Das elastische Verhalten eines Formteils auf die Krafteinwirkung von Greifern, Saugern oder Druckluft und das hohe Temperaturniveau von Gummiteilen beim Entformungsvorgang sind herausfordernde Rahmenbedingungen für die Handhabung von Elastomer-Formteilen. Kleinteile, wie O-Ringe, Dichtscheiben oder Abschlagdämpfer stellen den Automatisierungstechniker trotzdem kaum vor Probleme. Sie werden auf kleinen bis mittelgroßen Horizontalmaschinen mit Multikavitäten-Werkzeugen gefertigt. Zur Entformung werden Bürstvorrichtungen mit rotierenden Walzenbürsten eingesetzt. Dies ist seit vielen Jahren allgemeiner Standard.
Anders gelagert ist die Produktion größerer und komplexerer Formteile. Hier ist die automatisierte Handhabung noch weit entfernt von einer flächendeckenden Anwendung. Grundsätzlich – und da besteht kein Unterschied zum Kunststoff-Spritzguss – rechnen sich Automationseinrichtungen erst ab einer bestimmten Mindestlosgröße, die oft nicht erreicht wird. Hinzu kommt, dass das Layout von Handlingeinrichtungen für weiche Gummiteile, die noch dazu bis zu rund 180°C heiß sein können, in viel höherem Ausmaß unkonventioneller Denkansätze bedarf, als es vergleichsweise formstabile und kühlere Kunststoffteile erfordern. Dennoch: Es gibt sie, die innovativen Konzepte, die Gummiteile-Produktionen wirtschaftlicher und konstanter machen. Eine Analyse derartiger Projekte zeigt, dass der Schlüssel zum Erfolg das enge Zusammenspiel aller Projektpartner ist, vom Mischungshersteller über den Formteilkonstrukteur, den Maschinen- bzw. Werkzeugbauer bis zum Teileproduzenten. Doch eine erfolgreiche Zusammenarbeit setzt die Flexibilität der Partner voraus, sich auf die Ideen und Erfahrungen der jeweils anderen Seite einzulassen.
Nachstehend geben vier Beispiele aus dem Anlagenbau des Spritzgießmaschinenbauers LWB Steinl Einblicke in die heute schon bestehenden Möglichkeiten zur Handlingautomation für elastische Formteile. Die Investition in eine Automatisierungsanlage rechnet sich erst ab einer bestimmten Mindestproduktionsmenge. Sie wird bestimmt durch die Stückkosten, die erforderliche Formteil-Qualität und die geplante Ausstoßmenge pro Zyklus.
32 exakt dimensionierte Gummirohre in 180 Sekunden fertigen
Im Fall eines Produktionsprojekts, bei dem 32 Stück Gummirohre mit einer exakten Länge von 30 cm innerhalb von 180 Sekunden im Ganzjahres-Dauerbetrieb zu fertigen und nachzubearbeiten sind, waren die Voraussetzungen für die Investition in eine Automatisierung. gegeben. Die technische Lösung beginnt mit dem seitlichen Ausfahren des Werkzeug-Unterteils aus der vertikalen Spritzgießmaschine. Die 160° C heißen Formteile werden durch einen 32-fach Greiferkopf an einem Linearhandlinggerät, an den aus den Kavitäten oben herausragenden Angussbereichen der Rohre gefasst. Die in acht Reihen zu jeweils vier Teilen auf dem Greiferkopf hängenden Rohre werden anschließend Vierer-Reihe um Vierer-Reihe von einem seitlich daneben befindlichen Pick-and-Place-Handling abgenommen und auf eine getaktete Förderbandstrecke aufgelegt. Auf dieser durchlaufen sie eine Kühlstrecke, einerseits um die Rohre in ihrer Länge zu stabilisieren, andererseits um den Angussbereich so kompakt und fest zu machen, dass ein sauberer Schnitt mit der Trenn-Guillotine möglich ist. (Abb.1, 2 und Abb.3a+3b).
Anschließend übergibt ein weiteres Kleinhandling jedes Formteil einzeln an ein Förderband, mit dem es durch eine Inkjet-Druckstation zur Produktkennzeichnung geschleust und am Ende an einen Fertigteilbehälter übergeben wird (Abb. 4).
48 Platten automatisch entnehmen
Dass noch umfangreichere Stückzahlen pro Zyklus bewältigt werden können, belegt das nächste Beispiel, bei dem es um die Großserien-Produktion von Unterlegplatten für die Dachmontage von Solarmodulen geht. In diesem Fall ging es von Anfang an um die maximal mögliche Senkung der Produktionskosten. Deshalb wurde entschieden, die zur
Bedarfsdeckung notwendige Produktionskapazität nicht über vier 12-fach oder zwei 24-fach Spritzgießeinheiten aufzubringen, sondern durch eine 48-fach Produktionseinheit. Dass die dabei anfallende Teileflut nicht zuletzt wegen der resultierenden Werkzeuggröße manuell nicht zu bewältigen war, war von Anfang an klar. Dass aber die automatisierte Alternative trotz hoher Fachzahl überraschend einfach realisiert werden konnte, zeigen die Abbildungen 5, 6, und 7a+b. Die
Schlüsselidee war, die Formteile im Werkzeug in acht Reihen zu je sechs Formteilen stehend und damit maximal platzsparend einzuformen. Ein weiterer Kniff war, bei der Kavitätengestaltung darauf zu achten, dass bei der Öffnung des Spritzgießwerkzeugs die Gummiplatten so viel oben aus den Schrägschiebern des Werkzeug-Unterteils herausragen, dass sie mit Zangengreifern im Übernahmekopf erfasst werden können. Nach dem Greifen der Formteile werden die Schiebereinsätze geöffnet und das Werkzeug-Unterteil abgesenkt, sodass der Greiferkopf aus dem Formenbereich ausfahren kann. Dieser befindet sich mit einem Fahrschlitten auf einer horizontal an der Maschinenhinterseite angebauten Rahmenkonstruktion, auf der er im Pendelbetrieb zwischen der Maschine und dem Fertigteil-Abwurfbereich bewegt wird. Insgesamt ist die sehr „lean“ und dennoch stabil ausgefallene Automatisierung für eine Großserienproduktion ein Paradebeispiel für die Notwendigkeit zur interdisziplinären Abstimmung aller Projektpartner.
Metall-/Gummi-Verbundteile automatisiert produzieren
Eine nicht minder anspruchsvolle Automatisierungsaufgabe ist die Produktion von Metall/Gummiverbundteilen, wie es Wellendichtringe, Schwingungsdämpfer oder Motorlager sind. Für deren Produktion bieten Vertikalmaschinen mit holmloser C-Rahmen-Schließeinheit die besten ergonomischen Bedingungen für die Zusammenarbeit mit einem Handling-Roboter. Und zwar, weil kein Holm umfahren werden muss. Dadurch kann für den Teiletransfer zwischen der Einlegeteil-Bereitstellung und der Fertigteil-Ablagestation ein einfaches Lineargerät eingesetzt werden. Dieses wird an die feststehende obere Maschinenplatte angebaut und ragt seitlich über die Peripheriestationen heraus (Abb.8). Der Fahrschlitten des Linearhandlings trägt zwei, gemeinsam bewegte Übernahmeköpfe. Den einen zum Aufnehmen der Metallteile von der Bereitstellungsstation und zum Einlegen in das Spritzgießwerkzeug, den anderen zum Entnehmen der Fertigteile und Ablegen auf eine Nachkühl- oder Nachbearbeitungsstation (Abb.9).
Das Aufgeben der Metallteile an die der Zentrier- bzw.
Aufnahmestation vorgelagerte Staustrecke erfolgt in diesem Fall manuell. Sie eröffnet das nötige Zeitpotenzial für eine Mehrmaschinen-Bedienung samt Qualitätsbeobachtung. Die
Fertigteile passieren daneben in umgekehrter Richtung einen Kühltunnel, bevor sie ebenfalls in eine Staustrecke eingespeist werden. Von dort können sie entweder manuell oder per Roboter in Logistikboxen abgelegt werden. Als einfaches Hilfsmittel für die Aufgabe der Einlegeteile in korrekter Oben/Unten-Orientierung dienen einfache Konturschablonen an den Aufgabestellen (Abb.10).