Fünf Partner aus der Kunststoffwelt haben ein ambitioniertes Projekt auf den Weg gebracht: Zwei Formteile aus Flüssigsilikon (LSR), die in ihrer Anwendung und geometrischen Abmaßen nicht unterschiedlicher hätten sein können, sollten in einem einzigen Werkzeug realisiert werden: ein Kaffeedeckel mit einem Schussgewicht von 28 g bei einem Durchmesser von 100 mm und maximaler Wandstärke von 7 mm sowie eine Lupe mit nur 6 g Schussgewicht und einem Durchmesser von 35 mm mit einer Linse mit 6-facher Vergrößerung.
Welcher Lösungsansatz gewählt wurde
Unterstützt durch die fachliche Beratung durch Dr. Ralf-Urs Giesen und seinen Kollegen von der Universität Kassel und der bereitgestellten Anlagentechnik durch Krauss Maffei und Nexus konnten das SKZ und Toolcraft in den vergangenen drei Jahren in Würzburg aufgebauten Fertigungszellen ihre Entwicklungen vorantreiben. Die deutlichen Unterschiede beim Schussgewicht der beiden Artikel führten in der Diskussion schnell zum Lösungsansatz mit einem Kaltkanalwerkzeug mit Nadelverschluss.
Dieses Kaltkanalsystem wurde eingesetzt
Günther Heisskanaltechnik stellte hierfür seine Nadelverschlussdüse mit elektrischem Linearaktuator bereit und ergänzte diese, auf Grund der Platzverhältnisse auf der Schließeinheit der Maschine, durch um 90 Grad versetzte Antriebe. „Für uns war schnell klar, dass dieses Projekt eine einmalige und gute Gelegenheit ist, unser Kaltkanalsystem in der Praxis zu testen“, so Torsten Schnell, Leiter der Forschung und Entwicklungsabteilung bei Günther Heisskanaltechnik. „Die elektrischen Linear-Aktuatoren erlauben eine präzise und stufenlose Justierung der Nadeln zur optimalen Füllung unterschiedlicher Bauteilgrößen in einem Werkzeug“, ergänzt Jörg Essinger, Leiter der Anwendungstechnik.
Die Expertise für eine materialgerechte Auswahl der verwendeten Werkzeugstähle, wurde durch Meusburger in das Konsortium eingebracht. Für das geplante Spritzgießwerkzeug wurden für den Grundaufbau und die Werkzeugeinsätze korrosionsbeständige Stähle vorgeschlagen und letztendlich eingesetzt.
Die Firma Bestenlehrer, ein im Werkzeug- & Formenbau anerkannter Experte im Bereich des Polierens anspruchsvoller Kavitäten, übernahm die Politur der Spritzgießform. „Nur durch enge Kooperationen wie diese ist es möglich, neben dem Tagesgeschäft das firmeneigene Portfolio zu erweitern und das notwendige Netzwerk aufzubauen. Durch das SKZ bestehen für uns vielfältige Möglichkeiten mit anderen Branchenvertretern in den Austausch zu treten“, ergänzt Markus Scheuerlein, Projektleiter Formenbau bei Toolcraft. Die über Jahrzehnte aufgebaute Expertise im Bereich des Formenbaus von hochanspruchsvollen Präzisionskleinteilen, war die solide Ausgangsbasis für Toolcraft zum Fertigen des Silikonwerkzeugs innerhalb des Projekts.
„Das Schöne in der Kunststoffbranche und an meinem Job ist, dass man nach 16 Jahren Berufserfahrung immer noch neue Werkstoffe beziehungsweise Werkstoffklassen kennenlernen kann, die faszinierend sind“, erklärt Bernhard Hennrich, Gruppenleiter Forschung Spritzgießen am SKZ. „Besonders wenn man in neue Themengebiete einsteigt, sind kompetente, verlässliche und kooperative Wegbegleiter Gold wert. Außerdem benötigt man eine ordentliche Portion Pragmatismus, der bei allen Projektpartnern zu jeder Zeit vorhanden ist“, führt Hennrich fort. Das SKZ unterstützte im Projekt "Silitemp" bei der Bauteilauslegung mit rheologischen Simulationen zum Füllverhalten und Vernetzungsgrad. Die Wachstumsraten im Silikonmarkt sind trotz schwächelnder Konjunkturlage seit einigen Jahren im zweistelligen Bereich. Das drohende PFAS-Verbot wird den Absatz von LSR in den nächsten Monaten sicherlich weiter antreiben – wie die Anfragen an das Institut aus der Industrie bereits jetzt bestätigen.
Das gemeinsam entwickelte Werkzeug steht dem SKZ zukünftig für den Bereich der Forschung und Bildung zur Verfügung. Das SKZ bedankt sich herzlich bei allen beteiligten Partnern und denen, die im Hintergrund mitgewirkt haben. Interessierte sind herzlich eingeladen, das Werkzeug live im Rahmen des SKZ Netzwerk- und Technologietag am 26. und 27. Juni 2024 in Würzburg in der Modellfabrik am SKZ in Aktion erleben.
Quelle: SKZ
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