Silikon ist weitgehend resistent gegenüber Umwelteinflüssen, es behält von -40 bis +200 °C seine Elastizität und Transparenz und ist biokompatibel. Mit dieser Kombination von Eigenschaften ist der Werkstoff für ein breites Spektrum an anspruchsvollen Anwendungen prädestiniert. In der Medizintechnik reicht dieses von Atemmasken bis zu Implantaten, im Automobilbau von Dichtsystemen bis zu LED-Scheinwerferlinsen, und auch in der Elektronikindustrie geht es unter anderem um die Themen Dichtung und Linsen, wenngleich in diesem Fall Kameralinsen dominieren. Den drei Branchen gemeinsam ist ein steigender Kostendruck, dem sich durch das Zusammenführen verschiedener Herstellungsschritte in einen integrierten, automatisierten Prozess begegnen lässt. Darüber hinaus geht es bei der Prozessintegration um die Produktqualität. Im Mehrkomponentenspritzguss werden die unterschiedlichen Materialien untrennbar miteinander verbunden. Fehlteile durch dem Spritzguss nachfolgende Montageschritte sind ausgeschlossen, und bei Medical-Anwendungen sinkt zudem das Kontaminationsrisiko. Die Automatisierung stellt eine sehr hohe Reproduzierbarkeit sicher. Beim Aufbringen von Silikondichtungen an einen unmittelbar zuvor spritzgegossenen Grundkörper können selbst komplexeste Konturen mit höchster Präzision abgebildet werden. Als Spritzgießmaschinenbauer und Systemlöser bietet Engel aus einer Hand integrierte und vollständig automatisierte Fertigungszellen für Mehrkomponentenspritzgießprozesse mit Silikon an. Bereits heute sind mehr als 20 Prozent aller Spritzgießmaschinen, die der Maschinenbauer für Elastomeranwendungen weltweit ausliefert für Mehrkomponentenprozesse ausgelegt. Dieser Anteil wächst jährlich um rund zehn Prozent, und Silikon ist hierfür der größte Treiber.
Premiere auf der K 2019: LSR mit amorphem Metall
Mit konstant hohen Investitionen in die Forschung und Entwicklung leistet Engel einen wichtigen Beitrag, das Einsatzspektrum dieser besonderen Materialien kontinuierlich zu erweitern. Viele Neuentwicklungen basieren auf der Zusammenarbeit mit Partnern, so auch die auf der K präsentierte Anwendung. In einer vollständig automatisierten Fertigungszelle werden am Messestand von Engel Gehäuseteile im Zwei-Komponentenspritzguss produziert. Weltweit erstmalig kommen amorphe Metalle in Verbindung mit Flüssigsilikon (LSR) zum Einsatz. In einem ersten Prozessschritt werden auf eine holmlosen victory 120 AMM (Amorphous Metal Moulding) Spritzgießmaschine die Gehäusegrundkörper aus einer Zirkonium-basierten Amloy Legierung spritzgegossen. Diese werden automatisiert in das Werkzeug einer vertikalen Engel insert 60V/45 Drehtellerspritzgießmaschine eingelegt, wo sie eine Dichtung aus LSR erhalten. Über feine Durchbrüche in der Gehäusefläche füllt die LSR-Komponente zuverlässig auch die Dichtungsstruktur auf der Bauteilunterseite aus.
Amloy ist eine neue Reihe spritzgießbarer amorpher Metalllegierungen des Technologiekonzern Heraeus. Gemeinsam mit Heraeus ist es Engel gelungen, bei der Verarbeitung von amorphen Metallen im Spritzguss die Zykluszeit um bis zu 70 Prozent im Vergleich zu früheren Lösungen zu reduzieren. Die Gehäuserahmen auf der K können nach weniger als 70 Sekunden aus der Form entnommen werden. Dieser enorme Effizienzsprung öffnet amorphen Metallen die Tür zur Großserienproduktion in einem breiten Einsatzfeld.
Amorphe Metalle sind aufgrund ihrer ungeordneten, nicht kristallinen Struktur extrem hart und zugleich hochelastisch. Sie besitzen ein sehr gutes Rückstellverhalten, sind äußerst korrosionsbeständig und gemäß ISO 10993-5 biokompatibel. Mit dieser Kombination von Eigenschaften sind die Legierungen in vielen Anwendungen Stahl, Titan und weiteren Werkstoffen überlegen. Die auf der K produzierten Teile vereinen die Anforderungen portabler elektronischer Geräte mit den besonderen Eigenschaften der Amloy Materialien. Es resultieren nahezu unzerstörbare, staub- und wasserdichte sowie zugleich funkwellenundurchlässige Gehäuse. Das LSR-Werkzeug im Messeexponat stammt von Starlim Sterner, einem der weltweit größten LSR-Verarbeiter und langjährigen Entwicklungspartner von Engel.
Herausragende Parallelität der Werkzeugaufspannplatten
Vollautomatisch, nacharbeitsfrei, abfallfrei und gratarm – so lauten generell die Anforderungen bei der Verarbeitung von Flüssigsilikon. Die Präzision der Spritzgießmaschine spielt dabei eine Schlüsselrolle. Wenn die Spritzgießmaschine nicht perfekt schließt oder die Werkzeugaufspannplatten nicht exakt parallel zueinander sind, führt dies beim Verarbeiten des sehr niedrigviskosen Flüssigsilikons unmittelbar zur Gratbildung, was durch die dann notwendige Nacharbeit die Effizienz des Fertigungsprozesses deutlich schmälert. Aufgrund der herausragenden Parallelität der Werkzeugaufspannplatten setzt zum Beispiel Starlim Sterner für viele Ein- und Mehrkomponentenanwendungen mit LSR auf die holmlosen Maschinenbaureihen Victory und E-victory. Der patentierte Force Divider sorgt in der holmlosen Schließeinheit dafür, dass die bewegliche Platte während des Schließkraftaufbaus dem Werkzeug exakt folgt und die eingeleitete Kraft gleichmäßig über die Fläche verteilt wird. Beim Einsatz von Mehrkavitätenwerkzeugen erfahren auf diese Weise alle Kavitäten in der Trennebene die gleiche Flächenpressung. Auch dies verhindert die Gratbildung.
Da bei den holmlosen Spritzgießmaschinen die Werkzeugaufspannplatten bis an den Rand vollständig ausgenutzt werden können, passen selbst große Mehrkomponentenwerkzeuge mit zahlreichen Drehkernen und Schiebern auf vergleichsweise kleine Spritzgießmaschinen, was die Flächenproduktivität erhöht. Weitere Vorteile sind schnelle Rüstprozesse sowie besonders effiziente Automatisierungskonzepte, da die Roboter ohne Störkantenumfahrung direkt von der Seite aus die Kavitäten erreichen können.
Höchste Präzision für kleinste Schussgewichte im Standard
Auch beim Einspritzen erreichen die Maschinen bereits im Standard die von der LSR-Verarbeitung geforderte hohe Präzision. Dabei zeigt sich die Leistungsstärke der Spritzgießlösungen vor allem bei sehr kleinen Schussgewichten. Für Sensorgehäuse, die in Durchflussmesssystemen Einsatz finden, entwickelte Engel basierend auf einer E-victory 200H/80W/120 combi Spritzgießmaschine einen Zwei-Komponenten-Spritzgießprozess. In einem Vier-Kavitäten-Werkzeug von ACH Solution werden thermoplastische Gehäusekörper produziert und diese mit einer LSR-Dichtung versehen. Das Schussgewicht liegt bei gerade einmal 0,04 Gramm pro Bauteil, was ein Gesamtschussgewicht von 0,16 Gramm ergibt. Häufig erfordern solche sehr kleinen Schussvolumina im LSR-Bereich Sonderlösungen. Engel dagegen deckt diese Anforderung mit einem servoelektrischen Standard-Spritzaggregat ab. Für die Dosierung des Flüssigsilikons kommen Mini-Pumpen mit einem Ein-Liter-Behälter zum Einsatz, die kompakt und kostensparend innerhalb der Sicherheitsumhausung der Spritzgießmaschine Platz finden.
Assistenzsystem verhindert Ausschuss
Für beide Komponenten – Thermoplast und LSR – ist die E-victory Maschine mit dem intelligenten Assistenzsystem IQ Weigth Control ausgerüstet. Die Software aus dem inject 4.0 Programm von Engel erkennt während des Einspritzens Schwankungen der Schmelzemenge und gleicht diese noch im laufenden Einspritzvorgang automatisch aus. Auf diese Weise nehmen Umgebungseinflüsse und Rohmaterialschwankungen nicht länger Einfluss auf die Produktqualität. Ausschuss wird proaktiv verhindert. Gerade bei Mehrkomponentenanwendungen bringt die intelligente Assistenz ein zusätzliches Plus an Sicherheit. Engel präsentierte die integrierte Sensorgehäuseherstellung weltweit auf führenden Kunststoffmessen, woraus mehrere Kundenprojekte resultierten. Sowohl in der Medizintechnik als auch in der Automobilindustrie werden inzwischen filigran strukturierte Gehäuse mit integrierter Dichtung auf holmlosen Maschinen in Serie produziert. Im Automobilbau ergeben sich vor allem durch die Elek-tromobilität neue Mehrkomponentenanwendungen mit Silikon. Sensoren, Platinen und Stecker erhalten immer häufiger direkt im Spritzguss eine Silikondichtung. Anwendungen in der Medizintechnik sind zum Beispiel implantierbare Insulinpumpen oder Herzschrittmachergehäuse, darüber hinaus moderne Diagnostiklösungen, die kontinuierlich zum Beispiel das Blut analysieren und die relevanten Messwerte auf ein Smartphone oder eine Smartwatch senden.
LED-Linsen direkt ans Gehäuse spritzen
Zu den noch jungen Einsatzgebieten für Flüssigsilikone gehört die Beleuchtungstechnik, sowohl im Bereich Automotive Lighting als auch in der Straßen- und Gebäudebeleuchtung. Ebenso wie die etablierten thermoplastischen Linsenmaterialien PMMA und Polycarbonat ermöglicht Silikon im Vergleich zu Glas eine deutliche Gewichtsersparnis. Was die thermische und chemische Beständigkeit betrifft, ist LSR organischen Polymeren aber überlegen. Die hochtransparenten Typen für optische Anwendungen weisen einen niedrigeren Vergilbungsindex als thermoplastische Linsenmaterialien auf. Hinzu kommt, dass sie eine noch höhere De-signfreiheit ermöglichen. In Bezug auf die Geometrie sind bei der Verarbeitung von LSR im Spitzguss im Gegensatz zu PMMA fast keine Grenzen gesetzt. Vor allem für adaptive Frontschweinwerfer im Automobil gewinnt Silikon deshalb Marktanteile hinzu, und auch in diesem Bereich geht der Trend in Richtung Mehrkomponententechnik. In ersten Anwendungen werden Scheinwerfergehäuse aus Polycarbonat und Linsen aus LSR im Zwei-Komponentenspritzguss fest miteinander verbunden.
K 2019 Halle 15 Stand C 58