LWB-Steinl und LWB-Automation, dessen auf Automatisierungsprojekte fokussierte Tochterunternehmen in Weinheim, haben in zweijähriger Entwicklungsarbeit ein neuartiges und anpassungsfähiges Elastomer-Spritzgießkonzept entwickelt. Dabei fungiert die Spritzgießmaschine nicht mehr als komplexe „All-in-One-Einzweck-Produktionszelle“, sondern als Teil in einem System aus Standardmodulen. Die zentrale Idee ist, die Prozesse Spritzgießen, Vulkanisieren und Manipulieren, Kontrollieren oder Nachbearbeiten zu entzerren und bedarfsgerecht kombinierbar zu machen, auch nach der Erstinvestition.
Dies schließt auch die Entscheidung für eine mannlose vollautomatische oder eine teilbediente Produktionsweise mit ein. Neuartig in diesem System sind die Wechselformen-Sets, die von einem Roboter zwischen Arbeitsstationen im Rundlauf transferiert werden. Mit ihnen werden die Heizzeiten aus der Maschine heraus verlagert und können für mehrere Spritzgießzyklen parallel ablaufen, auch für unterschiedliche Teile mit unterschiedlichen Zeiten. Alles in allem bietet das LWB-Multistationen-Konzept durch seine Anpassungsfähigkeit ein Maximum an Chancen zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit, wie sie für den Aufschwung nach der aktuellen Krise benötigt wird.
Grundsätzlich neue Ideen sind gefragt
Mit zunehmender Fortdauer der Corona-Pandemie zeichnet sich der größte Wirtschaftseinbruch seit der Weltwirtschaftskrise der 1930er-Jahre ab. Wie damals verkamen innerhalb weniger Wochen Businesspläne und Umsatzvorschauen zu Makulatur. Dabei traf „Corona“ auf eine Wirtschaft, die bereits vorher unter einzelnen „kranken“ Branchen litt. Insbesondere die Automobilindustrie und die Energieerzeugung, die aktuell auf der Suche nach Alternativen zu Klima belastenden Antriebskonzepten sind. Viel ist von Systemwechseln und so genannten Brückentechnologie die Rede, ohne dass sich schon eine klare Richtung abzeichnen würde. Nach der sich die Industrie orientieren könnte. Klar ist lediglich, dass traditionelle Methoden keine Lösungsansätze in einer sich immer schneller verändernden Industrielandschaft anbieten können. Daher sind grundsätzlich neue Ideen und Lösungen gefragt.
Eine dieser neuen Ideen bietet der deutsche Maschinenbauer LWB-Steinl in Altdorf-Landshut in Form seines Multistationen-Spritzgießsystems an. Es geht auf grundsätzliche Entwicklungen zurück, die bereits zwei Jahre vor der Corona-Krise begonnen wurden. Das zentrale Anliegen war, ein maximal flexibles Produktionssystem anbieten zu können, das mit dem Bedarf mitwachsen kann. Um die Werkzeugkosten bzw. deren teure Komplexität niedrig zu halten, stand im Pflichtenheft, dass von der Erstbemusterung bis zur Großserienproduktion mit der gleichen Formengröße gearbeitet werden sollte. Die Kapazitätsanpassung sollte über die Anzahl der Wechselformen geregelt werden. Bei einer Unterauslastung sollte das System die Möglichkeit bieten, hintereinander unterschiedliche Formteile produzieren zu können. Zusätzlich sollte das Potenzial zum Upgrade zu einer Mehrkomponenten-Produktion vorhanden sein.
Effizienzquelle Prozessaufteilung
Multistationen-Anlagen sind bereits bei einigen Pilot-Anwendern im Einsatz und wurden durch die dort gewonnenen Praxiserfahrungen weiter verfeinert. Aktuell stehen sie als ausgereifte Baureihe in bedarfsgerechten Größenstufen allen Elastomerteile-Produzenten zur Verfügung. Das Multistationen-Spritzgießsystem bricht mit der Tradition, in der Spritzgießmaschine alle Teilprozesse mit einer fixen, auf den Maximalbedarf ausgerichteten, Kapazität ablaufen zu lassen. Denn deren gravierender Nachteil ist, nicht auf Nachfrageschwankungen reagieren zu können, außer durch das Anhalten der Produktion. Als Alternative dazu ist beim LWB-Konzept die Spritzgießfertigung in Einzelprozesse (Plastifizieren/Spritzgießen, Heizen/Vulkanisieren, Manipulation) aufgeteilt. Jedem Prozess sind separate Arbeitsstationen (Spritzgießmaschine, Heizstation, Bestückungs- bzw. Entformstation) zugeordnet, die hocheffizient parallel betrieben werden können.
Zwei zentrale Ideen bestimmen das Multistationen-Produktionskonzept:
- Die Basisidee war, die Spritzgießmaschine ausschließlich dafür einzusetzen, wofür sie konzipiert wurde: das Plastifizieren und Einspritzen von Gummi, bzw. Kunststoffen in eine Form. Nicht jedoch für das anschließende Abwarten der Heiz- bzw. Kühlzeit innerhalb der Maschine. Die Konsequenz daraus ist, anstatt mit einem Multikavitäten-Werkzeug mit Niedrigkavitäten-Wechselformplatten zu arbeiten, die für die Zeit des Vulkanisierens mittels Roboter in eine externe Heizstation transferiert werden. Die ausgelagerte Vulkanisationszeit setzt in der Maschine Kapazitäten für zusätzliche Spritzzyklen frei, was die Systemeffizienz insgesamt erhöht. (Abb.2).
- Die zweite Idee war, durch die Kombination einer relativ kleinen Maschine und dazu passenden Formensets mit niedriger Kavitätenzahl ein durchgängiges System von der Bemusterung bis zur Großserie zu haben, das mit der Auftragsgröße mitwachsen kann, und zwar in modularen Größen- und Kostenschritten.
Flexibler Multistationen-Baukasten anstatt Einzweckmaschine
Investitionen in Produktionskapazitäten sind in der Regel darauf ausgerichtet, die Zielstückzahlen auf Einzweckmaschinen mit einem optimierten Größe/Fachzahl-Verhältnis herzustellen. Mit diesem Konzept, das auf die Zielstückkosten der Großserienproduktion ausgerichtet ist, muss allerdings in Kauf genommen werden, dass in der Anlaufphase bis zum Erreichen des Serienniveaus unwirtschaftlich produziert wird, es sei denn, es wurden dafür höhere Stückpreise vereinbart. Wenn durch einen Nachfragerückgang, wie wir ihn als Folge der Corona-Krise erleben mussten, die Großserienkapazität nicht erreicht werden kann, sind wirtschaftliche Probleme nicht mehr weit. Die Antwort darauf ist der Multistationen-Baukasten.
Dessen Inhalt ist:
- Standard-Spritzgießmaschinen der unteren Schließkraftklasse.
- Ein 4-Achs-Roboter zum Transfer der Werkzeugplatten zwischen der Spritzgießmaschine und den Heizstationen. Die Werkzeuge werden beim Transfer vom Roboter unter Druck zusammengehalten.
- Heiz/Press-Stationen mit kurzem Hub und auf den Artikel abgestimmter Schließkraft. Durch den modularen Aufbau kann die Anzahl der Heizstationen entsprechend den Produktionsvorgaben (Artikelausstoß) mitwachsen. Jede Heizstation kann separat geöffnet bzw. geschlossen werden, auch mit unterschiedlichen Zykluszeiten.
- Systemerweiterungen: Für die Verbundteileproduktion können zusätzliche Spritzgießmaschinen, auch in Thermoplast-Ausführung, eingebunden werden (Abb.3).
- Separate Belade- und Entformstation – bei Bedarf auch mit Leistenspreizfunktion. Zur Automatisierung der Einlegeteile-Aufgabe bzw. der Fertigteil-Entformung stehen optional Roboter zur Verfügung (Abb.4 und 5).
Ausblick und Anfang einer Reihe weiterer Innovationen
Peter Radosai, Verkaufsleiter des Gummi-Spritzgießmaschinenbauers LWB-Steinl in Altdorf/Landshut in einem Ausblick auf die Situation der Elastomerteile-Produktion im Zeichen der aktuellen Krisensituationen: „Die in den letzten Jahren in Kundengesprächen oft gestellten Fragen zur richtigen Produktionsausrüstung für unsichere Zeit haben uns veranlasst, den Spritzguss neu denken zu müssen und dabei einige traditionelle Sichtweisen hinter uns zu lassen. Geholfen hat uns dabei sicherlich, dass wir seit 2017 mit der LWB Automation GmbH in Weinheim ein Unternehmen in unserer Gruppe haben, dessen Roboter-Anwendungskompetenz neue Sichtweisen auf den Spritzgießprozess einbringen konnte. Und das Multistationen-System ist in der aktuellen Form erst der Anfang in einer Reihe von denkbaren weiteren Innovationen.“n