Ein Häufchen braunes Granulat

Erneuerbare funktionale Füllstoffe (Renewable Funtional Fillers, RFFs) bieten eine nachhaltige Alternative zu Industrieruß und Fällungskieselsäure – und verbessern die CO2-Bilanz der Produkte. (Bild: UPM Biochemicals)

Balkendiagramm mit zwei schwarzen und zwei grünen Balken.
Bild 1: Über den „Cradle to gate“-Abschnitt des Produktlebenszyklus gerechnet reduziert sich das „Global Warming Potential“ (GWP) nachwachsender Füllstoffe um mehr als 90 % gegenüber Standard-Industrierußen [1]. (Bild: alle UPM Biochemicals)

Erneuerbare funktionale Füllstoffe (Renewable Funtional Fillers, RFFs) bieten eine nachhaltige Alternative zu Industrieruß und Fällungskieselsäure – und verbessern die CO2-Bilanz der Produkte. Die RFFs sind eine neue Generation von erneuerbaren, nachhaltigen funktionalen Füllstoffen, die Gummi- und Kunststoffprodukten einen Mehrwert verleihen. Derzeit werden am Markt 15 Mio. t Industrieruß und Fällungskieselsäure als funktionale Füllstoffe eingesetzt, die durch die holzbasierten ersetzt werden könnten. Die neue Füllstoffklasse wurde mehr als zehn Jahre entwickelt. Der Produktionsprozess ist patentgeschützt und weltweit einzigartig. Die erneuerbaren funktionalen Füllstoffe finden vor allem Verwendung in Compounds von Elastomeren, Thermoplasten und thermoplastischen Elastomeren (TPEs). Diese kommen in Anwendungen unter anderem in der Automobilindustrie, der Bauwirtschaft und im medizinischen Bereich, aber auch in Bodenbelägen oder Schuhsolen zum Einsatz. Dr. Christian Hübsch, Director Sales & Marketing, UPM Biochemicals: „Mit unseren RFFs verfügt die Gummi- und Kunststoffindustrie nun über eine starke Lösung, um den nächsten Schritt in Richtung weniger CO2-intensiver und nachhaltigerer Produkte zu gehen. Wir treiben den Wechsel von fossilen zu nachhaltigen Rohstoffen voran und machen einen großen Schritt hin hin zu einer verantwortungsvollen Kreislaufwirtschaft.“

Warum Rohstoffe für grüne Produkte gesucht sind

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Tabelle 1: Vergleich von RFF mit Industrieruß.

Effektive und neue Wege, den CO2-Fußabdruck in der Produktion zu reduzieren, sind in der ganzen Industrie gesucht. Durch die neuen holzbasierten Füllstoffe können fossile durch erneuerbare Materialien in der Endanwendung ersetzt werden. Dadurch erhöht sich der Anteil an nachwachsenden Rohstoffen in Elastomer-, Thermoplast- und TPE-basierten Produkten auf bis zu 50 %. In Kombination mit anderen biobasierten Rohstoffen kann der erneuerbare Anteil in den Endprodukten noch weiter erhöht werden.
Die Füllstoffe UPM Biomotion enthalten mindestens 94 % biogenen Kohlenstoff (zertifiziert nach DIN Certco) und besitzen einen um mehr als 90 % geringeren CO2-Fußabdruck im Vergleich zu Standard-Industrierußen. „In naher Zukunft rechnen wir sogar mit einer weiteren Verbesserung beim „Global Warming Potential“ (GWP)“, erklärt Dr. Florian Diehl, Manager Sales & Marketing, Renewable Functional Fillers. „Dadurch kann sogar ein deutlich negativer CO2-Fußabdruck für den RFF erreicht werden.“
Die holzfaserbasierten Füllstoffe verfügen über eine Kombination von Materialeigenschaften: Im Vergleich zu traditionellen Füllstoffen ist ihre Dichte um mehr als 25 % geringer und sie sind elektrisch isolierend, wodurch leichtere Bauteile und eine höhere Materialeffizienz ermöglicht werden.

Schemenbild
Bild 2: Herstellungsprozess der holzbasierten funktionale Füllstoffe in der Bioraffinerie in Leuna.

Der Spruch „Weniger ist mehr“ trifft auch auf andere Materialeigenschaften zu: Die hohe Reinheit macht die Produkte für Anwendungen mit Lebensmittelkontakt und Trinkwasser interessant. Denn sie sind frei von polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (kurz PAK, auf Englisch PAH für Polycyclic Aromatic Hydrocarbons) und haben einen sehr niedrigen Schwefelgehalt. „Die entsprechenden Genehmigungen für einen Einsatz in diesem Sektor werden derzeit vorbereitet“, berichtet Diehl und ergänzt: „Auch wenn die RFFs eine neue Materialklasse auf natürlicher Rohstoffbasis definieren, sind sie dank unserer jahrelangen Forschung auf dem gleichen Qualitätsniveau wie fossilbasierte Füllstoffe.“
Die hohe Qualität ist möglich, weil als Produktionsrohstoff ausschließlich Hartholz (Buche) verwendet wird und damit die Zusammensetzung des Ausgangsmaterials konstant ist. Darüber hinaus gewährleisten sehr strenge Prozesskontrollen und ein strenges Qualitätssicherungssystem eine sehr hohe Materialkonsistenz.

Deshalb ist es ein Marathon und kein kurzer Sprint

Graues Schema eines PKWs mit grünen Rahmen und Beschriftung
Bild 3: Vorteile der neuen Füllstoffklasse am Beispiel Automobil. (Bild: alle UPM Biochemicals)

Der Bau der Bioraffinerie in Leuna ist Teil eines 550 Mio. Euro Investitionsprojekts, mit dem sich das Unternehmen als Lösungsanbieter positionieren will. Das Ziel von UPM ist es, erneuerbare und verantwortungsvolle Lösungen zu entwickeln sowie Innovationen für eine Zukunft ohne fossile Rohstoffe zu schaffen. Die Aktien-gesellschaft beschäftigt in sechs Geschäftsbereichen weltweit etwa 17.000 Mitarbeiter, die Umsatzerlöse liegen bei etwa 9,8 Mrd. Euro pro Jahr.
Die Geschäftseinheit UPM Biochemicals unterstützt Anwender, die mit den RFFs nachhaltige Produkte entwickeln. „Aus diesem Grund gibt es in Leuna unser Test- und Entwicklungszentrum. Hier haben wir zusammen mit unseren Kunden und Partnern aus der Gummi- und Kunststoffindustrie bereits mit Produktentwicklungen und Produkttests sowie der Herstellung und Ausprüfung unterschiedlichster Gummimischungen begonnen“, erklärt Dr. Christian Hübsch. „Die Massenproduktion der erneuerbaren Materialien wird nun in Leuna zur industriellen Reife gebracht und gegen Ende 2023 hochgefahren.“ In der Bioraffinerie wird ein Portfolio komplett neuartiger Biochemikalien aus nachhaltig erwirtschaftetem Laubholz hergestellt. Die jährliche Produktionskapazität des Werkes über alle Produktströme wird bei rund 220.000 t liegen.
UPM Biomotion gibt es derzeit in drei verschiedenen Materialqualitäten im niedrigen bis mittleren Verstärkungsbereich. Sie unterscheiden sich insbesondere in ihrer spezifischen Oberfläche und liegen im Bereich von circa 10 bis 40 m²/g (siehe Tabelle 2). Die RFFs sind alle granuliert und besitzen einen Feuchtegehalt von deutlich kleiner als 3 %.

Darum kann die Umwelt profitieren

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Tabelle 2: Aktuelles Produktportfolio

Bisher werden Millionen von Tonnen nicht erneuerbarer, schwerer und CO2-intensiver Füllstoffe in Autoreifen, Profilen sowie Innen- und Außenteilen verwendet. Die OEMs sind aktiv auf der Suche nach nachhaltigeren Komponenten. Sie stehen vor der Herausforderung sehr gute technische Eigenschaften mit bestmöglicher Umweltverträglichkeit zu kombinieren.
Um die Reichweite der Fahrzeuge zu erhöhen und die CO2-Emissionen pro zurückgelegtem Kilometer weiter zu senken, hat die Automobilindustrie in den letzten Jahren damit begonnen, schwere Stahlteile durch Leichtmetalle zu ersetzen. Das Umstellen auf Aluminium- oder Magnesiumlegierungen bei Autotüren beispielsweise ermöglicht eine Gewichtsreduzierung von 50 bis 75 %, was zu einer Gesamtgewichtseinsparung von mehr als 40 kg pro Fahrzeug führen kann. Beide Metalle leiden jedoch unter elektrochemischer Korrosion, wenn sie in Verbindung mit Stahl verwendet werden. Daher sind nicht-leitende Fahrzeugdichtungen mit elektrischen Volumenwiderstände von 109 Ohm*cm und höher erforderlich [2].
Die Rohstoffe, die traditionell in diesen Anwendungen eingesetzt werden, stellen Mischungsentwickler und Hersteller von Dichtungsprofilen beim Erfüllen dieser Kriterien vor erhebliche Herausforderungen. Eine Möglichkeit ist beispielsweise der Einsatz von Industrierußen in Kombination mit großen Mengen Talkum. Dieser Ansatz wird allgemein eher kritisch bewertet, da er die Bemühungen der OEMs um Gewichtsreduzierung und eine reduzierte CO2-Bilanz nicht erfüllt. Das Potenzial der erneuerbaren funktionalen Füllstoffe für die Anwendung in Dichtungsprofilen wird anhand von fünf Gummimischungen aufgezeigt (Tabelle 3), die sich in den eingesetzten Füllstoffsystemen unterscheiden. Es handelt sich ausdrücklich nicht um bereits final optimierte Mischungsrezepturen. Die angewendeten Strategien zeigen erste mögliche Wege für den Einsatz der RFFs auf, welche auch auf andere Elastomersysteme übertragbar sind. Darüber hinaus ist eine Vielzahl weiterer Kombinationen sowie das Anpassen und der Austausch von anderen Mischungsbestandteilen möglich.

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Tabelle 3: Übersicht der untersuchten EPDM Gummimischungen. Alle Angaben sind in phr (parts per hundreds parts rubber).

Alle Mischungen wurden mit einem Laborkneter in einem zweistufigen Prozess hergestellt. In der ersten Mischstufe wurde jeweils der Kautschuk, die Füllstoffe, Weichmacher, Trocknungs- und Verarbeitungsmittel für insgesamt fünf Minuten miteinander verknetet. In der zweiten Mischstufe wurden dann die Beschleuniger und der Schwefel der Grundmischung hinzugefügt und alles zusammen für zwei weitere Minuten gemischt. Die Mischungen wurden anschließend bei einer Temperatur von 160 °C entsprechend ihrer t90-Zeit plus zusätzlichen 5 Min. vulkanisiert. Die physikalische Prüfung erfolgte mit standardisierten Testverfahren: Härte (ASTM D2240), Zugfestigkeit (ASTM D412), Druckverformungsrest (ISO 815-1, 24h at 70 °C), Dichte (ASTM D297), und Volumenschrumpf (ASTM D991).
Die Mischungen 1 und 2 zeigen, dass die benötigten spezifischen Volumenwiderstände von 109 Ohm*cm zum effektiven Vermeiden der elektrochemischen Korrosion in beiden Fällen nicht erreicht werden. Dafür wäre entweder das Reduzieren der Industrierußmenge oder das Erhöhen des Talkumanteils nötig.
Die Mischungen 3, 4 und 5 liegen über den geforderten Werten für die elektrische Leitfähigkeit und besitzen eine um 7 bis 15 % geringere Materialdichte. Der Anteil an erneuerbarem Material liegt bei den UPM Mischungen im Bereich von 31 bis 40 %, was sich auch im finalen CO2-Fußabdruck widerspiegelt. Die gezeigten Beispiele besitzen ein um zwischen 31 und 48 % niedrigeres GWP im Vergleich zum Stand der Technik.
Der Produktionsprozess der holzbasierten Füllstoffe wird stetig verbessert und soll in naher Zukunft deutlich CO2-negativ sein. Durch weitere Mischungsoptimierung kann der erneuerbare Anteil noch weiter erhöht werden. In Abhängigkeit von den genauen physikalischen Anforderungen an die Mischung ist heute schon ein 100 % Ersatz von Industrierußen durch UPM Biomotion RFFs in bestimmten Anwendungsbereichen möglich. Und auch der Einsatz zusammen mit anderen erneuerbaren Rohstoffen, wie biobasierten Kautschuken und Prozessölen, ist möglich.

So machen RFFs Autos nachhaltiger

Tabelle mit sechs Spalten
Tabelle 4: Vergleich der Basiskautschukeigenschaften von Standard-ASTM Soft Blacks mit UPM Biomotion X40 und deren Kombinationen für Dichtprofilen in der Automobilindustrie.

Das Fahrzeuggewicht wirkt sich direkt auf den Kraftstoffverbrauch aus. Daher verbessert ein geringeres Gewicht die Kraftstoffeffizienz insgesamt und senkt die CO2-Emissionen in erheblichem Maße. So führt beispielsweise eine Gewichtsreduzierung bei einem benzinbetriebenen Pkw um 10 kg zu einer Verringerung der CO2-Emissionen um bis zu 1 g/km [3].
Die Kombination von Leichtmetalltüren und RFF-basierten Dichtungsprofilen kann leicht zu einer Gewichtsersparnis von 40 kg und mehr führen. Legt man jetzt die durchschnittliche Nutzungsphase eines Autos in Europa von rund 200.000 km zu Grunde, so wird der Ausstoß von rund 800 kg CO2 pro Auto vermieden. Dass diese Reduzierung signifikant ist, wird beim Betrachten der schieren Zahl an Fahrzeugen deutlich. In Deutschland waren im Jahre 2021 rund 48 Mio. Autos zugelassen. Wäre bei diesen Fahrzeugen diese Gewichtsersparnis vorhanden gewesen, so hätten mehr als 38 Mio. t CO2 reduziert oder über 100 Mio. Fässer Rohöl eingespart werden können.
Die Dichtungen sind nur ein mögliches Anwendungsgebiet für die neue Füllstoffklasse. Nach aktuellem Wissenstand ist deren Einsatz in prinzipiell allen Gummi- und Kunststoffbauteilen, auch außerhalb der Automobilindustrie, möglich [4].

Warum nachhaltige Lösungen wichtig sind

„Der hohe Umweltnutzen von UPM Biomotion RFF und die transformative Rolle von UPM Biochemicals finden bereits breite Anerkennung“, freut sich Dr. Florian Diehl. Erst kürzlich wählte das European Rubber Journal UPM’s Renewable Functional Fillers auf Platz drei der Top 10 Projekte für neue, nachhaltige Elastomere. „Unsere Bestrebungen, mehr aus weniger zu machen, sind erfolgreich – allerdings glauben wir, dass wir hier erst am Anfang unseres Weges stehen. Das bedeutet, dass wir einen von Wegwerfmentalität geprägten Ressourcenverbrauch durch ein nachhaltiges, auf der Nutzung von erneuerbaren, recyclingfähigen Ressourcen basierendes Modell ersetzen. Das ist es was wir unter „mehr aus weniger“ verstehen.“

Quelle: UPM Biochemicals

 

Literatur

[1] Intergovernmental Panel on Climate Change (2006), 2006 IPCC Guidelines for National Greenhouse Gas Inventories, Volume 3: Industrial Processes and Product Use, Chapter 3:  Chemical Industry Emissions. Online: https://www.ipcc-nggip.iges.or.jp/public/2006gl/pdf/3_Volume3/V3_3_Ch3_Chemical_Industry.pdf [abgerufen am 02.02.2022].
[2] Thakur et al., Rubbers Fibers Plastics International, Issue 3, 2020 & Colombo et al., KGK Issue 4, 2021, S. 33.
[3] Plastics Europe (2013). Automotive – The world moves with plastics
[4] EPA – Environmental Protection agency. Online: https://www.epa.gov/energy/greenhouse-gases-equivalencies-calculator-calculations-and-references [abgerufen am 02.02.2022]

Autoren

Dr. Florian Diehl, Manager Sales & Marketing, Renewable Functional Fillers, UPM Biochemicals, Leuna
Dr. Barbara Gall, Manager Business Development, Renewable Functional Fillers, UPM Biochemicals, Leuna
Sanna Valkonen, Senior Manager, Sustainability Marketing, UPM Biochemicals, Leuna
Sven Schulte-Rummel, Content Strategist C3, Berlin

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