China ist der weltweit größte Fahrzeugmarkt. Im Jahr 2019 wurden dort über 25 Mio. Autos verkauft. Aktuell erholt sich dieser Markt ungewöhnlich schnell von der Corona-Krise: Der Absatz stieg im Juni gegenüber dem Vorjahresmonat um rund 11 Prozent auf 2,28 Mio. Fahrzeuge an. Fast alle in China verkauften Automobile werden auch dort hergestellt. Einer dieser Hersteller ist Zhejiang Geely Holding (ZGH), Hang-zhou, allgemein bekannt als Geely. Die ZGH Gruppe erzielte einen Gesamtabsatz von über 2.178 Mio. Fahrzeugen im Jahr 2019 (zum Vergleich: die Mercedes-Benz Car Group verkaufte im gleichen Zeitraum 2.385 Mio. Einheiten weltweit). Schon heute kooperieren Geely und Volvo bei der Umstellung auf elektrische Antriebe. Gleich mehrere Modelle basieren auf der gemeinsamen Plattform „Pure Electric Modular Architecture“ (PMA). Diese wird laut Geely die Forschungs- und Entwicklungszeiten verkürzen und die Beschaffungskosten für Elektrofahrzeuge senken, insbesondere dann, wenn Geely alle Daten für alle Autohersteller global kostenfrei zugänglich macht.
China hat mittlerweile international die strengsten Vorgaben für Fahrzeug-emissionen. Das Land der Mitte hat hier einen erheblichen Vorteil gegenüber anderen: Rund zwei Drittel der weltweiten Lithium-Ionen-Batterien werden in China hergestellt, und die EV-Produktionsstätten des Landes befinden sich in der Nähe der Quelle dieser Komponenten. Zhejiang Yinlun Machinery (Yinlun), Zhejiang, gehört zu den lokal ansässigen Firmen. Abnehmer sind Global Player wie Daimler, Cummins, Caterpillar und Ford. Eine Kooperation aus dem Jahr 2018 macht Yinlun zu einem der Hauptlieferanten für Elektrofahrzeuge von Geely. Im selben Jahr fanden auch die Angebotsanfragen für das hier vorgestellte Kühlmittelsteuerventil statt, wobei auch das PA9T Materialportfolio von Kuraray in Betracht gezogen wurde.
Effizientes Thermomanagement
Insbesondere bei E-Fahrzeugen kommt dem Thermomanagement eine Sonderstellung zu. Ein optimaler Temperaturbereich muss vorgehalten werden, um ein Elektroauto mit einem entsprechend hohen Wirkungsgrad zu betreiben. Deshalb sind Thermomanagementsysteme in E-Fahrzeugen komplexer ausgelegt als in herkömmlichen Fahrzeugen mit einem Verbrennungsmotor: Der Kühlkreislauf und der Kältekreislauf müssen optimal zusammenspielen. Kühlmittelsteuerventile nehmen hierzu entsprechende Befehle von der Steuereinheit entgegen, um den Kühlmittelfluss des Fahrzeugs präzise zu variieren und die gewünschte Temperatur gezielt beizubehalten. Hieraus ergeben sich aus Sicht der OEMs und TIERs die unterschiedlichsten Anforderungen:
- Robustheit (neben einer Temperaturbeständigkeit von -40 bis 140 °C ist eine hervorragende chemische Beständigkeit gefordert);
- Langlebigkeit (die Dichtheit des Bauteils muss über die gesamte Lebensdauer gewährleistet sein);
- Effizienz: Ein geringer Druckverlust und schnelle Schaltzyklen müssen erreicht werden.
Speziell für den Fahrzeughersteller ist es wichtig zu wissen, ob ein solches Ventil für Verbrenner- und New Energy Vehicles-Umgebungen (NEV) anwendbar ist, und ob sich ein solches Bauteil für den Anbau direkt am Motor eignet. Weitere Anforderungen ergeben sich für die zu integrierende Elektronik und der geforderten Sicherheit. Ein leichter, kompakter und modularer Aufbau ist zwingend notwendig – hierzu gehören auch die verschiedensten Arten der Anbindungen. Um allen Anforderungen gerecht zu werden, war es unumgänglich, das Kühlmittelsteuerventil als Baukasten zu konzipieren.
Kühlmittelsteuerventil – quo vadis?
Auf dem Weg zu einem der führenden Elektroautohersteller hat auch Geely die Notwendigkeit leistungsstarker Kühlmittelsteuerventile erkannt. Der Einsatz solcher Ventile ermöglicht es, mit dem zugehörigen Wärmemanagementsystem, Batteriestrom zu sparen und die Reichweite des Fahrzeugs zu erhöhen. Die Kuraray hat in diesem Projekt ein umfangreiches Paket verschiedenster Dienstleistungen eingesetzt, um Yinlun bei Entwurf, Entwicklung, und vor allem bei Herstellung der Aktuatoren und der Ventiltechnologie zu unterstützen. Die Herausforderung bestand für alle Beteiligten darin, das Anforderungsprofil unter einem extremen Zeitdruck in eine Anwendung für einen Kühlkreislauf eines voll elektrisch betriebenen Fahrzeugs umzusetzen:
- Eine (Langzeit-)Kühlmittelbeständigkeit des Materials bei Temperaturen <130 °C,
- das Erreichen von mind. 50 % der Zugfestigkeit nach >2.000 Stunden,
- die Laserschweißbarkeit bei einer Wandstärke von >1,5 mm,
- eine Laserdurchlässigkeit des einzusetzenden Materials von mindestens 25 %, sowie
- erhöhte Anforderungen an die Stoßfestigkeit und Bruchdehnung.
Ein Vergleich der Kühlmittelbeständigkeit gängiger Materialien verdeutlicht das Dilemma: Das Kopf-an-Kopf-Rennen der gemessenen Zugfestigkeiten über die Zeit lässt nicht eindeutig darauf schließen, welches Material hier in die engere Auswahl genommen werden muss. Im direkten Vergleich der Dichte zu einem PPS Material ist das Bauteil aus Genestar, einem langkettigen Polyphthalamid (PPA), bei gleicher Wandstärke um bis zu 15 % leichter. Schlussendlich war die Laserschweißbarkeit bei Wandstäken bis zu 1,7 mm der vorgeschlagenen Typen ausschlaggebend für den weiteren Verlauf dieser Anwendungsentwicklung.
Fertigung optimiert
Es wurden mehrere Füllstudien für das Gehäuse (Ober-/Unterteil), die Stutzen (Zwangsentformung) und dem Zahnradsatz durchgeführt. Optimale Anspritzpunkte der einzelnen Bauteile und die Laserschweißbarkeit der Gehäusebauteile herausgearbeitet. Ein besonderes Augenmerk lag auf den Verzug, der die Dichtigkeit des Kühlmittelsteuerventils maßgeblich beeinflusst. Weitere Ergebnisse der Untersuchungen ergaben Empfehlungen für Werkzeug- und Schmelzetemperaturen des Granulats. Basierend auf den vorliegenden technischen Daten wurden die Zahnfußspannungen der einzelnen Zahnräder mittels FEM berechnet, um eine Vorhersage für das Ermüden der Materialien zu treffen. Maßgebend war in diesem Zusammenhang auch die Vorgabe der Bauraumreduzierung. Der Nachweis der Laserschweißbarkeit und der geforderten Schweißnahtfestigkeit wurden bei zahlreichen Abmusterungen und Schweißversuchen im R&D Center Tsukuba, Japan erbracht. Die Ergebnisse sind in die Verarbeitungsempfehlungen eingeflossen, um einen reibungslosen Ablauf der Serienfertigung zu gewährleisten (ausgelegt auf eine Jahresproduktion von 1 Mio. Kühlmittelsteuerventile). Letztendlich wurden auch die Abmusterungen für die Prototypen, Vorserienteile bei den drei nominierten Spritzgießern von Yinlun unterstützt.
Durch die Zusammenarbeit der beteiligten Firmen ist es gelungen, Schnittstellen so aufeinander abzustimmen, dass das Kühlmittelsteuerventil individuell einsatzbar ist. Eine Weiterentwicklung des Baukastens ist nicht ausgeschlossen und birgt somit weitere interessante Herausforderungen.