Der Entwicklungsprozess des Bauteils erforderte zwei Jahre Entwicklung, Tests und Umsetzung in der Fertigungstechnologie. Die Projektphasen gliedern sich generell in Simulation, CAD-Konstruktion, FEA- (Finite Elements Analysis) und FMEA-Analyse (Failure Mode and Effects Analysis), Prüfstand und Messung, sowie DVP (Design Verification Plan) und Einbautests. Dies ist dem anspruchsvollen Lastenheft und einem exakt geforderten Bewegungsspiel von +/- 17 Grad geschuldet. Bis zur Baugruppenfreigabe, und parallel in der laufenden Produktion, ergibt sich ein hoher Prüfaufwand: So werden die Riemenscheiben auf ca. 10 Mio. Lastwechsel geprüft, Temperaturen von bis zu 140°C ausgesetzt und die akustische Frequenzabsorption axial und radial geprüft. Der Drehschwingungsdämpfer mit integrierter, entkoppelter Riemenscheibe von Jaguar zählt aus diesen Gründen zu den leistungsfähigsten und anspruchsvollsten Riemenscheiben: Er läuft in der Fertigung mit einer maximalen Kapazität von 660.000 Stück/Jahr im mittleren Losgrößen- und oberen Qualitätssegment.
Fertigung der Baugruppe
Die Fertigung der hybriden Bauteilgruppe erfolgt auf vertikalen Maschinen MTF 2600/280 PC5000 touch advanced von Maplan mit „Fast Double Shuttle“-Technik. Der Shuttle ist mit Doppel-Führungen zum Aufnehmen der Mittelplatten versehen. Gleiche Doppel-Führungen sind auch auf den Auswerferleisten des hydraulischen schließseitigen Auswerfers vorhanden. Die Besonderheit dieser Lösung ist, dass sich zwei identische Mittelplatten alternierend in der Maschine und in der Außenstation befinden. Der Vorteil des Fast Double Shuttles liegt darin, dass die beiden Mittelplatten gleich-zeitig verschoben werden, das heißt während die Mittelplatte A aus der Maschine gezogen wird, wird die Mittelplatte B gleichzeitig in die Maschine geschoben. Dadurch und durch ein neues, extrem schnelles servomotorisches Antriebskonzept können die Nebenzeiten im Vergleich zu herkömmlichen Mittelplattenverschiebungen deutlich reduziert werden. Als weiteres interessantes Feature hat der Fast Double Shuttle einen hydraulisch betätigten Auswerfer inklusive einer federandockbaren Heizplatte. Die Heizplatte verhindert ein Auskühlen der jeweils außen befindlichen Mittelplatte. Mit dem Ausstoßer werden die fertigen Gummi-Metall-Teile aus der Mittelplatte ausgestoßen, sodass sie der Bediener mühelos entnehmen kann.
Energieoptimierte Produktion
Der Energiebedarf des Prozesses entfällt hauptsächlich auf die in den Temperiergeräten verbauten Pumpenaggregate. Durch eine intelligente, bedarfsabhängige Regelung des Förderstromes wird der Energieverbrauch der DCI-Temperiergeräte an den MTF 2600/280-Maschinen um bis zu 80 % reduziert und gleichzeitig die Regelgüte wesentlich verbessert. Die Cool-Drive-Antriebstechnologie bietet zusätzliche Leistung für schnelle Trockenlaufzeiten, bei noch geringerem Energieeinsatz. Diese servogeregelten Hydraulikantriebe, hier zusätzlich ausgeführt mit einem parallelen Triebsatz für noch schnellere Zy-kluszeiten verringert den Energieverbrauch für den Antrieb um bis zu 50 %, bei gleichzeitiger Reduktion der Trockenlaufzeit. Die Lärmemission fällt um die Hälfte (-10dB).
Argumente für die Nadelverschlusskaltkanaltechnik
Die eingesetzten 4-fach-Werkzeuge vom Peta Formenbau haben einen 8-fach Nadelverschlusskaltkanal – also vier Formnester mit je zwei Anspritzpunkten je Bauteil. Beim Einsatz von Nadelverschlussdüsen bildet bei Winkelmann die Nadelspitze selbst einen Teil der formgebenden Kavität, welche an jede Fläche angepasst werden kann. Dadurch entsteht ein kaum erkennbarer Anspritzpunkt am produzierten Teil. Nadelverschlusskaltkanäle vom Peta Formenbau ermöglichen die individuelle Einstellung jeder einzelnen Düse. Die lange Führung der Nadeln und der stufenlose Einstellmechanismus des hy-draulisch angetriebenen Öffnungs- und Schließhubes sorgen für eine verschleißarme und präzise Funktion. Das zum Einsatz kommende Kaltkanalsystem ist ein modulares System. Verschiedene Düsentypen können einfach und schnell aus standardisierten Baugruppen heraus konfiguriert werden. Durch die Anordnung der Temperierkanäle für die Verteilung des flüssigen Temperiermediums nahe an den Materialverteilerkanälen lässt sich der Kaltkanal gut temperieren. Eine thermische Trennung zwischen der heißen Kaltkanalheizplatte und dem eigentlichen Kaltkanal ist darüber hinaus elementar wichtig. Nur wenn diese Abschottung optimal ausgelegt ist, werden unerwünschte „kalte“ Temperatureinflüsse in die Kavitätsplatte vermieden und hohe Gleichmäßigkeit bei der Teileproduktion erreicht. Im Materialverteilerbereich ist dabei durch die Elementetechnik stets eine Balance aller Fließwege gewährleistet. Die eckenfreien, rheologisch günstig konzipierten Umlenk- und Verteilerelemente des NVKK ohne Totzonen schonen das Material und reduzieren die Reinigungsintervalle. Das bedeutet letztlich eine hohe Verfügbarkeit, eine signifikante Einsparung von Material, bestmögliche Zy-kluszeiten und eine gleichmäßige, ausgezeichnete Qualität der produzierten Bauteile. n
Teil 1 des Berichts über Winkelmann mit dem TItel „Hybride Blechbaugruppen mit Elastomeren und Duroplasten“ ist erschienen in KGK 5/2015, S. 10
Nachgehakt:
Elastomer-Bauteile entwickeln und in eine effiziente Fertigung übertragen
Welche Anforderungen stellen Automotive-Kunden an Winkelmann als Entwicklungspartner?
Michael Metzinger: Der Kunde muss sich auf unsere Expertise in Entwicklung und Materialwahl verlassen können. Wir müssen die Frage beantworten, wie man welche Frequenzen, die durch Schwingungen des Motors oder am Antriebsstrang ausgelöst werden, wirksam unterbindet oder reduziert. Gleichzeitig ist uns die Fertigungskompetenz wichtig, denn wir fertigen schließlich diese Riemenscheiben und tragen somit das Fertigungsrisiko. Das bedeutet, dass wir wirtschaftliche und prozessfähige Lösungen in der Fertigung anstreben.
Welche Maßnahmen wenden Sie in der Fertigung dazu an?
Michael Metzinger: Prozesssicherheit bedeutet: Bei klassischen
EPDM-Ringen produzieren wir „doppelt breite“ Ringe, die wir nach dem Vulkanisieren vollautomatisiert auftrennen. Faktisch ergibt sich eine Verdoppelung der Kapazität, ohne dass wir eine aufwendigere Etagenwerkzeugtechnik nutzen müssen. Man muss nicht zwangsläufig auf höhere Kavitätenzahlen ausweichen, deren Formfüllung dann immer komplexer wird in Steuerung oder Überwachung. Für das Qualitätsniveau sind solche Strategien immer eine Überlegung wert. Daneben versuchen wir, die Bauteiltoleranzen einzuengen oder die Heizzeiten zu reduzieren. Das ist natürlich noch nicht alles. Zur optimalen Prozessführung setzen wir mehrere Temperaturfühler, je nach Werkzeugaufbau ein und regeln sehr exakt, wie das Formnest gefüllt und wie vulkanisiert wird. Auch eine genaue Analyse mittels Fließweg-Simulation oder Maßnahmen für ein thermisches Gleichgewicht von Werkzeug und Maschine gehören zu unseren Aufgaben.
Welche Bedeutung hat die Maschinen- und Werkzeugtechnik?
Michael Metzinger: Beides hat in Kombination und Abstimmung einen entscheidenden Einfluss auf die Güte des Bauteils und die sich ergebenden Stückkosten. Prozesssicherheit und Reproduzierfähigkeit in Verbindung mit einer benutzerfreundlichen Bedienerführung sind die wesentlichen Parameter, an denen wir unsere Fertigungstechnik messen müssen.
Sie verwenden die Nadelverschlusskaltkanaltechnik. Welche Vorzüge sehen Sie hier?
Michael Metzinger: Wir starteten bereits im Jahr 2009 mit der Kaltkanal-Technik. Die Antwort auf Ihre Frage ist eigentlich sehr puristisch: Der Gummi wird in die heiße Kavität eingespritzt und damit der temperaturabhängige Vernetzungsprozess aktiviert. Durch die Verwendung eines Kaltkanals kann das unvernetzte EPDM-Material bis zum Injektionspunkt gekühlt und materialschonend geführt werden. Ein Kaltkanal mit hydraulischem
Nadelverschluss hat sich dabei bei uns bewährt. Der Grund ist einfach: Wir steuern alle Nadeln gleichzeitig mit einem Hydraulikventil an. Die Nadelspalten (Nadelhub) müssen nur noch mechanisch auf einen optimalen Arbeitspunkt eingestellt werden. Dabei sind erhebliche Zykluszeiteinsparungen möglich. Der Nadelspalt wird so eingestellt, dass der mögliche hohe spezifische Spritzdruck der FIFO-Spritzeinheit von Maplan im Rahmen der Materialgrenzen voll ausgenutzt wird. Wenn diese Einstellungen optimal vorgenommen worden sind, wird so die maximal mögliche Mischungserwärmung über die Friktion erzielt, unmittelbar bevor die Mischung in das eigentliche Nest strömt. Durch die hohe Eintrittstemperatur werden kürzere Heizzeiten erreicht, da das Material beim Eintritt ins Formnest oft bereits nahe an der Vulkanisationstemperatur liegt.
Wie wurden die Elastomermaschinen an die Werkzeuge adaptiert?
Michael Metzinger: Bezogen auf den Drehschwingungsdämpfer des Jaguars ergänzen wir auf Vertikal-Maschinen diese Einlegetechnik des hybriden Bauteils durch einen „Fast Double Shuttle“ in ergonomischer Höhenanordnung zur verbesserten Teilezuführung und -entnahme.
Wie hoch waren die Investitionskosten für das Projekt Drehschwingungsdämpfer für den Jaguar?
Michael Metzinger: Das ist natürlich schwer zu beziffern, weil auch die Automation anzupassen war. Ich gehe grob von einem Volumen von 3 bis 4 Mio. EUR aus.