KGK: Herr Steinl, das Jahr 2022 war nicht nur ein K-Jahr, sondern auch ein Jubiläumsjahr für Ihr Unternehmen. Wie waren die Unternehmensanfänge?
Peter Steinl: Ja, es ist für mich, als Vertreter der zweiten Generation, bemerkenswert und erfüllt mich mit Stolz, dass wir bereits auf 60 Jahre Unternehmensgeschichte zurückblicken können. Insbesondere, wenn man bedenkt, dass mein Vater, Alfred Steinl, 1962 in einem kleinen Dorf in der Nachbarschaft in der Schmiede seines Schwiegervaters mit Vorrichtungen und einfachen Dingen des täglichen Bedarfs begann. Da dieser Beginn noch in die Wirtschaftswunderzeit im Rahmen des deutschen Nachkriegswiederaufbaus fiel, boten sich damals viele Chancen, die mein Vater als ausgebildeter Werkzeug- und Maschinenbauer mit großer Flexibilität und dem Mut, Neues anzugehen, zu nutzen wusste.
Was würden Sie als den wichtigsten Meilenstein für die Unternehmensentwicklung sehen?
Steinl: Die aus heutiger Sicht wichtigste und nachhaltigste Entscheidung meines Vaters war, 1972 in die Stanzfertigung von metallenen Endlosgerüstbändern für die Autoindustrie einzusteigen. Dabei handelt es sich um Gliederbänder, die in Gummiprofile eingeführt werden und in der Kombination als Türdichtungen in der Fahrzeugproduktion dienen. Der Hintergrund dieser Entscheidung war die Erkenntnis, ein ausgleichendes zweites Standbein neben dem oft zyklischen Maschinenbaugeschäft haben zu müssen. Und als gelernter Stanzwerkzeugbauer erschien ihm dafür das im Großen und Ganzen kontinuierliche Dichtungsgeschäft als die richtige Ergänzung. Daraus hat sich unsere heute größte Unternehmenssparte, die STG Stanztechnik GmbH, entwickelt.
Parallel zum 60-jährigen Firmenjubiläum gilt es noch eine zweite Jubiläumzahl zu erwähnen: 50 Jahre Gummimaschinenbau. Wie hat sich dieser entwickelt?
Steinl: Ab 1968 war die Firma bereits groß genug, um auch von einigen arrivierten Großunternehmen als Zulieferpartner akzeptiert zu werden. So auch von den Münchener Metzeler-Gummiwerken, bei denen er parallel zu seinem Maschinenbaustudium als Konstrukteur gearbeitet hatte und daher dort bekannt war. Den Anfang machten Aufträge zum Bau von Anlagenteilen für Reifenaufbaumaschinen und sogenannten „Batch-off-Anlagen“ zur Konfektion von kalandrierten Gummifellen. In der Folge wurde Alfred Steinl auch mit der Reparatur und der Überarbeitung von vorhandenen Gummi-Spritzgießmaschinen beauftragt. Dabei fiel er mit eigenen Ideen und Verbesserungen auf, die deren Leistung steigerten. Schließlich beauftragten uns die Metzeler-Gummiwerke ab 1972 mit dem Bau gesamter Maschinen, die wir nach unseren eigenen Entwürfen ausführen durften. 1972 markiert damit den Startpunkt unseres Gummimaschinenbaus. In den 1980er Jahren entwickelte mein Vater eine Kombination aus Kolbeneinspritzeinheit und FIFO-Plastifizieraggregat. Bei dieser 1988 patentierten Lösung wird der Einspritzzylinder bei jedem Zyklus komplett geleert, sodass keine Reste von anvulkanisiertem Material in den nächsten Spritzzyklus verschleppt werden, die zu Qualitätsbeeinträchtigungen im Fertigteil führen könnten. Auf dieser Kombination bauen zwischenzeitlich weitere Aggregate auf.
Wo steht der LWB-Spritzgießmaschinenbau heute?
Steinl: Wir produzieren rund 350 Maschinen pro Jahr mit großen Maschinenabmessungen, denn die Dimensionen der LWB-Maschinen sind mit den Größen der Gummiteile stetig gewachsen. So werden darauf beispielsweise zur Produktion von über sechs Meter langen und über 100 kg schweren Pumpenstatoren oder großflächigen Gummimatten gefertigt. Unsere bisher größte Maschine war jedoch keine Gummimaschine, sondern eine Presse für einen Blechverarbeiter. Sie besitzt 2,5 x 2,5 m große Aufspannplatten und eine Schließkraft von 19.000 kN (1.900 t). Mit 7,5 m Höhe, 4 m Breite und einem Gesamtgewicht von 171 t hat sie unsere Fertigung herausgefordert.
Als ebenso wichtigen Schritt in unserer Unternehmensentwicklung sehe ich die 2015 erfolgte Gründung unserer Tochterfirma LWB-Automation. Durch sie konnte der Trend zur Automatisierung der Manipulation rund um das Spritzgießwerkzeug aufgenommen und Lösungen dafür angeboten werden.
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WB ist über all die Jahre ein Familienunternehmen geblieben. Wie war das möglich?
Steinl: Möglich war das, weil mein Vater schon frühzeitig Aufgaben und Verantwortung an weitere Familienmitglieder abgegeben und diese mit seiner Begeisterung angesteckt hat. So habe ich bereits 1992, nach meinem Kunststofftechnik-Studium, Verkaufs- und Projektagenden übernommen, bevor ich zunächst neben meinem Vater und dann alleinig die Geschäfte führte. Zusätzlich ist Rainer Schmidt, der Gatte meiner leider viel zu früh verstorbenen Schwester als Prokurist im Unternehmen tätig. Darüber hinaus haben wir, um dem Wachstum vom LWB Steinl zur international aufgestellten LWB Machinery-Gruppe gerecht zu werden, unsere Geschäftsführung aus dem eigenen Mitarbeiterstab erweitert. So wurde Reinhard Danzer, der bereits seit 2007 im Unternehmen war und verschiedene kaufmännische Positionen innehatte, 2018 in die Geschäftsleitung aufgenommen.
Herr Steinl, Sie haben gerade von LWB als international aufgestellte LWB Machinery-Gruppe gesprochen. Was ist darunter konkret zu verstehen??
Steinl: Wie bereits vorher erwähnt, hat schon mein Vater erkannt, dass „nur auf einem Bein zu stehen“ langfristig keine Stabilität gewährleistet. Deshalb gibt es seit 1972 unsere Stanztechniksparte. Daraus hat sich die 1998 gegründete Gruppenfirma „STG-Carrier GmbH“ entwickelt. Deren Produktionswerk befindet sich neben unserem Maschinenbau auf dem LWB-Firmenareal in Altdorf. Sie fungiert auch als Zentrale für ihre aktuell acht Zweigwerke in Spanien, den USA, Kanada, Mexiko, Brasilien und der Volksrepublik China. Reinhard Danzer: Parallel dazu ist insbesondere in den letzten 10 Jahren LWB Stück um Stück zu einer Firmengruppe mit sieben Unternehmen geworden, die in vier Sparten unterteilt sind. Die gerade erwähnte Stanztechnik ist die größte. Danach kommt die Sparte Maschinenbau rund um den Spritzgießmaschinenbau in Altdorf/Landshut, die ebenfalls international aufgestellt ist. So haben wir 2014 zusammen mit dem französischen Branchenkollegen „Rep international“ in China ein Joint-Venture für Herstellung, Vertrieb und Service von Spritzgießmaschinen gegründet. Das Unternehmen mit dem Namen „United Rubber & Plastic Machinery (Langfang)“, kurz URP, befindet sich in der Nähe von Peking und stellt speziell auf den chinesischen Markt abgestimmte Maschinen her. Derzeit sind das Klein- und Mittelmaschinen, die wir nach chinesischen Standards ausrüsten, während Großmaschinen nach wie vor aus Europa geliefert werden. Zusätzlich verfügen wir in China über ein dichtes Vertriebs- und Servicenetzwerk. Ein weiteres Unternehmen ist der italienische Gummi-Batch-off-Anlagenhersteller Prodicon Ind. in Mailand, der 2016 zur Gruppe kam. Das jüngste Unternehmen der Maschinenbausparte ist die 2017 gegründete LWB-Automation in Weinheim, die Handling- und Automationsprojekte mit dem Schwerpunkt in der Gummiteileproduktion abwickelt. Seit 2017 ist Dreibond mit Sitz in Ismaning Teil der LWB-Gruppe. Sie entwickelt Klebstoffe und Applikationssystemen, vor allem für Automobil- und Flugzeughersteller. Darüber hinaus produzieren wir seit 2011 mit unserer Gruppenfirma Biofibre hier in Altdorf sowie deren Tochterunternehmen Naftex in Wiesmoor Biokunststoff-Compounds mit und ohne den Zusatz von Naturfasern als Verstärkungsstoffe.
Was hat Sie als Maschinenhersteller bewogen in die Herstellung von Klebstoffen und Biopolymer-Compounds einzusteigen?
Steinl: In beiden Fällen waren es keine lang geplanten Akquisitionen, sondern günstige Gelegenheiten, die wir genützt haben. Nicht zuletzt deshalb, weil schon mein Vater stets bestrebt war, unternehmerisch nicht auf einem Bein zu stehen. Bei beiden Firmen bot sich die Gelegenheit zum Einstieg, nachdem die Nachfolge aus den eigenen Reihen nicht absehbar war. Auf den zweiten Blick passen sie sehr gut zu unseren Maschinenbau-Aktivitäten. Denken sie dabei nur an Anwendungen in der Dichtungstechnik. So werden unsere Spritzgießmaschinen vielfach zur Herstellung von elastomeren Dichtungen eingesetzt. Wo sie die Anforderungen nicht erfüllen können, bietet sich Dreibond mit dem einem breiten Kleb- und Dichtmittel-Spektrum und den darauf abgestimmten Applikationsanlagen als Problemlöser an. Unser Anknüpfungspunkt zu Biofibre war ursprünglich der Maschinenbau zur Verarbeitung der Biowerkstoffe. Später sind wir durch kundenspezifisch entwickelte Anwendungslösungen und den Zukauf des Compoundierwerks Naftex zum Materialhersteller geworden.
Lassen Sie uns zum Abschluss noch in die Zukunft blicken. Wohin geht aus Ihrer Sicht die Reise für die Gummibranche?
Steinl: Ich kann nicht für die gesamte Branche sprechen. Aber, was den Gummispritzguss betrifft, so werden wir eine weitere Zunahme von Automatisierungslösungen sehen, mit denen wir Auswege für den vielerorts drückenden Mangel an Produktionspersonal anbieten können. Ebenso werden weitere Innovationen an der Bedienoberfläche der Spritzgießmaschinen zur Entlastung des Bedienpersonals kommen. Insgesamt wird sich in den kommenden Jahren der Abstand zwischen den Kunststoff- und den Gummi- bzw. Elastomer-Spritzgießmaschinen bei Antriebssystemen, Regelsystemen und dem Energieverbrauch zunehmend schließen.
Danzer: Konkret haben wir damit die Wettbewerbsfähigkeit auf dem Standort Deutschland im Auge. Denn als Lehre aus den aktuellen Krisen der letzten Jahre sollten wir uns wieder mehr auf unsere Fähigkeiten verlassen, als langen und oftmals unsicheren Lieferketten zu vertrauen.
Das Interview führte Simone Fischer, verantwortliche Redakteurin KGK und PLASTVERARBEITER.
simone.fischer@huethig.de