Während es mittlerweile für Gummi und Metall aus Altreifen gute Anwendungen gibt, blieben die Textilfasern bisher im Reifen-Recyclingprozess außen vor. Meist wurde dieser Anteil, der im Reifen etwa 10 % ausmacht, einer thermischen Verwertung in Form von Ersatzbrennstoffen der Zementindustrie zugeführt. Seit einiger Zeit stehen die Recyclingbetriebe jedoch vor neuen Herausforderungen, da beispielsweise die Zementindustrie aufgrund des Rückgangs der Bauindustrie die Ersatzbrennstoffe nicht mehr in vollem Umfang abnimmt. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass Recyclingbetriebe auf den Textilfasern sitzen bleiben. Gleichzeitig ist die genehmigte Lagerkapazität schnell erschöpft und stellt zudem ein hohes Brandrisiko dar. Gebundenes Kapitel liegt ebenso brach. Anlagenbauer Zeppelin Systems ist seit vielen Jahren erfahrener Lösungsanbieter für die Gummi- und Reifenindustrie und hat sich zum Ziel gesetzt, die Reifenproduktion von morgen bereits heute nachhaltiger zu gestalten. Als Schirmherr initiierte das Unternehmen den Technologieverbund „Zeppelin Sustainable Tire Alliance“, der gemeinsam mit internationalen Partnern das Ziel der nachhaltigen Reifenproduktion inklusive Reifenrecycling verfolgt.
So werden hochwertige Sekundärrohstoffe gewonnen
Unter dem Dach der im März 2023 ins Leben gerufenen Zeppelin Sustainable Tire Alliance, arbeiten internationale Partner entlang der Wertschöpfungskette im Gummi- und Reifenbereich zusammen. Angefangen beim werkstofflichen Recycling über das rohstoffliche Recycling sowie die Reinigung und Veredelung von Rezyklaten, um die Anzahl hochwertiger Sekundärrohstoffe zu erhöhen: Ziel ist es, den Kreislauf für die Rückgewinnung wertvoller Rohstoffe zu schließen und qualitative Rezyklate bei der Produktion neuer Reifen einzusetzen. Derzeit gehören acht Marketing-, Technologie- und Prozesspartner zu den Mitgliedern der Technologie-Allianz. Einer dieser Partner ist der polnische Konzern Recykl der eine patentierte Recycling-Lösung für die Textilfasern im Altreifen entwickelte und gemeinsam mit Zeppelin Systems vermarktet.
Wohin mit den Textilfasern im Altreifen?
Das polnische Unternehmen Recykl Organizacja Odzysku als Teil der großen Kapitalgruppe „Recykl Group“ (GRC), beschäftigt sich seit dem Jahr 2004 intensiv mit dem Aufbereiten von Altreifen. Über 120.000 t altes Reifenmaterial verarbeitet das Unternehmen jährlich und gehört damit zu einem der größten Unternehmen dieser Art in Mittel- und Osteuropa. Das Unternehmen entwickelte ein innovatives Produkt aus den übrig gebliebenen Textilfasern von Altreifen. Nämlich das Additiv mit dem Markennamen Smapol. Es stabilisiert und verstärkt das Asphaltbindemittel und die Struktur von Asphaltmischungen, um homogene und langlebige Straßenbeläge zu erzeugen.
Das Ausgangsmaterial für die Produktion des Additivs stammt aus den hochwertigen Textilfasern, die bei der mechanischen Zerkleinerung von Altreifen anfallen. Das Multifasergemisch aus Polyester, Polyamid, Aramid und Viskosefasern wird aktiviert, modifiziert und komprimiert. Bei dem entwickelten Verfahren handelt es sich um einen mehrstufigen mechanischen Reinigungs- und Verdichtungsprozess, der mit Tensiden und anderen Zusätzen unterstützt wird. Im Fokus der Entwicklungen standen – unter anderem – die Schüttdichte, witterungsbedingte Widerstandsfähigkeit, Langzeitlagerung und homogene Mischfähigkeit des Endprodukts, damit sich Abnehmer auf standardisierte Produkteigenschaften und eine konstante Qualität verlassen können. Dies wurde inzwischen auch durch den TÜV, SGS und der polnischen Nationalbewertung für Bauprodukte geprüft und bestätigt.
Industrielle Produktion von Asphalt
Die Anwendung ist einfach: Smapol wird in Form von Pellets hergestellt, die in Bigbags direkt an die Produktionsstätten der Asphaltindustrie geliefert werden. Der Anteil des Additivs liegt zwischen 2 und 6 kg/t des Asphaltgemischs, abhängig von den Eigenschaften des verwendeten Bitumens, der Korngröße der Zuschlagstoffe und des Heißasphaltes für die Asphaltbeläge. Die Dosierung erfolgt in der Regel während der Asphaltproduktion direkt aus den Big Bags über pneumatische Dosieranlagen oder über Schneckenförderer. Eine Produktionsanlage von Recykl in Chelm, Polen, produziert aktuell 500 kg Pellets pro Stunde. Die gut zu verarbeitenden Pellets sind ein direktes Substitut für zellulosebasierte Stabilisatoren, deren Einsatz für SMA-Asphaltmischungen weit verbreitet ist. Die Einarbeitung in die Asphaltmischung ist identisch mit zellulosebasierten Stabilisatoren. Somit muss der Herstellprozess des Asphaltgemisches nicht angepasst werden. Gleichzeitig ist dieses Additiv im Gegensatz zu zellulosebasierten Zusatzstoffen ein universeller Zusatz und kann zum Verbessern der Eigenschaften aller Arten von Asphaltmischungen verwendet werden.
Bei der Weiterentwicklung des Herstellprozesses wurde darauf geachtet, dass er sich nahtlos in bestehende Recyclinganlagen einfügt. Die Anlage umfasst etwa 80 m² und kann sowohl autark betrieben als auch in bestehende Recyclinganlagen integriert werden. Das Zeppelin Systems Design der Smapol-Linie ermöglicht eine Produktionskapazität von bis zu 1.000 kg/h.
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Widerstandsfähige Asphaltschicht
Mit diesem Additiv wurde nicht nur die Lücke im Aufbereitungsprozess von Altreifen geschlossen, sondern es wurde auch eine sinnvolle Verwertung eines Reststoffes gefunden. In der Praxis, also auf der Straße, ergeben sich weitere Vorteile gegenüber den bisher im Straßenbau weit verbreiteten Stabilisatoren auf Zellulosebasis. Die bisher verwendeten Produkte sind zwar gute Stabilisatoren, bieten jedoch keine signifikanten mechanischen Verstärkungswirkungen innerhalb der Splittmastixschicht, beispielsweise in Bezug auf das Eindringen von Wasser, Ermüdung, thermische Rissbildung oder Spurrinnenbildung. Aber auch Spurrinnen, die durch den Schwerlastverkehr verursacht werden, werden durch bisherige Stabilisatoren nicht verhindert. Dagegen sorgen die synthetischen Fasern der Pellets für eine neue Struktur im Asphaltgemisch. In Untersuchungen zeigte sich: Straßenbeläge aus Splittmastixasphalt (SMA), die mit Smapol modifiziert wurden, besitzen eine höhere strukturelle Gleichmäßigkeit sowie höhere Beständigkeit gegen Spurrinnenbildung, thermisch bedingte Rissbildung und Ermüdung. Im Vergleich zu stabilisierenden Additiven auf der Basis von Zellulosefasern wird ein optimaler Grad an Bitumenabsorption erreicht, der es ermöglicht, bei geringeren Bitumengehalt nicht nur höhere Festigkeits- und Verformbarkeitsindikatoren, sondern auch höhere Indikatoren für Wasser- und Frostbeständigkeit (einschließlich Korrosionsbeständigkeit) zu erzielen.
Kostenreduktion durch CO2-Transparenz
CO2-Abgaben, CO2-Zertifikate und vieles andere mehr sind uns nicht zuletzt seit den kürzlichen Beschlüssen der Bundesregierung nochmals eindringlich ins Bewusstsein gerufen worden. Und diese treffen uns alle, im Privat-leben genauso, wie im geschäftlichen Umfeld. Daher ist es unabdingbar bei der Entwicklung eines neuen Produkts von vornherein darauf zu achten, eine sehr gute Transparenz des Product Carbon Footprints (PCF) sicherzustellen. Bis zu 90 % der CO2-Emissionen entstehen nicht im eigentlichen Produktionsprozess, sondern entlang der Liefer-kette. Aber gerade beim Recycling ist es essenziell aufzuzeigen, wie sich die Verwendung von Abfallmaterialien positiv auf die Gesamtenergiebilanz auswirkt, verglichen mit dem ausschließlichen Einsatz von Neumaterialien. Den gesamten PCF lückenlos zu erfassen, ist jedoch mitunter herausfordernd.
Das Emissionsmanagement Sigreen soll helfen, diese Herausforderung zu bewältigen, indem Datenschnittstellen zu allen Zulieferern die nachweisbare Transparenz schaffen. Angereichert um den CO2-Verbrauch in der von Zeppelin Systems konzipierten Anlage während des Smapol-Herstellungsprozesses, kann Recykl somit einen chargengranularen Nachweis des PCFs dieser Charge liefern und den Kunden somit einen finanziellen Vorteil bieten. In der Automobilindustrie wird die von Siemens entwickelte Software Sigreen bereits heute erfolgreich eingesetzt. Der Einsatz in der CO2-intensiven Reifenindustrie ist geplant.
Mit den neuartigen Pellets wird die letzte Lücke im Recyclingprozess von Altreifen geschlossen. Der bisher nicht sinnvoll und nachhaltig genutzte Anteil an Textilfasern kommt nun als Stabilisator und Verstärkungszusatz in Asphaltmischungen zum Einsatz. Dort überzeugt er vor allem durch seine erhöhte Widerstandsfähigkeit gegenüber Witterungseinflüssen und mechanischen Belastungen. Führende Straßenbauunternehmen haben die Entwicklung des Asphaltadditivs eng begleitet, sodass seinem Einsatz in Straßenbelägen auf Autobahnen, Stadtstraßen, Flughäfen, Einfahrten oder auch Parkplätzen in allen Straßenklimazonen nichts mehr im Wege steht.
Quelle: Zeppelin Systems