Silikonelastomere besitzen hervorragende Eigenschaften: Sie sind temperaturstabil und elastisch, biokompatibel und chemisch sehr stabil, also unreaktiv. Daher werden sie als 3D-geformte Bauteile besonders gerne in der Medizintechnik verwendet. Anwendungsbeispiele sind Katheter, Prothesen, Atem- und Beatmungsmasken, Ventile in Beatmungsgeräten und jegliche Art von Dichtungen und Schläuchen in medizinischen Geräten. Ausvulkanisierte Silikone im Zuge ihrer Weiterverarbeitung zu fügen respektive (Stand der Technik) zu kleben, ist kein einfaches Unterfangen. Denn: Silikonelastomere besitzen eine chemisch äußerst inerte Oberfläche. Ihre Oberflächenenergie ist mit einem Wert von 20 mN/m auf vergleichbarem Niveau zu Teflon (PTFE) [1]. Eine niedrige Oberflächenenergie eines zu klebenden Materials ist allerdings allein schon im Hinblick auf die Klebstoffbenetzung ein ungünstiger Ausgangszustand. Das Fehlen polarer Gruppen wirkt zusätzlich hinsichtlich der Ausbildung reaktiver Wechselwirkungen zwischen Klebstoff und Substrat limitierend. Für die Gewährleistung einer hinreichenden Adhäsion werden für Silikone zum Teil physiologisch und umweltchemisch bedenkliche Haftvermittler verwendet.
Um eine haftfeste Verbindung mit einer unpolaren Silikongummioberfläche zu erzeugen, werden basische Verbindungen wie aliphatische Amine, Pyridin und Imidazolderivate eingesetzt [2–4]. Viele der benutzten Chemikalien besitzen stark gesundheitsgefährdende Wirkungen und sind somit besonders bedenklich für Produkte mit einer Verwendung im lebensmittelnahen und medizinischen Bereich. Daher besteht der Bedarf, gänzlich auf den Einsatz chemischer Haftvermittler und bestenfalls auch auf Klebstoffe zu verzichten. Aktivierende Vorbehandlungsverfahren erzeugen polare funktionelle Gruppen in der Oberfläche und helfen, die adhäsiven Eigenschaften zu verbessern [5]. Dass dies auch für Silikone funktioniert, wurde in einem früheren Forschungsprojekt (IGF-Vorhaben Nr.: 17551 N) gezeigt: Hier konnten Silikone dank aktivierender Vorbehandlung zum Teil ohne chemische Haftvermittler geklebt werden.
Welcher Ansatz verfolgt wurde
Ein innovatives Verfahren des Fraunhofer IFAM, Bremen, ermöglicht das Fügen von Silikonen gänzlich ohne Klebstoff. Dabei kommt eine Bestrahlung der Oberflächen mit Vakuum-UV-Strahlung (VUV) aus Xe-Excimerlampen zum Einsatz. Die Lampen emittieren Strahlung bei einer Wellenlänge von 172 nm. Diese hochenergetische Strahlung ist in der Lage, Bindungsbrüche in der Silikonoberfläche zu erzeugen, und durch nachgelagerte Reaktionen mit Sauerstoff wird die Oberfläche reaktiv ausgestattet. Bei geeigneter In-Kontakt-Bringung kommt es unter Ausbildung chemischer Bindungen zum Stoffschluss (Bild 1). Die Forschungsarbeiten des Fraunhofer IFAM im Rahmen des Projekts „Lichtmodifizierte Silikonwerkstoffe für Medizin und Technik“ wurden jüngst abgeschlossen.
Materialien und Methoden
Vorrangig wurde in diesem Projekt das Silikon Elastosil LR3004/40 von Wacker, Burghausen, als 2 mm starkes Plattenmaterial verwendet. Aufgrund der Eignung für medizinische Anwendungsgebiete wurde ein Platin-katalysiert vernetztes Silikon untersucht, wobei eine mittlere Härte von 40 Shore A gewählt wurde. Seitens der anorganischen Fügepartner wurden eingesetzt: plattiertes Aluminium 2024, Stahlprüfkörper aus Kaltband DC01 mit glatter, riss- und porenfreier Oberfläche und Glasprüfkörper aus Borofloat von Rocholl, Eschelbronn. Nach der VUV-Bestrahlung der Fügeteile wurden diese im zeitlichen Rahmen einer Stunde in der für unten genannte Tests erforderlichen Prüfgeometrie miteinander in Kontakt gebracht und mit Druck und Temperatur für eine bestimmte Zeit beaufschlagt. Bevorzugt kam zu diesem Zweck des sogenannten Bondens eine Heizpresse zum Einsatz. Je Prozess wurden vier Verbunde angefertigt.
Zur Prüfung der Silikon-Silikon-Verbundstabilität wurden 90°-Schältests in Anlehnung an DIN EN ISO 11339 durchgeführt. Die Verbundstabilität von Silikonen in Kombination mit einem anorganischen Fügepartner wurde mit dem 180°-Schältests in Anlehnung an DIN EN ISO 8510 geprüft. Abweichend wurde jedoch der maximale Schälwiderstand notiert, da es sich hier um elastomere Proben handelt und bei guter Verbundkraft zum Fügepartner mit zunehmender Dehnung die im Test gemessene Kraft ansteigt bis zum Riss des Silikons. Die Rauigkeit der Fügeteile wurde mittels Konfokalmikroskopie untersucht.
Diese Ergebnisse wurden erzielt
Zur Identifikation eines geeigneten Prozessparameterfensters wurde zunächst für die Vorbehandlung des Silikons die VUV-Bestrahlungsdosis variiert, wobei die Bestrahlung an Luftatmosphäre und bei Atmosphärendruck stattfand. Der Fügeprozess wurde mit Hilfe einer hydraulischen Heizpresse zunächst für die Fügeteilpaarung Silikon-Silikon, im späteren Projektverlauf auch für die weiteren Materialpaarungen optimiert. Es wurde ein Prozessparameterfenster (grün hinterlegt in Bild 2) identifiziert, welches einem Dosisfaktor 8 entspricht. Dies ist relevant für die Bestrahlung von 3D-Bauteilen, für die durch die Abstandsdämpfung die Bestrahlungsstärke mit der Entfernung zur Lampe abnimmt. Ein Dosisfaktor 8 bedeutet praktisch, dass bei geeigneter Wahl des Arbeitspunkts die Bestrahlungsstärke an den weiter von der Strahlungsquelle entfernten Arealen 8-mal schwächer ausfallen darf als an den der Lampe nächst gelegenen Flächen und danach die Oberflächen trotzdem an allen Stellen optimal vorbereitet sind. Typischer Einsatz für homogene Silikon-Silikon-Verbunde ist in der Medizintechnik zum Beispiel in Beatmungsgeräten.
Heterogene Materialpaarung
Das Forschungsprojekt untersuchte ebenfalls, ob Silikone auch in heterogener Materialpaarung mit Aluminium, Stahl und Glas gebondet werden können. Für medizintechnische Anwendungen sind heterogene Materialpaarungen von besonderem Interesse im Gerätebau, wenn etwa auf geklebte Konnektoren verzichtet werden kann oder großflächige Dichtungen trockenchemisch verbunden werden können. Wie Bild 3 zeigt, konnten an dieser Stelle Bedingungen zur Herstellung stabiler Verbundstrukturen gefunden werden. Es wurde erstens festgestellt, dass eine VUV-Aktivierung der anorganischen Fügepartner notwendig ist. Zweitens spielen die Oberflächenrauigkeit der Fügepartner und die Elastizität des verwendeten Silikons eine Rolle.
Wie beständig ist der Verbund?
Auch die Stabilität der Verbundstrukturen wurde am Beispiel von Silikon-Silikon-Verbunden hinterfragt. Vor dem Hintergrund medizintechnischer Anwendungen besonders relevant erscheint die Stabilität gegenüber Wasserlagerung und Temperatureinflüssen. Hier wurde jeweils für acht Wochen in Wasser respektive bei 180 °C im Ofen gelagert. Das Ergebnis war in beiden Fällen in der zerstörenden Prüfung gleich. Außerdem überstanden die Verbunde eine einfache Dampfsterilisation im Druckkochtopf (~1,9 bar, 119 °C) für zehn Stunden. Das Bonden selbst wurde durchgeführt bei Temperaturen zwischen 100 und 200 °C, Drücken zwischen 0,2 und 1,8 MPa und Haltedauern zwischen 5 und 15 Min. Aufgrund der Limits des Heizpressverfahrens für 3D-Bauteile erfolgte die Druck- und Temperaturbeaufschlagung exemplarisch und mit sehr gutem Erfolg per Autoklaven.
Künftig auch für 3D-Geometrien?
Das Bondverfahren auf Basis der Vakuum-UV-Bestrahlung bietet den Anwendern neue Gestaltungsmöglichkeiten im Umgang mit dem Werkstoff Silikon. Der Vorteil, dass gänzlich auf Chemikalien verzichtet wird, macht die Methode besonders interessant für die Medizintechnik. Seitens des Bondverfahrens mittels Heizpressen bestehen derzeit noch geometrische Einschränkungen für 3D-Geometrien. Dies ist Gegenstand zukünftigen Forschungsbemühens.
Förderhinweis
Das IGF-Vorhaben 19773 N der Forschungsvereinigung Kautschuk, Deutsche Kautschuk-Gesellschaft e.V., Zeppelinallee 69, 60487 Frankfurt am Main wurde über die AIF im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung und -entwicklung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.
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Unternehmen
Fraunhofer IFAM - Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung Klebetechnisches Zentrum - KTZ
Wiener Straße 12
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