Maßgeblich für eine erfolgreiche Produkt- und Prozessentwicklung ist es, die Anforderungen des Auftraggebers zu verstehen und maßgeschneiderte Lösungen anbieten zu können. Der Entwicklungszyklus wird durch Anforderungen und Spezifikationen des Kunststoffverarbeiters eingeleitet. Diese erstrecken sich vor allem über technische Lösungen wie mechanische Beanspruchungen im Bauraum bis hin zu Jahresmengen, Losgröße und letztlich Verpackung und Lieferung.
In der Entwicklung muss die technische Machbarkeit und eine prozesssichere Auslegung der Bauteile im Vorfeld bereits analysiert und berücksichtigt werden. Rico Elastomere Projecting aus Thalheim bei Wels in Österreich integriert dazu den Auftraggeber von Anfang an in die Wertschöpfungskette.
Effizienter Werkzeugbau
Moderne Software, von der 3D-Kon-struktion über die FEM-Berechnung bis hin zur Demonstration mechanischer Anforderungen und Toleranzfelder unterstützen dabei die Entwickler. Auch die Füllsimulation am Bauteil und die thermische Multizyklusanalyse im Werkzeug sind auf dem neuesten Stand der Technik. Vor allem auf die produktionsgerechte Konstruktion legt das Unternehmen wert. Diese wird speziell auf Verfahren wie LIM (Liquid Injection Molding) und 2-Komponenten-Spritzguss, das Werkzeugkonzept und die Anforderungen des Auftraggebers angepasst.
Kenntnisse über den Werkstoff und dessen Verhalten in der Verarbeitung ermöglichen es, Vorschläge für eine Funktionsintegration im Bauteil während des Entwicklungszyklus einzubringen. So kann die produktionsgerechte Konstruktion auch durch Erweiterungen und zusätzliche
Funktionen des Werkstoffes optimiert werden.
Prototypen-, Werkzeug- und Automatisierungskonzepte werden in einem gemeinsamen Workshop mit dem Kunststoffverarbeiter evaluiert und etwaige Änderungen eingeleitet, um später Zeit und Kosten zu sparen. Nach erfolgreichen, realitätsgetreuen Prüfungen der Prototypen erfolgt die Realisierung des Projekts.
Während des gesamten Entwicklungszyklus steht das Materiallabor des Werkzeugbauers mit einem breiten Spektrum an Analysen zur Verfügung. Die Materialdatenbank baut auf über zwanzig Jahre Entwicklungsarbeit und den Erfahrungen daraus auf. Mit dem internen Materiallabor kann der Spritzgussprozess in die Analyse aufgenommen werden und Qualitätskontrollen können bereits bei Rohmaterialien erfolgen.
Messungen an Fertigteilen stellen deren Konformität mit gesetzlichen Anforderungen sowie Vorgaben im Hinblick auf Geometrie, Haftung und Entformbarkeit sicher. Die Chargen-Konstanz und die Vernetzungskinetik können festgelegt und die Produktionsprozesse verbessert werden.
Als Projektpartner unterstützt Rico seine Auftraggeber bei der Entwicklung von der ersten Idee bis hin zum Bauteil in Serie, um eine stabile Produktion und eine hohe Bauteilqualität sicherzustellen.
Interview mit Gerhard Kornfelder,
Global R & D Director und Shareholder der Rico Group
Das Optimieren der Abläufe ist die größte Herausforderung
KGK Ihre Kernkompetenz ist der Werkzeugbau. Welche Trends erkennen Sie derzeit in der Silikonverarbeitung, die auf den Werkzeugbau Einfluss haben? Welches sind die größten Herausforderungen?
Gerhard Kornfelder In der Silikonverarbeitung sehe ich vor allem einen Trend zu immer höheren Kavitäten und einer vermehrten Nachfrage nach Mikrospritzgussanwendungen in hohen Stückzahlen in der Medizintechnik. Wir reagieren auf diese Entwicklungen, indem wir mittlerweile Nadelverschlusssysteme mit direkter Anspritzung und 256 Kavitäten bei Kleinstteilen anbieten können. So garantieren wir eine später abfallfreie Produktion mit dem Werkzeug, um auch der Herausforderung der steigenden Silikonpreise entgegenzuwirken. Den Trend von Mikrospritzgussanwendungen in der Medizintechnik entgegnen wir mit Werkzeugen, die auf die Reinraumtechnik zugeschnitten sind. Mit einem durchgehenden Qualitätssicherungssystem sorgen wir von Beginn an für ein kontrolliertes Umfeld, da ein hoch qualitatives Werkzeug die Basis für die Produktion von Premium-Teilen darstellt.
Die größte Herausforderung der Trends stellt für uns die stän-
dige Optimierung der Abläufe dar. Aus technischer Sicht ist dies kein Thema, denn wir haben die Kompetenzen, unsere Werkzeuge entsprechend weiterentwickeln zu können. Doch die Erhaltung des Know-hows in unserem Technikum wird in Zeiten vom Fachkräftemangel in Österreich zunehmend schwieriger. So haben wir uns dazu entschlossen, über gewöhnliche Recruiting-
Methoden hinauszudenken und ein 2-jähriges Zusatztraining speziell für Absolventen von Universitäten und Fachhochschulen anzubieten. Mit unserer „Academy“ können wir Fachwissen sicherstellen, wo zu wenig personelle Ressourcen zur Verfügung stehen.
KGK Immer öfter werden Werkstoff-Kombinationen für neue Bauteile genutzt. Welche technischen Aspekte spielen dafür im Werkzeug eine wichtige Rolle?
Kornfelder Werkstoff-Kombinationen sind unsere Kernkompetenz, denn wir entwickeln schon seit 1996 2-K-Werkzeuge. Niedrig temperaturbeständige Kunststoffe wie Polycarbonat, POM oder Polypropylen stellen uns jedoch täglich vor neue Herausforderungen. Vor allem die Temperaturbeständigkeit in Kombination mit der Haftung zwischen Silikon und Thermoplast sind dabei ein Thema. Bei diesen Kunststoffen sind wir gefordert andere Ansätze in unserem Labor zu entwickeln. Um der niedrigen Temperaturbeständigkeit entgegenzuwirken, gibt es mittlerweile niedervulkanisierende Silikone, die bei ca. 100°C vulkanisieren. Die Haftung können wir primär mit Technologien wie Beflammen, Plasma und UV-Licht beeinflussen. Zusätzlich bedürfen neue Silikontypen auch einer neuen Kaltkanaltechnik, welche wir dementsprechend im Werkzeugbau berücksichtigen. Diese Ansätze ermöglichen es uns, die Anforderungen neuer Material-Kombinationen bedienen zu können.
KGK Sie begleiten Ihre Auftraggeber von der Idee zum Produkt. Welche Kompetenzen verschaffen ihnen hierbei einen konkreten Wettbewerbsvorteil?
Kornfelder Grundlegend für unseren Wettbewerbsvorteil ist sicherlich unsere mehr als 20-jährige Erfahrung in der Silikonbranche. So konnten wir über Jahre unsere Kompetenz in LIM und 2-K ausbauen und uns einen Vorsprung verschaffen. Auch die Kombination aus internem Labor, FEM Berechnungen, Füllsimulationen und thermische Multizyklusanalysen zählt zu unseren standardmäßigen Prozessen. Diese Tools sind aber erst effektiv, wenn die Mitarbeiter, die sie bedienen, die entsprechenden Kompetenzen mitbringen. Deshalb sind die langjährigen Mitarbeiter das höchste Gut im Unternehmen. Deren Know-how ist maßgeblich und steckt in jedem einzelnen unserer Projekte. Dementsprechend war es möglich, uns in die gesamte Wertschöpfungskette zu integrieren und jetzt als globaler Lösungsanbieter agieren zu können.
KGK 2016 wurde die Rico Group gegründet. Welche Vorteile zieht die Gruppe aus dem Zusammenschluss der Unternehmen? Wie ist die Transformation vom Werkzeugbauer zum globalen Lösungsanbieter gelungen?
Kornfelder Mit dem Zusammenschluss können wir das gesamte Produkt-Spektrum weltweit abdecken. Speziell bei Kleinserien und medizinischen Produkten steht jetzt die Silcoplast AG mit zwei Reinräumen der Klasse DIN ISO 7 in der Schweiz zur Verfügung. Um näher bei den Kunden und deren Produktionsstätten zu sein, ist die Simtec Silicone Parts, LLC in Florida Teil der Rico Group. Sie bietet eine gleichwertig qualitative Produktion wie Rico in Thalheim und kann den unentbehrlichen nord- und südamerikanischen Silikon-Markt optimal bedienen. In nächster Zeit steht vor allem der Markt in Asien im Fokus, welcher bereits von der Rico Group beliefert wird. Aufgrund des Marktwachstums in Asien wird evaluiert, ob auch dort ein Standort die Gruppe profitieren lassen würde. Seit der Gründung 2016 konnte die Rico Group ihren globalen Fußabdruck deutlich vergrößern. Durch das weltweite Produktionsnetzwerk konnte die globale Denkweise auf den lokalen Märkten etabliert werden. Dies ist vor allem durch die entsprechende koordinierte Entwicklung durch den Bereich International Business Development unter der Leitung von Markus Landl möglich.
Die Transformation vom Werkzeugbauer zum globalen Lösungsanbieter war primär durch den stetigen Aufbau der Kompetenz in LIM und 2-K möglich. Die technologischen Voraussetzungen dafür waren schon lange Teil des Unternehmens, da wir schon jahrelang gemeinsam mit den Kunden den Prozess in der LSR-Verarbeitung entwickelt haben. Unsere Kunden haben dabei früh erkannt, dass bei der Silikonbauteilentwicklung der Schlüssel im Werkzeugbau liegt. Dadurch ist der Wunsch nach der gemeinsamen Entwicklung und anschließenden Produktion der Bauteile entstanden. 2009 starteten wir die Produktion mit einer verlängerten Werkbank, die folglich stetig erweitert wurde. Heute ist Industrie 4.0 und somit Automatisierung und Digitalisierung die Basis für unsere Produktion. So gelang die Transformation zum globalen Lösungsanbieter von hochwertigen Bauteilen im Premium-Segment.
KGK Welche Leistungen können Sie als Lösungsanbieter erbringen und welche sind Ihre Spezialitäten?
Kornfelder Im Gegensatz zum klassischen Auftragsfertiger decken wir Tätigkeiten der gesamten Wertschöpfungskette ab. So agieren wir gleichzeitig als Systemlieferant und als Entwicklungspartner. Dazu zählen jegliche Schritte von der Entwicklung über den Werkzeugbau und die Produktion bis hin zur Baugruppenfertigung inklusive Konfektion und kundenspezifische Verpackung.
Die Spezialitäten liegen dabei bei den Mitgliedern der Rico Group in unterschiedlichen Bereichen. Sei es die Großserienfertigung und der Werkzeugbau bei Rico in Thalheim, die mittleren- und Kleinserien auch im Reinraum in der Schweiz bei Silcoplast oder Großserien und zukünftig auch im Reinraum bei Simtec in Florida.
KGK Nutzen Sie die additive Fertigung für den Werkzeugbau und welche Chancen sehen Sie darin?
Kornfelder Derzeit ist die additive Fertigung im Werkzeugbau nicht im Einsatz, da diese Technologie vor allem bei hochwertigen Silikonwerkzeugen noch Entwicklungsbedarf hat. Sobald die Technologie auch im Premium-Segment Fuß gefasst hat, werden wir unter den ersten sein, mit dem 3D-Druck zu arbeiten. Anstatt unsere Prototypen mit additiver Fertigung zu erstellen, nutzen wir ein innovatives 3-Stufen Prototypenwerkzeugsystem. Damit können Musterteile in Serienqualität und kostengünstig gefertigt werden.
Sofern die additive Fertigung auch für den Hochqualitätsbereich entwickelt werden kann, sehe ich gute Chancen für diese Technologie im Werkzeugbau: Werkzeugkosten und -fertigungszeiten vor allem für komplexe Bauteile können gesenkt und neue Möglichkeiten in der Teilegeometrie verwirklicht werden.
KGK Wie schätzen Sie die additive Fertigung in der Produktentwicklung mit elastomeren Werkstoffen ein und wird diese Technik von Ihnen angeboten?
Kornfelder Es gibt bereits Systeme mit Silikonteilen aus dem 3D-Drucker. Jedoch muss die Technologie vor allem zur Verbesserung der Qualität der Teile noch weiterentwickelt werden, um für uns relevant zu sein. Aufgrund der Chancen, die wir in der additiven Fertigung sehen, investieren wir aber jetzt schon in die Zusammenarbeit mit verschiedenen Partnern und befassen uns mit den Möglichkeiten der Technologie.
Das Interview führte Dr. Etwina Gandert, Redaktion KGK.