Führungskräfte sind sich den Herausforderungen ihrer Unternehmen bewusst: hohe Energiepreise, Fachkräftemangel, zunehmende Bürokratie oder eine sich verändernde Automobilindustrie. Und alle sind sich einig, dass Digitalisierung im Allgemeinen und KI im Speziellen, Lösungsansätze für diese Herausforderungen liefern. Doch es ist festzustellen, dass sich viele Unternehmen mit der Digitalisierung schwertun: Der digitale Wandel kennt nur noch das Mittendrin. In einer Zeit, in der Krisen häufiger auftreten und Branchen wie die Kautschukindustrie weiterhin mit Schwächen kämpfen, wird das Gefühl des Verpassens zunehmend zur Realität. Unternehmen müssen Wege finden, um in dieser sich schnell verändernden Umgebung nicht nur zu überleben, sondern aktiv zu gestalten. Die Vision der exponentiellen Organisation soll mittelständischen Unternehmen dabei helfen, die richtigen Schritte zu gehen.
Wie können Unternehmen Flexibilität und Skalierbarkeit sicherstellen?
Die schwere Vorhersagbarkeit der politischen, ökonomischen, ökologischen, sozialen und technologischen Faktoren sowie die Unsicherheit über das Verhalten von Wettbewerbern, Anwendern und Lieferanten spiegeln sich unter anderem in schwankenden Auftragsvolumina und kurzfristigen Stückzahländerungen wider. Das Vorhalten von Flexibilität bindet jedoch zumeist Ressourcen und birgt die Gefahr, dass die geplante Auslastung der Kapazitäten und damit die Wirtschaftlichkeitsziele nicht erreicht werden. Insbesondere in der fixkostenintensiven Kautschukindustrie wird die Herausforderung einer hohen Ressourcenauslastung bei zunehmender Volumenschwankung deutlich. Um nicht in die beschriebene „Auslastungsfalle“ zu geraten, reicht das Vorhalten von starren Kapazitäten nicht aus. Eine hohe Skalierbarkeit ist der Schlüsselfaktor. Die Vision der exponentiellen Organisation besteht darin, dass im Gegensatz zu linearen Organisationen der Umsatz nur in Teilbereichen mit der Mitarbeiterzahl gekoppelt ist. Zur Verdeutlichung werden die Zahlen des in den letzten Jahren schnell wachsenden Unternehmens Sartorius aus Göttingen herangezogen (Bild 1). Es ist zu erkennen, dass das Unternehmen Sartorius es durchaus geschafft hat, den Umsatz pro Mitarbeiter durch das rapide Umsatzwachstum bis zum Jahr 2022 zu steigern, doch die Mitarbeiterzahl korreliert wie in den meisten Unternehmen mit dem Umsatz.
Das kann zu einem Problem werden, wenn die Umsätze stagnieren oder gar rückläufig sind, wie im Jahr 2023. Mitarbeiter, insbesondere in indirekten Bereichen, gelten als quasi-fixe Kosten und sind nur schwierig wieder abzubauen. Idealerweise schaffen es Organisationen, ihre Prozesse nicht über die Mitarbeiter zu skalieren. Amazon macht es vor. Am Prime Day sind die Auftragseingänge bis zu 25 Mal höher als einem normalen Tag. In linearen Organisationen würde dies zu deutlich längeren Bearbeitungszeiten und im Resultat zu längeren Lieferzeiten führen, doch bei Amazon sind vor allem KI-Agenten im Einsatz, die das Arbeitsaufkommen bewältigen. Zusammengefasst: In linearen Organisationen müssen Mitarbeiter eingestellt werden, um hohen Workload zu erledigen oder es resultiert in langen Durchlaufzeiten. In exponentiellen Organisationen arbeiten KI-Agenten, deren Algorithmen mit hohem Workload noch besser werden. Die Durchlaufzeiten bleiben relativ stabil. Es leitet sich die Frage ab, wie es Unternehmen angehen können, die digitale Transformation hin zu exponentiellen Organisationen zu realisieren.
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Wie können mittelständische Unternehmen ihre Daten effizient nutzen?
Die meisten mittelständischen Unternehmen lassen sich heute im oben abgebildeten Stufenmodell den ersten beiden Positionen zuordnen (Bild 2). Sie nutzen ihre Daten in erster Linie, um Transparenz zu erzeugen und daten-basiert Entscheidungen zu treffen. Um sich zur dritten Position weiterzuentwickeln, muss die Datenqualität auf ein hinreichendes Niveau gebracht und an der Integration der ML-Algorithmen in den Geschäftsbetrieb gearbeitet werden. Dazu ist es erforderlich, dass relevante Daten auch außerhalb der Kernsysteme wie ERP, CAD oder CRM für Auswertungen und Algorithmen zugänglich gemacht werden – und zwar nicht in Tabellenkalkulationsprogrammen, sondern in perfomanten Datenbanken. Über entsprechende REST-API-Schnittstellen ist es so möglich, ML-Services zu nutzen, um beispielsweise Prognosen zu erstellen und sie über Business Intelligence-Systeme (BI-Systeme) zur Anzeige zu bringen. Das Ganze kann in der Cloud oder im eigenen Firmennetzwerk geschehen, ohne dass die Daten auf einem externen Server gespeichert werden müssen. Werden Daten erst einmal im täglichen Geschäftsbetrieb genutzt, um zu planen und zu steuern, dann werden Datenfehler schnell erkannt und mangelnde Stammdatenaktualität gehört nach und nach der Vergangenheit an. Unternehmen sollten nicht mit der Umsetzung warten bis die Datenqualität besser wird, sondern starten, damit die Datenqualität besser wird.
Die Stufe 4 ist gleichbedeutend mit der Vision der exponentiellen Organisation. Unternehmen haben hybride Organigramme aus Mitarbeitern und KI-Agenten umgesetzt. Chat Bots, auf Basis von Large Language Models (LLM) wie Chat GPT, antrainiert mit den relevanten Unternehmensdaten, stehen als digitale Kollegen Rede und Antwort (Bild 3). Diese LLM können neben der Informationsbereitstellung auch direkt Bestellungen auslösen, wenn entsprechende Schnittstellen zum ERP-System programmiert wurden. Die Herausforderung der Integration von LLM in die Firmeninfrastruktur liegt vor allem im Datenschutz, da viele der kommerziellen Anbieter cloudbasierte Geschäftsmodelle verfolgen und ihre Serverinfrastrukturen nicht immer in der EU liegen. Doch die Entwicklung ist rasant und es stehen inzwischen auch leistungsfähige Open-Source-Modelle für eine lokale Nutzung zur Verfügung.
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Wie können sich Investitionen in KI für Unternehmen lohnen?
Es gilt für die Digitalisierung in der Breite genauso wie für KI-Projekte im Einzelnen: Es muss sich lohnen, also sollte sich ein hoher ROI einstellen. Daher sind die Ratschläge vieler Experten wohl gemeint, zunächst einmal erste Experimente durchzuführen. Jedoch ist in der Praxis zu beobachten, dass die Mitarbeiter-Ressourcen für mehrere Projekte beschränkt sind und die Ergebnisse keinen durschlagenden Erfolg liefern. Daher ist die Forderung: Investieren Sie in KI! Am Beispiel von Kiki, dem digitalen Einkaufsassistenten, könnte sich das Ziel definieren lassen, dass sich durch deren Einführung die Arbeit eines Vollzeitmitarbeiters einsparen ließe. Dazu wird wie bei einem klassischen Rationalisierungsprojekt vorgegangen (Bild 4).
Nach der entsprechenden Zielformulierung ist ein Projektplan aufzustellen, eine Tätigkeitsanalyse durchzuführen und die entsprechenden Tätigkeiten zu bewerten, inwiefern diese durch Kiki erledigt werden könnten. Darauf aufbauend kann das Rollenprofil des digitalen Einkaufsassistenten und die Stellenausschreibung abgeleitet werden. Dies entspricht einem klassischen Lastenheft. Jedoch sollten KI-Agenten viel mehr als Mitarbeiter, denn als Software-Apps gesehen werden. Ist das entsprechende LLM antrainiert – was in der linearen Organisation der Einarbeitung eines neuen Mitarbeiters entspräche – kann es an die Arbeit gehen. Dies ist dann die Blaupause für ein weiteres Ausrollen der Integration von KI-Agenten in anderen Abteilungen.
Durch ein Verschmelzen der digitalen und realen Welt werden dem Fachkräftemangel und dem Kostendruck entgegengewirkt, ohne dass funktionierende Geschäftsmodelle in Frage gestellt werden. Entscheidend ist, dass mittelständische Unternehmen anfangen, in Digitalisierung und KI zu investieren, so wie sie es bisher auch erfolgreich bei der Investition in Anlagentechnologien getan haben.
Quelle: Deeping Business Solutions, Hannover