In der Reifenindustrie werden Mischungen traditionell mehrstufig hergestellt. Dies liegt an den relativ hohen Viskositäten der Mischungen, die von Mischungsstufe zu Mischungsstufe reduziert werden müssen, damit diese problemlos weiterverarbeitet werden können. Die Anzahl der Mischungsstufen reicht dabei von 2 bis 5, je nachdem, ob es sich um PKW-Reifen, LKW-, Bus- oder sogenannte „Off-The-Road“-Reifen (OTR) handelt.
In der Reifenindustrie werden häufig tangierende Kneter der Größen 270-Liter-, 370-Liter- und 620-Liter-Klasse eingesetzt, die sogenannten Banbury-Maschinen. Der Begriff Banbury ist dabei zum Synonym für den Kneter geworden. Ein großer Vorteil dieses Maschinentyps ist das gute Einzugsverhalten. Weiterhin können vergleichsweise hohe Füllgrade gewählt werden. Diese beiden Punkte ermöglichen kurze Mischzeiten und damit hohe Durchsätze.
Seit 10 bis 15 Jahren hält der ineinandergreifende Kneter auch in der Reifenindustrie Einzug. Ein wesentlicher Grund hierfür ist durch Silikamischungen gegeben, die oft schwierig zu dispergieren sind. Weiterhin ist, bedingt durch die ablaufende chemische Reaktion zwischen dem Silika-Silan-Komplex, das Kühlvermögen des Kneters von großer Bedeutung. An dieser Stelle weist der ineinandergreifende Kneter gegenüber dem tangierenden – bedingt durch den zusätzlichen Mischeffekt zwischen den Rotoren und der ca. 20 Prozent größeren Kühloberfläche bei gleichem Leervolumen – Vorteile auf. Der größere Zeitbedarf für den Materialeinzug relativiert sich bei längeren Mischzeiten, wie sie bei Silikamischungen vorherrschen.
Die Anforderungen an Reifenmischungen steigen stetig an. Die Europäische Union hat zum Beispiel seit dem 01.11.2012 das EU Reifenlabel eingeführt, welches – ähnlich wie die Energieeffizienz bei Elektrogeräten – die drei wichtigen Reifeneigenschaften Haftungsverhalten bei Nässe, Geräuschemission und Kraftstoffverbrauch in unterschiedliche Klassen A bis G spezifiziert.
Das Ziel ist, den Kraftstoffverbrauch bis 2020 um 20 Prozent zu reduzieren [1]. Die Anforderungen sollen dann ab 2020 nochmals deutlich ansteigen, was aller Voraussicht nach zu noch komplexeren Rezepturen und Mischprozessen führen dürfte. Dabei werden wahrscheinlich flüssige Polymere, neue Füllstofftypen und sonstige Zusatzstoffe eine wichtige Rolle spielen.
Gleichzeitig nimmt natürlich auch der Preisdruck im Produktionsprozess des Reifens weiter zu, ein Prozess, der durch die fortschreitende Globalisierung beschleunigt wird. Für den Mischprozess bedeutet dies, dass die Anforderungen an die Maschine bezüglich Dispersion, Distribution, Temperaturkontrolle und Prozesskonstanz bei verbesserter Wirtschaftlichkeit zunehmen müssen. Potenziale sind durch neue Rotorgeometrien, Prozessregelsysteme und einem ganzheitlichen Ansatz für die Mischsaalauslegung und Automationslösungen gegeben.
Die Idee und Realisierung des Tandemverfahrens
Im Jahr 1987 patentierte Dr. Julius Peter(†) das sogenannte Tandem-Mischverfahren. Dr. Peter war derzeit Technikvorstand der Continental, Hannover [2]. Die Idee einer Tandemlinie besteht darin, einen Stempelkneter als Obermaschine mit einer stempellosen Untermaschine zu kombinieren, wie Bild 2 dies zeigt. Der ursprüngliche Ansatz war dabei, Mischprozesse einstufig fahren zu können. Die Dispersion sollte im oberen Stempelkneter stattfinden und die Viskositätserniedrigung, zuzüglich eventuell notwendiger Kühlschritte sowie Zugabe von Beschleunigersystemen – in der stempellosen Untermaschine.
Es ist leicht nachzuvollziehen, dass hierdurch deutliche Kosteneinsparungen zu erhoffen waren, da sämtliche Zwischenlagerungsschritte wegfallen und sich die gesamte Mischzeit von der Grund- bis zur Fertigmischung verkürzen dürfte.
Um nun die Tandemidee in eine funktionierende maschinenbauliche Lösung zu wandeln, mussten zunächst einige kritische Punkte überwunden werden. Eines der Kernprobleme war das Halten der Mischung in der Untermaschine, denn diese wird durch die Rotoren – je nach Rotorsystem – in unterschiedlichem Maße in den Schacht gedrückt, womit sie nicht vollständig am Mischprozess teilnehmen würde.
Zur Auswahl stehen grundsätzlich tangierende und ineinandergreifende Rotorsysteme mit ihren spezifischen Vor- und Nachteilen. Tangierende Rotoren begünstigen durch ihr besseres Einzugsverhalten das Halten der Mischung in der Untermaschine. Ineinandergreifende Rotoren weisen dagegen ein besseres Kühlverhalten auf und zeigen Vorteile hinsichtlich des Abbauverhaltens. Nachteilig wirkt sich hier das ungünstigere Einzugsverhalten aus.
Im Gegensatz zu tangierenden Rotoren kann man ineinandergreifende aber unterfüllt fahren, wie Bild 3 zeigt. Diese weisen ein deutlich breiteres optimales Füllgradspektrum auf, woraus ein flexiblerer Einsatz resultiert. Überschreitet man jedoch den maximalen Füllgrad, nimmt die Qualität rapide ab. Bei tangierenden Rotoren ist diese Sensibilität in beiden Richtungen gegeben, d. h. gegenüber Über- und Unterfüllung. In diesem Fall kann mehr oder weniger von einem optimalen Betriebspunkt gesprochen werden, der aber einige Prozentpunkte höher liegt als bei ineinandergreifenden Rotoren.
Somit bot sich als Lösung an, die Untermaschine größer zu bauen und unterfüllt zu fahren, damit die Vorteile der besseren Kühlung und des besseren Abbauverhaltens nutzbar werden. Zusätzlich musste die ineinandergreifende Rotorgeometrie hinsichtlich des Einzugsverhaltens optimiert werden, womit der „Tandemrotor“ geboren war. In der Obermaschine können prinzipiell tangierende und ineinandergreifende Rotoren eingesetzt werden. Dies sollte anhand der Anwendung festgelegt werden.
Kühlungseigenschaften und Gleichgewichtstemperatur
Da die Bedeutung einer guten Kühlung insgesamt zunimmt, soll der Unterschied an Hand der geometrischen Verhältnisse zwischen tangierenden und ineinandergreifenden Rotorsystemen nochmals durch Bild 4 verdeutlicht werden.
Bild 4 zeigt das Mischer-Leervolumen als Funktion der temperaturkontrollierten Oberfläche für tangierende und ineinandergreifende Maschinen. Am Beispiel von 250-Liter-Knetern ist erkennbar, dass der Unterschied der zur Verfügung stehenden Kühloberfläche 20 Prozent beträgt. Grundsätzlich geht die Schere bei größeren Maschinen auf, d. h. die Differenz wird zugunsten des ineinandergreifenden Kneters größer.
Betrachtet man nun die Differenz der Kühlflächen einer Tandemlinie der Größe IM320E (Obermaschine) und IM550ET (Untermaschine), so ergibt sich noch ein weiterer Nebeneffekt, der im Folgenden diskutiert werden soll. Der IM320E weist eine Kühloberfläche von 8,5 m2 auf, der korrespondierende IM550ET 11,3 m2. Ausgehend von einem Batchgewicht von 250 kg würde sich eine spezifische Kühloberfläche von 340 cm2/kg ergeben, und im IM550ET von 450 cm2/kg, was einem Zuwachs von über 30 Prozent entspricht. In der größeren Tandem-Untermaschine „sieht“ die Mischung folglich eine größere Kühlfläche. Hierdurch ergeben sich in der Tandem-Untermaschine niedrigere Gleichgewichtstemperaturen als in einer „optimal“ gefüllten Maschine.
Bild 5 zeigt die Gleichgewichtstemperaturen als Funktion der Drehzahl für einen Stempelkneter und einer korrespondierenden stempellosen Tandem-Untermaschine schematisch. Bedingt durch den Größenunterschied der beiden Maschinen sollten sich in der Tandem-Untermaschine über den gesamten Drehzahlbereich niedrigere Gleichgewichtstemperaturen einstellen. Das bedeutet, die Rotordrehzahl kann in der Tandem-Untermaschine bei gleicher Zieltemperatur höher eingestellt werden als in einem Stempelkneter. Hierdurch wird die Distributionsleistung verstärkt, weil das Material stärker bewegt wird.
Überträgt man diese Überlegung auf eine Silika-Grundmischungsherstellung und vergleicht die Realisierung der Silanisierungsreaktion mit einem Stempelkneter oder einer Tandem-Untermaschine, so sollte auch die Silanisierungsreaktion – bedingt durch die höhere Drehzahl in der Tandem-Untermaschine – bei gleicher Zieltemperatur schneller ablaufen. Begünstigend wirkt sich in der Tandem-Untermaschine der fehlende Stempel aus, da sich entstehende Reaktionsprodukte durch das offene System leicht absaugen lassen. Es lässt sich abschätzen, dass die Rotordrehzahl mischungsabhängig bis zu 20 Prozent höher gewählt werden kann, wenn man die Maschinengrößen IM320E und IM550ET vergleicht.
Prozessaufteilung in Dispersion und Distribution
Die ursprüngliche Idee, möglichst viele oder im Idealfall alle Mischungen einstufig herstellen zu können, ist heute noch nicht vollständig erreicht. Sicherlich ist aber ein Trend in diese Richtung festzustellen. Grundsätzlich eröffnet das Tandemverfahren die Möglichkeit, den Prozess in die Teilschritte Dispersion und Distribution aufzuteilen. Dabei fällt der Obermaschine bedingt durch den vorhandenen Stempel die Rolle des Dispergierens zu. Die Obermaschine muss die Rezepturbestandteile in die Mischkammer einziehen und den dispersiven Mischprozess abschließen, bevor die Mischung in die Untermaschine übergeben werden kann.
Die Untermaschine muss die Distributionsaufgabe übernehmen. Ebenso können hier auch chemische Reaktionen wie zum Beispiel die Silanisierungsreaktion ablaufen da, wie zuvor ausgeführt – bedingt durch die ineinandergreifende Rotorgeometrie und die Größe der Untermaschine – sehr gute Kühleigenschaften gegeben sind.
Die Prozessaufteilung lässt sich anschaulich an Hand einer reaktiven Grundmischungsherstellung darstellen. Bild 6 zeigt die Prozessparameter Strom, Leistung, Stempelweg und Rotordrehzahl einer reaktiven Grundmischung, hergestellt in einem Stempelkneter. Zunächst werden die Füllstoffe eingearbeitet und dispergiert, bis die Dispersion abgeschlossen ist und kein freier Füllstoff mehr vorliegt. Gleichzeitig steigt die Temperatur an, bis die Reaktionstemperatur erreicht ist. Im Folgenden wird die Rotordrehzahl reduziert, um die Temperatur konstant zu halten, wozu üblicherweise Drehzahlregler zum Einsatz kommen sollten. Eine Überschreitung wäre sehr schädlich, da die Mischung dann „anspringen“ könnte. An dieser Stelle wird nochmals deutlich, dass das Kühlverhalten der Rotoren wichtig ist, denn für einen effizienten Prozess muss man möglichst nah an die maximal zulässige Reaktionstemperatur heranfahren können. Gemäß Arrhenius [2] wird die Reaktionsgeschwindigkeit maßgeblich durch die Temperatur beeinflusst. Je höher die Temperatur gewählt werden kann, desto schneller läuft die Reaktion ab.
Nimmt man an, dass die Dispersionsphase genauso lange dauert wie die Reaktionsphase, so ließe sich der Prozess mit einer Tandemmischanlage gegenüber einem einzelnen Stempelkneter genau in der Mitte aufteilen. Wie bereits dargestellt, würde die Dispersionsphase in der Obermaschine ablaufen müssen, und die reaktive Phase in der Tandem-Untermaschine.
Die Bilder 7 und 8 zeigen die Einzelprozesse in Ober- und Untermaschine. Zu erkennen ist, dass der Prozessverlauf in der Untermaschine anders aussieht als der entsprechende Verlauf im Stempelkneter gemäß Bild 6. Zunächst wird eine warme und quasi homogene Mischung in die Untermaschine übergeben, welche von dieser einzuziehen ist.
Einzugsprobleme sind hier nicht zu erkennen, da praktisch sofort Leistung abverlangt wird. Ebenfalls sind auf grund der warm übergebenen Mischung keine Leistungsspitzen erkennbar, wie dies beim Stempelkneter zu Prozessbeginn zu sehen ist. Somit kann der Antrieb „verhältnismäßig“ klein ausgelegt werden und benötigt keine hohen Überlastfaktoren.
Wenn es, wie in diesem Beispiel gezeigt, möglich ist, den Prozess genau in der Mitte aufzuteilen, dann würde man mit dem Tandemverfahren gegenüber dem herkömmlichen Stempelkneter eine Halbierung der Zykluszeit bzw. eine Verdopplung der Durchsatzleistung der Linie erreichen.
Entgasung und Klebeproblematik
Ein großes Problem bei reaktiven Mischungen stellt heute die Porosität und die Klebrigkeit dieser Mischungen dar.
Porositäten sind ein Zeichen für unvollständige Entgasung von auftretenden Reaktionsprodukten oder enthaltenem Wasser aus Rohstoffen. Diesbezüglich weist die Tandem-Untermaschine einen großen Vorteil durch das offene System auf (fehlender Stempel). Es ist sehr einfach möglich, aus dem Übergabeschacht zwischen Ober- und Untermaschine eine Absaugung anzuschließen, die entstehenden Reaktionsprodukte oder verdampfendes Wasser effektiv entfernen kann. Es ist leicht vorstellbar, dass Extrusionsprozesse bei geringerer Porosität der Mischung besser und effektiver gestaltet werden können.
Die Problematik des Klebens von reaktiven Mischungen kann u. a. mit einer unvollständig abgelaufenen Reaktion erklärt werden. Das Tandem-Prinzip stellt sicher, dass genauso viel Zeit für den Reaktionsablauf zur Verfügung steht, wie für die Einarbeitungs- und Dispersionsphase (Obermaschinen-Prozess). Da, wie in Kapitel 2.3 ausgeführt, in der Tandem-Untermaschine relativ gesehen a) höhere Drehzahlen gefahren werden können, b) dem Mischgut größere Oberflächen geboten werden und damit dünnere Schichten vorliegen und c) die Möglichkeit des effektiven Abzugs von gasförmigen Bestandteilen aus der Mischung bestehen, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit des vollständigen Reaktionsablaufs signifikant. Dies sollte die Neigung des Klebens auf Austragswalzen z. B. an Convex Austragsextrudern vermindern (siehe Bild 9).
Wirtschaftliche Aspekte
Im Folgenden soll der Frage nach möglichen Anwendungsmöglichkeiten des Tandemverfahrens nachgegangen und damit verbundene wirtschaftliche Aspekte diskutiert werden. Hierzu werden einfache Beispiele möglicher Prozessaufteilungen definiert, die sicherlich als theoretische Grenzfälle zu verstehen sind.
Grundsätzlich sollten diese Überlegungen von der Möglichkeit der Prozessaufteilung aus angestellt werden. Bei der Herstellung von Grundmischungen müssen „schwarze“ Mischungen und reaktive Mischungen unterschieden werden. Bei „schwarzen“ Grundmischungen muss mindestens die sogenannte „Black-Incorporation-Time“ (BIT) überfahren werden, damit kein offener Füllstoff mehr vorliegt. Vorher kann nicht ausgeworfen werden. Oft werden Grundmischungen länger gemischt, damit die Dispersion weiter vorangetrieben wird.
Bild 10 illustriert dies schematisch, wobei hier ein deutliches Überfahren der BIT unterstellt wird. Es kann abgeschätzt werden, dass bis zu 25 Prozent der Mischzeit eingespart werden könnte, wenn man den Prozess von einem einzelnen Stempelkneter auf eine Tandemlinie übertragen würde. In der Tandem-Obermaschine müsste die BIT ebenfalls sicher überfahren werden, bevor in die Untermaschine übergeben werden kann. Die Vorgehensweise hätte neben der 25 prozentigen Mischzeiteinsparung bzw. Durchsatzerhöhung den weiteren Vorteil, dass die Mischung in der Untermaschine genauso lange verweilt wie in der Obermaschine, was faktisch durch den parallelen Betrieb von Ober- und Untermaschine zu einer realen Mischzeitverlängerung von 50 Prozent in dem Rechenbeispiel führen würde. Da viele Mischungen im Reifenbereich mehrstufig gefahren werden, eröffnen sich Möglichkeiten der Mischstufenreduzierung.
Bei reaktiven Grundmischungen wie zum Beispiel Silikamischungen kann, wie zuvor bereits ausgeführt, eine Prozessaufteilung bei halber Mischzeit erfolgen, wie Bild 12 zeigt. Daraus resultiert eine Halbierung der Mischzeit bzw. eine Durchsatzerhöhung von 100%.
Betrachtet man reine Remillstufen, das heißt Mischstufen, in denen es lediglich um die Reduzierung der Mischungsviskosität geht und bei denen die Dispersion durch die Zugabe von kalten Mischungsfellen deutlich verbessert werden kann, so ist zu unterstellen, dass die Prozessaufteilung theoretisch betrachtet ebenfalls genau mittig stattfinden kann (Bild 12). Auch hier würde sich eine Durchsatzsteigerung von 100 Prozent erreichen lassen.
Bei Fertigmischungen müssen zunächst Mischungsfelle zugegeben und Viskositäten reduziert werden, damit das Material aufnahmefähig für Vernetzungschemikalien wird. Die Chemikalien können sodann in der Obermaschine kurz vor der Übergabe in die Untermaschine oder direkt in die Untermaschine gegeben werden. Es lässt sich abschätzen, dass bis zu 40 Prozent der Zykluszeit bezogen auf einen reinen Stempelkneterprozess mit dem Tandemverfahren einsparbar sind (Bild 13). Somit lässt sich subsumieren, dass sich durch das Tandemverfahren in den unterschiedlichen Mischungsstufen, und sicherlich in der weiteren Detaillierung, mischungsabhängig unterschiedliche Einsparpotenziale ergeben. Wie eingangs erwähnt, werden Reifenmischungen bedingt durch die hohen Viskositäten oftmals mehrstufig hergestellt. Als grobe Hausnummern kann für PKW-Mischungen eine mittlere Stufenzahl von 2,3 und für LKW-Reifen eine Zahl von 3 angegeben werden.
Die Stufenzahl 2,3 bedeutet nun zum Beispiel, dass jeweils eine Grund- und Fertigmischung benötigt wird, und 30 Prozent des Mischungsspektrums eine Remillstufe erfordern. Ausgehend von der Tatsache, dass die relativen Einsparpotenziale für Silikamischungen und Remillstufen am größten sind, führt die Berücksichtigung der absolut benötigten Mischungsmengen zu dem Ergebnis, dass das Tandemverfahren für alle Stufen interessant ist. Silikamischungen machen nämlich nur knapp 10 Prozent der notwendigen Menge aus und Remillstufen bei PKW Reifen im Schnitt nur 30 Prozent bezogen auf die Grundmischungsmenge. Fertigmischstufen werden jedoch immer benötigt, wenn die Möglichkeit einstufiger Mischungsherstellung hier zunächst unberücksichtigt bleiben soll.
Ausgehend von diesen Überlegungen soll ein Rechenbeispiel die wirtschaftliche Bedeutung dieses Aspektes beleuchten. Es soll die Produktion von 10 Mio. PKW-Reifen mit einem Stückgewicht von 10 kg und Silikalauffläche unterstellt werden. Bei 2,3 Mischstufen würden folglich 230.000 Tonnen Mischung pro Jahr benötigt. Für die einzelnen Mischungstypen Ruß und Silika sowie den Mischungsstufen werden die in Tabelle 1 angegebenen Zykluszeiten für konventionelle Stempelkneter und Tandemlinien gemäß den in den Bildern 10 bis 13 dargestellten Einsparpotenzialen definiert. Weiterhin wird in Tabelle 1 der Anteil der benötigten Mischungsmenge abgeschätzt und die benötigte absolute Mischungsmenge in Tonnen pro Jahr berechnet.
Zur Berechnung wird vereinfachend eine Mischungsdichte von 1,15 kg/dm3 angegeben. Für die ineinandergreifenden Linien wird mit einem Füllfaktor von 0,65 für PES5- und PES6-Rotoren gerechnet und für tangierende Linien mit 0,7. Die effektive Produktionskapazität wird mit 6.000 Stunden pro Jahr angesetzt, wobei ein Produktionsgrad von 1 unterstellt wird.
Tabelle 2 zeigt, dass sich die benötigten Mischungsmengen entweder mit 7 herkömmlichen Linien oder mit 4 Tandemlinien herstellen lassen. Dabei wird unterstellt, dass bei den herkömmlichen Linien gemäß Option 1 die Remillmenge ebenfalls auf der Rußlinie produziert werden kann, und etwaige Restmengen auf die anderen Linien umverteilt werden können. Bei Option 2 (Tandem) wird unterstellt, dass die Silika-, Ruß- und Remill-Mischungsmenge auf den gleichen Big-Tandem-Linien produziert werden. Die Investitionskosten unterscheiden sich um ca. 5 Mio. EUR, wobei dies ausschließlich die Investitionskosten für die Maschinen betrifft. Da vier Tandemlinien sicherlich trotz der zusätzlich benötigten Gebäudehöhe weniger Fläche bzw. Hallenvolumen benötigen, ergeben sich für diese Option weitere Kostenvorteile. Da durch das Tandemverfahren Mischstufen eingespart werden können, entsteht die Möglichkeit, notwendige Mischungslager zu reduzieren.
Berechnung der Mischungskosten
Im Folgenden werden die Mischungskosten berechnet. Die Linien sollen auf 10 Jahre abgeschrieben und es soll ein Zinssatz von 4 Prozent unterstellt werden. Die Zinsbelastung wird vereinfachend auf die halben Investitionskosten gerechnet. Weiterhin werden 5 Prozent Wartungskosten bezogen auf den Anschaffungswert aller Linien angesetzt und die Energiekosten werden bei beiden Optionen konstant gelassen, da zu unterstellen ist, dass für die Realisierung einer bestimmten Mischungsqualität dieselbe Energie benötigt wird. Für die Berechnung der Personalkosten werden bedingt durch die zu bewegenden großen Rohmaterialmengen 3 bis 4 Personen pro Linie und Schicht bei einem mittleren Westeuropäischen Gehaltsniveau von 50.000 EUR unterstellt. Die großen Mischlinien benötigen 2 Personen am Beschickungsband und eine Person im Unterland, während die kleineren Linien, und hier insbesondere die Fertigmischungslinien, mit jeweils einer Person im Ober- und Unterland auskommen sollten. Pro Linie werden zudem ein halber Logistiker zum Transport der Rohmaterialien und eine halbe Person für die Kleinkomponentenverwiegung gerechnet. Insgesamt ergibt sich dadurch für die herkömmlichen Linien eine Gesamtpersonenzahl von 72 und für die Tandemlinien von 42.
Aus der vereinfachten Berechnung lässt sich folgern, dass sich die spezifischen Mischkosten bei den gewählten Linienkonfigurationen um knapp 15 Prozent zugunsten des Tandemverfahrens unterscheiden. Absolut betrachtet ergibt sich eine jährliche Kostendifferenz von 1,888 Mio. EUR. Weitere monetäre Vorteile sollen nachfolgend analysiert und bewertet werden.
Bezieht man den größeren Platzbedarf für die herkömmlichen Linien gemäß Option 1 ein, so lässt sich folgende Abschätzung vornehmen: Bei einem ca.-Flächenbedarf von 20 x 50 Metern für eine Mischlinie, der sich bei den betrachteten Linien nur geringfügig unterscheiden sollte und damit vernachlässigbar ist, ergeben sich Unterschiede in den Gebäudehöhen für Option 1 und 2. Grob kann von zusätzlichen 5 Metern für die Tandemoption ausgegangen werden, also ca. 25 m Gebäudehöhe für Option 1 und 30 m für Option 2. Somit ergeben sich umbaute Volumina pro Mischlinie von 25.000 m3 bzw. 30.000 m3. Bei der unterstellten Mischlinienanzahl resultieren für Option 1 zusätzliche 55.000 m3 Raumbedarf, was bei angenommenen 300 EUR/m3 Herstellkosten inklusive Nebenkosten und Einbauten für den umbauten Raum ein zusätzliches Investitionsvolumen von 16,5 Mio. EUR bedeuten würde. Daraus ergeben sich zusätzliche jährliche Betriebskosten aus AFA und Zinsbelastung von 880.000 EUR (4 Prozent Zinsen, Abschreibungszeitraum 30 Jahre).
Rechnet man nun noch die zusätzlichen Installationskosten für Option 1 ein, so ergeben sich bei angenommenen 20 Prozent Installationskosten bezogen auf die in Tabelle 2 dargestellte Investitionssumme weitere Kosten von ca. 1 Mio. EUR.
Beleuchtet man die Möglichkeit der Mischstufeneinsparung, so ergeben sich weitere Vorteile durch das Tandemverfahren. Dies bedeutet nämlich, dass deutlich weniger Fläche für Mischungsläger bereitgestellt werden muss. Es fallen weniger Transporte an und die Verwechselungsgefahr und somit der Komplexitätsaufwand wird minimiert. Unterstellt man zum Beispiel, dass sich, ausgehend von den 2,3 Mischstufen, eine halbe Mischstufe im Schnitt einsparen lässt, so wären lediglich 1,8 Mischstufen entsprechend 180.000 to/a herzustellen. Einige Mischungen müssten dann einstufig entwickelt werden und Remillstufen würden entfallen.
Dieses Szenario ist sicherlich als ambitioniert zu betrachten, kann aber als realistisch angesehen werden. Ausgehend von 5,68 Cent/kg entspräche dies einer weiteren Einsparung von 2,84 Mio. EUR/a für die reine Mischungsherstellung zuzüglich der einzusparenden Gebäudefläche für die Zwischenlagerung. Diese wären mit jährlichen Kosten von 0,256 Mio. EUR für AFA und Zinsen zu berücksichtigen, wenn man wieder einen Abschreibungszeitraum von 30 Jahren, 4 Prozent kalkulatorische Zinsen, 8 m2/t Flächenbedarf für die Zwischenlagerung [3] und 2 Tage Lagerungshorizont bezogen auf den Grundmischungsbedarf unterstellt. In Summe ergibt sich somit eine Einsparung von 3,095 Mio. EUR/a. Die Reduzierung der Investitionskosten für die entfallende Zwischenlagerung würde 4,8 Mio. EUR betragen. Nebenkosten, wie zum Beispiel die Beheizung dieser Flächen, sind hier vernachlässigt. Konsequenterweise könnte man durch diese Reduzierung der Mischstufenanzahl auf die Bereitstellung der entsprechenden Mischungskapazität verzichten, weil diese ja gar nicht benötigt wird. Hierdurch würden sich die Investitionskosten für Maschinen und Gebäude weiter reduzieren, was aber nicht weiter betrachtet werden soll.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Option 1 deutlich höhere Investitionen hervorrufen würde. In dem Rechenbeispiel wären dies 27,7 Mio. EUR für die Summe aus Maschineninvestition, Gebäude und Installation.
Die jährlichen Betriebskosten für Option 1 schlagen, bedingt durch die höheren spezifischen Mischkosten und dem größeren Gebäudebedarf, mit 2,768 Mio. EUR/a zu Buche. Die Einsparung einer halben Mischstufe im Schnitt würde, ausgehend von 5,68 Cent/kg spezifischer Mischkosten und einem geringer benötigtem Gebäudevolumen von 16.000 m3, ein zusätzliches Einsparpotenzial von 3,095 Mio. EUR/a ergeben. Die Gesamteinsparung dürfte somit in der Größenordnung von ca. 6 Mio. EUR/a liegen, da mit dieser vereinfachten Berechnungsmethode nicht alle Vorteile des Tandemverfahrens monetär bewertet wurden.
Zusammenfassung
Das Tandemverfahren stellt in qualitativer und wirtschaftlicher Hinsicht ein interessantes Verfahren zur Mischungsherstellung dar.
Wesentliche Vorteile können in der Möglichkeit der Prozessaufteilung in Dispersion und Distribution und somit der Mischzeitverkürzung bzw. Durchsatzerhöhung gesehen werden. Da die Mischzeit in der Obermaschine mindestens 50 Prozent der Mischzeit eines vergleichbaren herkömmlichen Prozesses betragen muss, ergibt sich – bedingt durch die gleiche Verweilzeit in Ober- und Untermaschine – eine insgesamt längere Mischzeit. Kann die Mischzeit in der Obermaschine nur um bis zu 25 Prozent verkürzt werden, wie das Beispiel der Rußmischungen zeigt, resultiert eine signifikant längere Gesamtmischzeit durch das Tandemverfahren. Dies wirkt sich positiv auf die Mischungsqualität aus, was in der Folge eine Reduzierung der Mischstufenzahl ermöglichen kann.
Weitere Vorteile sind durch die stempellose Untermaschine in der besseren Entgasungsleistung bei reaktiven Mischungen zu sehen, und der Möglichkeit, zum Beispiel Rücklaufmaterial kapazitätsneutral in der Untermaschine zugeben zu können.
Die unterfüllte Untermaschine offeriert der Mischung zudem eine größere Kühloberfläche, woraus niedrigere Gleichgewichtstemperaturen resultieren, die bei reaktiven Mischungen kürzere Reaktionszeiten bewirken können, wenn die Rotordrehzahlen entsprechend angepasst sind.
Wirtschaftlich gesehen wird klar, dass nicht nur die relativen Einsparpotenziale durch die möglichen Mischzeitverkürzungen bei den einzelnen Mischungsfamilien relevant sind, sondern auch die benötigten absoluten Mischungsmengen pro Mischungsfamilie betrachtet werden müssen. Die absoluten Einsparpotenziale sind in der Regel trotz geringerer relativer Einsparungen bei den Ruß-Grundmischungen und den Fertigmischungsmengen am größten.
Somit weist das Tandemverfahren wirtschaftliche Vorteile auf, die bei reiner Betrachtung der spezifischen Mischkosten neben den aus den Investitionen resultierenden Abschreibungen und Zinsaufwendungen auch von der Höhe der Energie- und Personalkosten abhängen. Bei vergleichbarem Mischungsspektrum sollten in der Regel weniger Tandemlinien im Vergleich zu herkömmlichen Mischungslinien notwendig sein, was trotz der benötigten zusätzlichen Gebäudehöhe und der höheren Investitionskosten für eine Tandemlinie den erforderlichen Platzbedarf und die Installationskosten reduziert. Weiterhin eröffnet die Möglichkeit der Mischstufenreduzierung große Potenziale, da weniger Mischkapazität, Lagerbedarf für die Zwischenlagerung von Mischungsfellen und logistischer Aufwand entstehen, was die Komplexität des Herstellungsprozesses verringert. Hieraus würden sich weitere Vorteile hinsichtlich des Kapazitäts- und damit Investitionsbedarfs ergeben.
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