Doctor in protective medical gloves holds a vial with a vaccine and a syringe.The concept of medicine, healthcare and science.Coronavirus vaccine.Copy space for text.

Für die Covid-19-Impfstoffe werden viele Vials benötigt, die mit einem Stopfen aus Kautschuk verschlossen werden. (Bild: syhin_stas/Stock. Adobe.com)

Der Grund für den Auftragsboom liegt in der starken, pandemiebedingten Nachfrage nach Anlagen zur Produktion von sterilen Verschlussstopfen für die Corona-Impfstoffproduktion. An die Pressen werden hohe Anforderungen gestellt, die nur wenige Hersteller erfüllen.
Einen Nachfrageeinbruch im ersten Halbjahr hat auch der in dritter Generation inhabergeführte Maschinenbauer erlebt. Dank seiner internationalen Reputation bei Pharma- und Reinraumpressen konnte er die Flaute bei Anlagen zur Compositeverarbeitung und für das Fixtur- und Presshärten jedoch ausgleichen.
Denn bereits im Frühjahr 2020 bekamen die Landauer von Zulieferern der Pharmaindustrie einen Großauftrag über Vulkanisationspressen zur Fertigung von Verschlussstopfen aus Butylkautschuk (IIR) oder Brombutylkautschuk (BIIR) für Corona-Impfampullen. Weitere Bestellungen folgten. Da es bei Hochleistungs-Pharmapressen wenige ebenbürtige Wettbewerber gibt, werden die Verschlüsse überwiegend auf Wickert-Anlagen hergestellt.
Um die dringend benötigten Anlagen möglichst schnell liefern zu können, stellte das Unternehmen in kurzer Zeit die Produktion vom Sondermaschinenbau einzelner Anlagen auf eine Fertigung in größeren Serien um. Dadurch konnte die Lieferzeit von zehn auf sechs Monate verkürzt werden. Bei Kunden aus Übersee oder Asien brachte der Transport per Flugzeug statt mit dem Schiff eine zusätzliche Zeitersparnis von drei Wochen. Auch die Mitarbeiter zogen mit. „Uns allen war klar, dass der lebensrettende Covid-19-Impfstoff nur mit Hilfe unserer Pressen abgefüllt werden kann. Daher haben unsere Fachkräfte-Teams regelmäßig Zusatzschichten am Wochenende eingelegt“, lobt Hans-Joachim Wickert, Geschäftsführer der Wickert Maschinenbau.

Eingesetzt werden ausschließlich Reinraumpressen

Neben der Rohstoffauswahl hat die Verarbeitung des Materials in den Pharmapressen einen großen Einfluss auf die Eigenschaften der Verschlussstopfen, vor allem im Hinblick auf die Partikellast. Daher werden die zur Fertigung der Verschlussstopfen verwendeten Anlagen in Reinräumen eingesetzt.
Eine mögliche Quelle für Verschmutzungen sind beispielsweise lackierte Oberflächen, die unter Hitzeeinwirkung zu Mikrorisssbildung neigen. Das führt dazu, dass die Farbe mit der Zeit Partikel emittiert. Um ihr Austreten zu verhindern, ist der Innenraum bei Pharmapressen komplett in Edelstahl oder Aluminium ausgeführt. Seine Innenseiten sind glatt und abgerundet, dadurch können sie einfach mit Ethanol oder Isopropylalkohol gereinigt werden. Alle Stahlbauteile sind außerdem wärmebehandelt und somit korrosionsfrei. Umschlossen wird der Arbeitsraum der Presse durch eine selbsttragende Verkleidung, die ebenfalls aus Edelstahl besteht.

Die Pressen sind vollständig in den Reinraum integriert

Reinluft wird über Clean Air Module (CAM) oder Filter Fan Units (FFU) zugeführt. Über pneumatisch angetriebene Sicherheitstüren wird der Luftstrom mittels Proportionalsteuerungen so durch die Presse geleitet, dass die Mitnahme von Partikeln steuerbar wird. Die Maßnahmen führen dazu, dass sich die Presse komplett in den Reinraum integriert.

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Die Anforderungen an die Maßhaltigkeit der Stopfen stellt an die Pressen hohe Qualitätsansprüche. Bild: Wickert Maschinenbau

Maschinenkomponenten mit Hilfsstoffen sind gekapselt

Eine weitere potenzielle Ursache für Verunreinigungen bilden die in den Pressen verwendeten Hilfs- und Schmierstoffe. Bevorzugt werden Werkstoffpaarungen eingesetzt, die keiner Schmierung durch Hilfsstoffe bedürfen. Sind Hilfs- und Schmierstoffe unverzichtbar, werden nur nicht-toxische und physiologisch unbedenkliche Materialien verwendet.
Alle Zonen der Presse, die Hilfsstoffe benötigen, sind so gekapselt und abgedichtet, dass diese nicht austreten können. Und zum Fixieren der Werkzeuge werden anstatt mechanischer Spannelemente Magnetspannplatten eingesetzt, die für den Reinraumeinsatz ideal geeignet sind, da beim Spannen keine Partikel emmitiert werden.
Um die Gefahr eines Schmutzeintrags durch den Menschen zu minimieren, bietet das Unternehmen außerdem an, Produktionsprozesse teilweise oder vollständig zu automatisieren. Hierzu gehört etwa die Integration kollaborativer Roboter- und Handlingslösungen. Damit werden beispielsweise automatisiert Trennmittel aufgetragen, Rohlinge mannlos zugeschnitten und zugeführt und die Pressen be- und entladen.

Pharmapressen werden individuell gefertigt

Bei aller Freude der Landauer über die vielen Bestellungen – eine Serienfertigung wie bei den Pressen für Corona-Verschlussstopfen ist dies eine pandemiebedingte Ausnahme. Bestellt werden normalerweise kleine Losgrößen von ein bis drei Stück. Die Anlagen fertigt Wickert dann stets nach den auftragsspezifischen Erfordernissen. Kunden können zahlreiche Parameter wie beispielsweise die Heizplattengrößen, die Einbauhöhen, den Kolbenhub und den Automationsgrad individuell festlegen. Die Presskraft bewegt sich in der Regel zwischen 640 Tonnen und 1.000 Tonnen. Neben einzelnen Maschinen bietet das Unternehmen für die Elastomer-Verarbeitung durch Pharma- und Reinraumkunden auch maßgeschneiderte Prozess- und Systemlösungen bis hin zu Turnkey-Projekten. Exemplarisch für die bei den Verschlussstopfen eingesetzten Reinraumpressen steht eine Ausführung vom Typ WKP 10.000 S. Sie bietet 1.000 Tonnen Presskraft, eine Plattengröße von 1.000 x 1.000 mm, eine Einbauhöhe von 700 mm und einen Kolbenhub von 600 mm. Mit einem Pressenhub können auf ihr bis zu 2.000 Verschlussstopfen hergestellt werden.
Bedingt durch ihre hohe Eigensteifigkeit erreichen die Maschinen Eigengewichte von 25 bis 45 Tonnen. Dies führte bei der Eillieferung der ersten acht Maschinen zu den Abnehmern dazu, dass die Antonov, das größte Flugzeug der Welt, jeweils nur mit zwei Pressen beladen werden konnte.

Hohe Qualitätsanforderungen an Verschlussstopfen

„Wer glaubt, bei sterilen Verschlussstopfen handele es sich um einfach zu fertigende Gummistöpsel, liegt weit daneben“, mahnt Geschäftsführer
Wickert, „ihre Herstellung ist durchaus anspruchsvoll.“ Denn die Stopfen sind ein essentieller Bestandteil der Corona-Impfdosen, mit dem die hochreinen Arzneimittel-Phiolen sauber und dicht verschlossen werden. Da sie mit dem empfindlichen Vakzin in Berührung kommen, müssen sie als potenzielle Partikellastträger strenge Vorgaben erfüllen. Außerdem benötigen sie eine Zulassung der zuständigen Gesundheitsbehörden.
Die Anforderungen betreffen Maßhaltigkeit, Dichtheit und das Rückstellvermögen (Compression Set) genauso wie eine hohe Beständigkeit bei extremen Temperaturen sowie gegenüber einer Materialalterung. Zudem müssen die Produkte frei von anhaftenden organischen Partikeln sein und dürfen selber keine Mikroteilchen oder Substanzen emittieren. Während der Herstellung müssen außerdem Qualitätsnachweise erstellt und Prozessdaten dokumentiert werden, so dass die Produktion einzelner Chargen rückverfolgt werden kann. Hierzu sind die Pharmapressen mit vielfältigen Überwachungsmodulen ausgerüstet. Über eine entsprechende Sensorik werden Daten wie Temperatur, Druck, Zeit, Geschwindigkeiten und Vakuum erfasst und in der Maschinensteuerung permanent über Toleranzbänder ausgewertet.

Nur maßhaltige Stopfen mit ausreichendem Rückstellvermögen sind dicht

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Pharmazulieferer produzieren auf den Wickert-Pressen neben pharma-zeutischen Verschlussstopfen auch Spritzenkolben für Einwegspritzen und Nadelschutzkappen aus Elastomer.Bild: Wickert Maschinenbau

Wie dicht ein Verschlussstopfen ist, hängt zu einem großen Teil von seiner Maßhaltigkeit und seiner Rückstellkraft ab. So sind bei den Abmessungen sehr enge Toleranzen vorgegeben. Diese sollen gewährleisten, dass die Stopfen zuerst reibungslos durch ihre schnell laufenden Abfülllinien transportiert werden und nachher die Phiolen zuverlässig abdichten.
Um die geforderte hohe Maßhaltigkeit während der Produktion zu erreichen, müssen alle Stopfen unter demselben spezifischen Vulkanisationsdruck geformt werden. Voraussetzung hierfür ist neben einem hohen Pressdruck eine exakte Parallelität der Pressplatten, auf die unter anderem die hohe Biegesteifigkeit der Maschinen einen wichtigen Einfluss hat. Neben exakten Abmessungen ist die Rückstellkraft des Stopfens wichtig für seine Dichtheit. Denn er erzeugt den Anliegedruck an der Innenwand und den Druck auf die Dichtkante am oberen Rand der Phiole.

Hochgenaue Temperaturverteilung mit Toleranzen unter ± 1 °C

Damit die Rückstellkräfte aller Stopfen ausreichend und gleichmäßig sind, müssen sie mit derselben Temperatur gefertigt werden. Schon eine Differenz von ein oder zwei Grad Celsius erzeugt verschiedene Vulkanisationsgrade in der Butylmischung und kann zu unterschiedlichen Rückstellkräften führen. Ein gleichmäßig hoher Qualitätsstandard könnte so nicht gewährleistet werden. „Deshalb garantieren unsere Pharmapressen eine hochgenaue Temperaturverteilung in den Vulkanisationswerkzeugen. Die Toleranzen sind bei Temperaturen von bis zu 230 °C kleiner als ± 1 °C“, versichert Hans-Joachim Wickert. Erreicht wird diese hohe Genauigkeit durch eine Mehrzonenregelung, die mit Hilfe einer speziell entwickelten Closed-Loop Regel-Software geregelt wird.

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Die Anforderungen an die Maßhaltigkeit der Stopfen stellt an die Pressen hohe Qualitätsansprüche. Bild: Wickert Maschinenbau

Kautschukmischungen neigen zu unerwünschten Lufteinschlüssen

Qualitätseinbußen können außerdem durch Lufteinschlüsse in den Verschlussstopfen entstehen. Sie stellen nicht nur Ungänzen dar, sondern beherbergen in ihrer Nachbarschaft auch unvulkanisiertes Material. Dieses wird dann im weiteren Prozess frei und verunreinigt als Partikel das Endprodukt. Deshalb müssen Lufteinschlüsse unbedingt vermieden werden.
„Allerdings neigen die im Pharmabereich eingesetzten Kautschukmischungen sehr stark zur Bildung von Lufteinschlüssen“, erläutert der Geschäftsführer. Daher findet der Vulkanisationsprozess in der Pharmapresse vollständig im luftleeren Raum, in Vakuumkammern statt. Bei dem dort herrschenden Unterdruck von bis zu minus 950 mbar entsteht ein sehr sicherer und leicht zu kontrollierender Vulkanisationsprozess ohne Lufteinschlüsse.

F. Stephan Auch

Auchkomm Unternehmenskommunikation, Nürnberg

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