Viele längliche schwarze und bunte Gummi-Werkstoff-Teile.

Nachhaltigkeit zeigt sich in ressourcenschonenden Prozessen, neuen Materialien und effizienten Lösungen. (Bild: Redaktion)

Die Kautschuk- und Gummibranche hat in den vergangenen Jahren einen spürbaren Wandel durchlebt. Getrieben von steigenden Anforderungen an Nachhaltigkeit und Effizienz sowie der Notwendigkeit, die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft stärker zu verankern, setzen Unternehmen vermehrt auf innovative Materialien und Technologien. Die Entwicklung reicht von recycelbaren Elastomeren über biobasierte Kautschuklösungen bis hin zu Fertigungsprozessen, die Energie und Ressourcen deutlich schonen. Gleichzeitig rückt das Thema Wiederverwertung in den Fokus, um die Lebenszyklen von Produkten zu verlängern und Abfälle zu minimieren. Auch auf der Fakuma 2024 wurde sichtbar, wie diese Veränderungen die Branche prägen. Unternehmen aus dem Gummi- und Kautschukbereich nutzten die Messe, um ihre Fortschritte und Ideen zu präsentieren – von optimierten Produktionsverfahren bis hin zu neuen Materiallösungen. Die Redaktion der KGK war vor Ort und hat die Entwicklungen und Eindrücke aus den Messehallen eingefangen.

Mischdüsen in silber reduzieren den Farbverbrauch beim Spritzgießen erheblich.
Mischdüsen von Promix reduzieren den Farbverbrauch beim Spritzgießen erheblich. (Bild: Redaktion)

Ressourcen im Blick: Effiziente Systeme und Retrofit-Ansätze

Die Optimierung von Prozessen und der schonende Umgang mit Ressourcen sind zentrale Aspekte einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft. In Friedrichshafen stellten Unternehmen Lösungen vor, die helfen, Materialverbrauch und Energieeinsatz zu reduzieren und bestehende Systeme zu modernisieren, um deren Lebenszyklus zu verlängern. Beispielhaft für die genannten Aspekte präsentierte Promix, Winterthur, Schweiz, eine neue Mischdüse, die speziell darauf ausgelegt ist, den Farbverbrauch im Spritzgießprozess um bis zu 50 % zu senken. Übliche Methoden zur Vermeidung von Farbschlieren, wie das Erhöhen von Staudruck oder Schmelzetemperatur, verursachen meist zusätzlichen Energieverbrauch und verlängern die Zykluszeiten. Die Promix-Mischdüse setzt hingegen direkt vor dem Werkzeug an: Sie verbessert die Farbverteilung effizient und benötigt dafür keinen zusätzlichen Energieaufwand. Das ermöglicht nicht nur eine deutliche Reduzierung des Farbzusatzes, sondern auch eine kürzere Zykluszeit und eine höhere Maschinenproduktivität. Ein weiterer Vorteil: Durch die niedrigeren Prozesstemperaturen werden Toleranzabweichungen und Verzüge reduziert, was wiederum die Ausschussrate senkt. Die Düse erleichtert zudem das Einmischen von Regranulat, sodass ein höherer Anteil an Rezyklat oder Mahlgut ohne Abstriche bei der Oberflächenqualität eingesetzt werden kann.
Die Optimierung von Produktionsprozessen umfasst nicht nur den effizienteren Umgang mit Materialien, wie ihn Promix mit seiner neuen Mischdüse ermöglicht, sondern auch die Verlängerung der Lebenszyklen bestehender Systeme. Beide Ansätze zielen darauf ab, Ressourcen besser zu nutzen und die Nachhaltigkeit in der Fertigung zu stärken. In diesem Kontext stehen auch Reduce, Reuse, Repair, Refit, Rebuild, Refurbish, Recycle – die zwischenzeitlich „7 R“ der Kreislaufwirtschaft.

Ein Mann mit Anzug auf einem Messestand vor einem Monitor.
Automatisierungsanlagen um- und aufbereiten stand bei SAR im Messefokus. (Bild: Redaktion)

Dem Refit hatte sich der Fakuma-Auftritt von SAR Elektronic, Gunzenhausen, gewidmet.  „Das Unternehmen sieht im Retrofit einen Schlüssel für die Zukunft“, war von Sebastian Müller, Vertrieb Kunststoff Automation, zu erfahren. „Denn hiermit können vorhandene Ressourcen länger genutzt und die Umweltbelastung reduziert werden.“ In Betrieb befindliche Automatisierungsanlagen lassen sich bei kurzen Stillstandzeiten um- und aufbereiten, um Prozesse zu optimieren und die Lebensdauer der Systeme zu verlängern. Durch das Anpassen an moderne Anforderungen und Technologien werden Entwicklungen gefördert. Das Unternehmen wies auch darauf hin, dass die Modernisierung der Anlage durch entsprechende Strategien kostengünstiger sei als eine Neuinvestition.

Technologien, die anspruchsvolle ­Materialien sicher verarbeiten

Ein silbernes Heißkanalsystem Ultramelt von Husky, wie es auf der Messe präsentiert wurde.
Das Heißkanalsystem Ultramelt von Husky, wie es auf der Messe präsentiert wurde. (Bild: Redaktion)

Die steigenden Anforderungen an nachhaltige und effiziente Produktionsprozesse erfordern Systeme, die nicht nur anpassungsfähig sind, sondern auch ressourcenschonend arbeiten.
Insbesondere beim Verarbeiten moderner Materialien wie biobasierten Kunststoffen spielen Präzision und Stabilität eine zentrale Rolle. Unternehmen wie Husky, Groche Technik und Elmet zeigten hierfür maßgeschneiderte Lösungen. Das Heißkanalsystem Ultramelt von Husky ist speziell auf die Herausforderungen moderner Kunststoffverarbeitung und insbesondere die Anforderungen biobasierter Polymere abgestimmt. Das System ist so entwickelt, dass es selbst bei anspruchsvollen Materialien mit geringen Stabilitäten und Faseranteilen zuverlässig arbeitet. Dank präziser Temperaturregelung und spezieller Beschichtungen wird eine reibungslose Verarbeitung ermöglicht, ohne dass das Material reagiert oder das System beschädigt wird. Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Balancierung und Stabilität des Materials im gesamten Verarbeitungsprozess.
Husky hat außerdem spezifische Kontrollalgorithmen entwickelt, die für eine stabile Temperaturführung sorgen und Abweichungen minimieren. Dies ist entscheidend, da nicht alle Regelsysteme auf dem Markt über solche ausgefeilten Algorithmen verfügen. Durch eine flexible Benutzerverwaltung können Bedienerprofile definiert und kritische Einstellungen kontrolliert werden. Zusätzlich wird jedes Ultramelt-System individuell konzipiert: Basierend auf Kundenanforderungen und Materialeigenschaften werden die Kanäle optimiert und in iterativen Simulationen durchgerechnet. So entsteht eine maßgeschneiderte Lösung, die für maximale Effizienz und eine saubere Verarbeitung sorgt, selbst bei Materialien wie biobasierten Kunststoffen.

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Technologien, die anspruchsvolle ­Materialien sicher verarbeiten

Eine silberne Schnecke von Groche Technik ­ermöglicht den Mikrospritzguss auch auf großen Maschinen.
Die Schnecke von Groche Technik ­ermöglicht den Mikrospritzguss auch auf großen Maschinen. (Bild: Redaktion)

Auch Groche Technik, Kalletal, nimmt sich der Herausforderungen moderner Materialverarbeitung an, richtet den Fokus jedoch auf die Anpassung von Spritzgussverfahren an spezifische Anforderungen. Ein großes Spritzgießwerkzeug bedarf einer großen Spritzgießmaschine, die mit einer entsprechenden Schneckengröße ausgestattet ist, um große Spritzvolumen realisieren zu können. Anders sieht es aus, wenn die Werkzeuggröße eine angepasste Maschine erfordert, das Dosiersystem für das benötigte Schussvolumen jedoch zu groß ist. Sprich das Massepolster ist zu groß, die Verweilzeit des Kunststoffs in der Schnecke ist zu lange und die thermische Belastung des Werkstoffs dadurch hoch. Um diese Störfaktoren auszuschließen, hat das Unternehmen eine Schnecke vorgestellt, die den Mikro­spritzguss auf großen Maschinen ermöglicht. Bei der Mi­kro­spritzguss-Plasti­fi­zier­einheit (GTM) wird das benötigte Spritzvolumen in eine Einspritzkammer mit reduziertem Querschnitt plastifiziert und mit der entwickelten Kolben-RSP eingespritzt. Je nach Werkstoff lässt sich hiermit das Volumen um 30 % reduzieren. Dadurch können Opferkavitäten oder überdimensionierte Angussverteiler vermieden und Material eingespart werden.

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Neben der Anpassung von Spritzgießsystemen rückt auch die effiziente Dosiertechnik stärker in den Fokus. Elmet, Oftering, Österreich, hat auf der Fakuma das LSR-Dosiersystem Top 3100 vorgestellt. Auch dieses Dosiersystem folgt den 7 R, denn der Hersteller gibt seine Lebensdauer mit +20 Jahren und die Materialausnutzung pro Gebinde mit bis zu 99,6 % an. Doch das Unternehmen steht nicht nur für Dosiertechnik, sondern auch für den Werkzeugbau. Gezeigt wurde ein Demonstrationswerkzeug mit drei Einsätzen: einem 3D-gedruckten, einem aus Aluminium für Kleinserien und einem durchgehärteten Einsatz, der für die Serienfertigung geeignet ist. „Damit zeitnah erste Prototypen verfügbar sind, können wir, sozusagen über Nacht, Formeinsätze drucken, die zum Herstellen von 50 Schuss ausgelegt sind“, berichtete Michael Schaffer, Business Unit Manager Tool & Turnkey. An diesen Teilen in Originalgröße können erste Versuche durchgeführt und mechanische Kennwerte ermittelt werden.

Ein Mann in Trachtenjacke und weißem Hemd mit Bart vor einem Demonstraionswerkzeug am Messestand.
Michael Schaffer neben dem Demon­strationswerkzeug von Elmet. (Bild: Redaktion)

Nachhaltige Alternativen für den ­Alltag im Einsatz

In diesem Jahr präsentierten ausstellende Unternehmen erneut Entwicklungen, die sowohl funktional als auch umweltfreundlich sind. Einen Beitrag, um den Abfall von Einweggefrier- oder Frischhaltebeuteln zu reduzieren, wurde am Stand von Emde, Nassau, präsentiert. Ein wiederverwendbarer Beutel, der sich aktuell in der Markteinführung befindet. Dieser wird aus einem temperfreien Silikon hergestellt, ist spülmaschinenfest, lebensmittelecht und BPA-frei. In ihm können Lebensmittel sowohl bis - 40 °C tiefgekühlt, aber auch in der Mikrowelle bis +200 °C erwärmt werden. Emde hat für das Herstellen der Silikonbeutel die Werkzeuge konstruiert und gebaut.
Neben nachhaltigen Lösungen für den Alltag, wie sie Emde mit seinem wiederverwendbaren Silikonbeutel präsentierte, stehen auch Materialien im Fokus, die spezielle Anforderungen in der Medizin erfüllen. Werkstoffe, die Komfort und Funktionalität vereinen, rücken dabei stärker in den Vordergrund – insbesondere in der Medizintechnik. Der Markt für medizinische Geräte erholt sich allmählich, nachdem durch Medical Device Regulation (MDR) Anpassungen an den medizinischen Produkten notwendig geworden waren, die viel Zeit in Anspruch nahmen. Nun arbeiten die Hersteller wieder vermehrt an neuen Projekten.

Ein Mann mit Brille und blauen Polo-Shirt präsentiert Beutel aus Silikon auf einem Messestand.
Ein wiederverwendbarer Beutel aus temperfreiem Silikon wurde von Emde vorgestellt. (Bild: Redaktion)

Kraiburg TPE, Waldkraiburg, stellte zur Fakuma ultraweiche Compounds vor, die die Next Genera-tion Supersoft TPE-Serie ergänzen. Dieses supersofte TPE bietet eine trockene angenehme Haptik und fühlt sich ähnlich an wie Haut. „Dies ist besonders wichtig bei Prothesen und Orthesen, da der Kontaktkomfort wesentlich zur Lebensqualität des Trägers beiträgt. Eingesetzt werden kann der Werkstoff auch im Dentalbereich beispielsweise für Zungentrainer, um den Erfolg logopädischer Therapien zu unterstützen“, berichtet Dominik Hilz, Markt Segment ­Manager Medical Applications.
Das Material kann im Spritzguss oder auch pelletbasiert im 3D-Druck verarbeitet werden, um patientenspezifische Teile herzustellen. Produziert wird der global verfügbare Werkstoff in Deutschland. Seine Härte wird nicht in Shore A, sondern in Shore 00 angegeben und liegt zwischen 30 und 50 Shore 00.

Mann im blauen Anzug und weißem Hemd vor einer Präsentation auf einem Messestand.
Dominik Hilz von Kraiburg TPE und die Next Generation Supersoft TPE-Serie. (Bild: Redaktion)

Feine Strukturen und schnelle Proto­typen

Im Filamentdruck hergestellter Stopfen.
Im Filamentdruck hergestellter Stopfen. (Bild: Redaktion)

Die additive Fertigung spielt eine immer wichtigere Rolle, wenn es darum geht, feine Strukturen und komplexe Geometrien mit hoher Präzision herzustellen. Allod, Burgbernheim, stellte auf der Messe in Halle A5 seinen erweiterten Service im Bereich des Prototypenbaus vor. Um Partnern bereits in den ersten Projektphasen kurzfristig Prototypenteile aus Serienmaterial an die Hand geben zu können, hat der Compounder in zwei Filamentdrucker investiert. Die hierbei verwendeten TPE-Filamente können mit einem Filamentextruder intern hergestellt werden. Da das Verarbeiten von sehr weichen Filamenten und Sondercompounds sehr herausfordernd ist, wurde zudem in einen Stereolithographie-Drucker erworben. Mit diesem können harzbasierte Werkzeugeinsätze gefertigt und in einer Stammform eingesetzt werden, um erste Teile im Spritzgießprozess herstellen zu können. Der Fokus liegt hier unter anderem auf der Weiterentwicklung von Bauteilkonzepten mit PTC-Heizmaterialien (PTC: Positive Temperature Coefficient) sowie auf elektrisch hochleitfähigen Werkstoffen für das Herstellen von Elektroden im Spritzgießverfahren.

Ein Stützmaterial in einem Glas in beige.
Wasserlösliches Stützmaterial war am Stand von Keyence zu bestaunen. (Bild: Redaktion)

Ein weiterer Beitrag zur Effizienzsteigerung in der additiven Fertigung wurde von Keyence, Neu-Isenburg, mit einem wasserlöslichen Stützmaterial für den hauseigenen 3D-Drucker Agilista vorgestellt. Dieses bietet entscheidende Effizienzvorteile im Vergleich  zu herkömmlichen Stützmaterialien. Durch seine spezielle Polymerbasis löst sich das Material nach dem Druckprozess in Wasser auf – ganz ohne zusätzlichen Arbeitsaufwand oder das Risiko, empfindliche Strukturen zu beschädigen. Aufgrund dieses Materials wird die Nachbearbeitung erheblich vereinfacht und beschleunigt, was die Arbeitskosten reduziert und die Modelle schneller einsatzbereit macht. Besonders vorteilhaft ist dies bei komplexen Geometrien, da das Material selbst aus kleinsten Zwischenräumen rückstandslos entfernt werden kann. Zudem ermöglicht das System das gleichzeitige Reinigen mehrerer Modelle, was für weitere Zeitersparnis sorgt.

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