auf der K Messe in Düsseldorf präsentiert.

Quelle: Anybrid, Dresden

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Allod

Steinacher Straße 3
91593 Burgbernheim
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