Diagramm mit fünf Bild-Elementen auf schwarzem Grund und gelber Lade-Zeile.

Der Lebenszyklus von Elastomeren dient als ­Ansatzpunkt für nachhaltige Mobilität. (Bild: Magele-picture – stock.adobe.com)

Schematischer Lebenszyklus eines Elastomerbauteils in vier Farbenabschnitten dargestellt.
Bild 1: Schematischer Lebenszyklus eines Elastomerbauteils. Alle Phasen bieten Ansatzpunkte für mehr Nachhaltigkeit. (Bild: WDK)

Eine Stunde und 20 Minuten sind Menschen in Deutschland täglich im Durschnitt unterwegs [1].  Durch den Straßenverkehr entstehen 20 % der in Deutschland jährlich anfallenden Treibhausgasemissionen [2]. Diese Zahlen verdeutlichen, wie wichtig Mobilität für unseren Alltag ist und welchen Stellenwert sie für das Klimaziel der Treibhausgasneutralität bis 2045 einnimmt. Nachhaltige Mobilität umfasst jedoch mehr als die mit mehr oder weniger Emissionen verbundene Fortbewegung von Personen oder Gütern. Sie nimmt auch das Fahrzeug und seinen vollständigen Lebenszyklus in den Blick. Dieser beginnt bei den Rohstoffen, aus denen die Einzelkomponenten für das Fahrzeug hergestellt werden. Das Ende von dessen Nutzungsphase stellt gleichzeitig den Übergang in die nächste Phase des Lebenszyklus dar, das Recycling (Bild 1). Ob Zug, Lkw, Bus, Pkw oder Fahrrad – alle diese Fortbewegungsmittel benö-tigen Elastomerkomponenten für ihre Transportfunktion. Am augenscheinlichsten sind die Reifen der Straßenfahrzeuge. Doch in einem Pkw mit Verbrennungsmotor entfallen auf diese nur die Hälfte der insgesamt verbauten Elastomere. Weitere 35 kg finden sich im Motorraum, an der Karosserie und im Fahrzeuginnenraum. Elektrofahrzeuge benötigen weniger Elastomerbauteile als solche mit Verbrennungsmotor, da im Antriebsstrang die Fluidsysteme für Kraftstoff, Ladeluft, Druckdifferenzierung und Kühlsystem entfallen. Allerdings stellen Elektrofahrzeuge veränderte Anforderungen an Beständigkeit und Lebensdauer von Elastomerkomponenten im Dichtungs- und Dämpfungsbereich.

Rohstoffquellen jenseits des Erdöls

Strombetriebene Fahrzeuge verursachen im Betrieb weniger Treibhausgas-Emissionen als solche mit Verbrennungsmotor. Gleichzeitig ist bei Elektrofahrzeugen der „CO2-Rucksack“, den seine einzelnen Komponenten mitbringen, größer. Die höheren vorgelagerten Emissionen sind auf die Batteriematerialien und deren energieaufwändige Gewinnung zurückzuführen. Das Mehr an Treibhausgas-Emissionen, die ein Elek­trofahrzeug gegenüber einem mit Verbrennungsmotor mitbringt, amortisiert sich nach 15.000 bis 150.000 km – je nach Motorleistung und Ladestrommix [3, 4]. Beim Elektrofahrzeug kommen darum die mit dem Fahrzeug und seinen Bauteilen verbundenen vorgelagerten Treibhausgasemissionen eine höhere Bedeutung zu als beim Pkw mit Verbrennungsmotor. Unabhängig von der Antriebsart verfolgt die Kautschukindustrie verschiedene Ansätze, um den Carbon Footprint von Reifen und anderen Elastomerbauteilen am Fahrzeug zu minimieren. Ein Beispiel ist der Ersatz von erdölbasierten durch nachwachsende Rohstoffe. Für Synthesekautschuke und Füllstoffe stehen mittlerweile biobasierte Alternativen zur Verfügung, beispielsweise aus Zuckerrohr gewonnener Kautschuk oder Füllstoffe, die auf Holz oder Reisschalen basieren. Naturkautschuk ist per se ein regenerativer Rohstoff. Doch er verdeutlicht, dass bei biobasierten Rohstoffen auch soziale Aspekte mitbedacht werden müssen. Die Gewinnung dieser Rohstoffe darf nicht in Konkurrenz zum Lebensmittelanbau stehen und so die Lebensgrundlage der Menschen in den Herkunftsländern gefährden. Zahlreiche Initiativen setzen sich für einen nachhaltigen Naturkautschukanbau und faire Bedingungen für die Kleinbauern am Anfang der Wertschöpfungskette ein. Einige zertifizieren den nach ihren jeweiligen Kriterien angebauten Naturkautschuk entsprechend. Beispiele sind die Global Platform for Sustainable Natural Rubber, ein Multi-Stakeholder-Netzwerk, in dem die Akteure aus der gesamten Naturkautschuk-Wertschöpfungskette und NGOs vertreten sind; der Fair Rubber e.V., der die Lebensbedingungen der Kleinbauern durch die Prinzipien des fairen Handels verbessert; FSC (Forest Stewardship Council) und PEFC (Programm für die Anerkennung von Waldzertifizierungssystemen), die sich für nachhaltige Forstwirtschaft einsetzen.
Neben der Verwendung von nachwachsenden Rohstoffen lässt sich der CO2-Fußabdruck auch durch Verwenden von Recyclingmaterialien senken. Ein Beispiel ist Pyrolyseruß (Recovered Carbon Black), der aus Polymerabfällen und Biomasse gewonnen wird. Das Wiedergewinnen von Rohstoffen und Materialien lässt sich durch ­einen Design-for-Recycling-Ansatz verbessern. Ingenieurinnen und Ingenieure denken dabei in der Produktentwicklung neben der idealen Leistungsfähigkeit des Bauteils auch dessen Recyclingfähigkeit als Zielgröße mit. Die Materialauswahl spielt dabei eine entscheidende Rolle. Thermoplastische Elastomere (TPE) sind im Vergleich zu vulkanisiertem Gummi aufgrund ihrer plastischen Verformbarkeit einfach recycelbar. TPE haben mittlerweile ihren festen Platz im Automobilbau, egal ob im Außeneinsatz, Fahrzeuginnenraum oder an der Karosserie (Bild 2).

Einsatzmöglichkeiten von Thermoplastischen Elastomeren (TPE) im Fahrzeuginterieur.
Bild 2: Einsatzmöglichkeiten von Thermoplastischen Elastomeren (TPE) im Fahrzeuginterieur. (Bild: Kraiburg TPE)

Klimafreundliche Herstellung

Neben der geschickten Rohstoffauswahl trägt auch das Optimieren von Herstellungsverfahren zu nachhaltigeren Elastomerkomponenten im Fahrzeugbau bei. Die Mischungs-herstellung und die Vulkanisation machen die Kautschukherstellung zu einem energieaufwändigen Prozess. Moderne Mischtechnik, neue Vulkanisationsverfahren und die Nutzung von Abwärme ermöglichen eine höhere Energieeffizienz und somit eine Verringerung der Treibhausgasemissionen.

Höchstleistung für Sicherheit, Gesundheit und Klima in der Nutzungsphase

Altreifenverwertung in Deutschland anhand eines Schaubildes mit Beschriftung.
Bild 4: Altreifenverwertung in Deutschland. (Bild: WDK)

Reifen und andere Elastomerbauteile haben das Potential, den Treibstoff- oder Strombedarf eines Fahrzeugs während der Nutzungsphase zu verringern und so die Treibhausgas-emissionen zu minimieren. Ein geringer Rollwiderstand der Reifen wirkt sich darauf positiv aus. Die Reifenentwicklung zielt außerdem auf die Verringerung des Reifenabriebs und gutes Bremsverhalten ab. Diese drei Parameter, stellvertretend für viele weitere, stehen durchaus in einem Zielkonflikt zueinander. Dennoch gelingt es, moderne Qualitätsreifen zu entwickeln, die gleichzeitig eine effiziente Fortbewegung ermöglichen, die Umwelt durch weniger Abrieb schonen, und hohe Sicherheit auch bei schlechtem Wetter gewährleisten. Reparatur und Wiederaufbereitung sind zwei Ansätze, um die Nutzungsphase von Produkten zu verlängern. Runderneuerung statt Entsorgung ist bei Lkw-Reifen etablierte Praxis. Flottenbetreiber decken einen großen Teil ihres Bedarfs mit derart wiederaufbereiteten Reifen. Pkw-Reifen können ebenso runderneuert werden. Diese nachhaltige Alternative zu Neureifen ist in diesem Bereich jedoch weniger verbreitet als bei Lkw-Reifen [5]. Auch die Nutzungsdauer von Fahrzeugen kann durch Reparatur und Ersatz von Verschleißteilen verlängert werden. Neue Technologien wie der 3D-Druck von vulkanisierbaren Kautschuk-Formteilen sind Gegenstand aktueller anwendungsorientierter Forschung [6]. Dieses Fertigungsverfahren eröffnet die Möglichkeit, einzelne Ersatzteile nach Bedarf zu herzustellen, auch wenn diese serienmäßig nicht mehr verfügbar sind.

Vom ausgedienten Produkt zum neuen Rohstoff

Die Nutzungsphase eines Pkw beträgt 17 bis 18 Jahre [7]. Danach zerlegen Entsorgungsbetriebe ihn in seine Einzelteile mit dem Ziel, möglichst viele der wertvollen Materialien zurückzugewinnen. Die Elastomere im Fahrzeug-inneren werden in der Regel zusammen mit anderen Kunststoffbauteilen zur Energieerzeugung genutzt, das heißt thermisch verwertet. Fast die Hälfte des Gummis aus Reifen, die ihr Lebensende erreichen, kehrt in Form von Sportböden, Laufbahnen, Schienenübergängen, Pflanztöpfen und vieler anderer Gegenstände in den Alltag zurück (Bild 3) [8]. Im Recyclingprozess wird dafür der Gummi- vom Stahl- und Textilanteil der Reifen getrennt. Das Gummi wird zu Granulat vermahlen, das sich als Rohstoff weiternutzen lässt. Ein weiterer Verwertungsweg für Altreifen ist die Nutzung als Energieträger in Zementwerken. Dieser thermische Verwertungsweg nimmt jedoch zugunsten der Runderneuerung und der stofflichen Verwertung ab. Somit werden in Deutschland zwei Drittel der Altreifen im Kreislauf gehalten und nur etwa ein Drittel der thermischen Verwertung zugeführt (Bild 4). Weitere nachhaltige Verwertungswege können noch erschlossen werden.

Gummigranulat aus Altreifen und daraus hergestellte Produkte.
Bild 3: Gummigranulat aus Altreifen und daraus hergestellte Produkte. (Bild: New Life)

Moving in Circles - Kreislaufwirtschaft in der deutschen Kautschukindustrie

Titelseite der WDK-Publikation.
Titelseite der WDK-Publikation. (Bild: WDK)

Die Publikation des WDK folgt dem Weg des Kautschuks entlang seines Lebenszyklus. In Infografiken und Texten quantifiziert sie Kautschuk-Stoffströme innerhalb Deutschlands, bildet das nationale Kreislaufwirtschaftssystem für Kautschuk ab und zeigt, wo staatliche Regulierung dieses funktionierende Kreislaufwirtschaftssystem unterstützt oder auch ­gefährdet.

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Was erreicht wurde und was es zu erreichen gilt

Nachhaltige Mobilität ist eng mit Reifen und Elastomerbauteilen im Fahrzeug verbunden. Die Kautschukbranche hat mit innovativen Ansätzen und der Verbesserung technischer Lösungen in den letzten Jahren große Fortschritte bei der Defossilierung ihrer Ausgangsmaterialien und Herstellungsprozesse gemacht. Sie ist sich dabei auch ihrer gesellschaftlichen Verantwortung insbesondere gegenüber den Menschen und der Umwelt in den Anbauländern von Naturkautschuk und anderen nachwachsenden Rohstoffen bewusst. Die Entwicklung von langlebigeren Elastomerprodukten im Automobilbereich wirkt sich durch verlängerte Nutzungsdauern und erhöhte Zuverlässigkeit ­positiv auf die Ressourceneffizienz und die Verkehrssicherheit aus. Die Innova­tionskraft der deutschen Kautschukbranche sowie die enge Verzahnung von Wissenschaft und Industrie treiben die weitere Entwicklung von Elastomerprodukten voran, die über ihren gesamten Lebenszyklus hinweg nachhaltig sind und die Anforderungen auch neuer Mobilitätskonzepte erfüllen. Denn die hier am Beispiel Pkw skizzierten Ansätze lassen sich auf andere Verkehrsmittel wie Fahrrad, Roller, Busse und Schienenverkehr übertragen.

Literatur- und Quellenverzeichnis

  1. [1] Kunimhof, T; Nobis, C. Mobilität in Deutschland. Ergebnisbericht. infas ­Institut für angewandte Sozialwissenschaft: Bonn, 2018.
  2. [2] Umweltbundesamt, Anteil des Verkehrs an den Treibhausgasemissionen in          Deutschland,https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/384/bilder/dateien/2_abb_anteil_verkehrsemissionen_thg_2023-04-28_0.pdf (abgerufen am 18.08.2023).
  3. [3] Wietschel, M. Ein Update zur Klimabilanz von Elektrofahrzeugen. Working Paper Sustainability and Innovation  No. S 01/2020. Fraunhofer-Institut für System-   und        Innovationsforschung ISI: Karlsruhe, 2020.
  4. [4] Lienert, P. Analysis: When do electric vehicles become cleaner than gasoline cars? Reuters, 07.08.2021.  https://www.reuters.com/business/autos-transportation/when-do-electric- vehicles-become-cleaner-than-gasoline-cars-2021-06-29/ (abgerufen am 18.08.2023).
  5. [5] Allianz Zukunft Reifen (AZuR). Runderneuerte Reifen im Flotteneinsatz. Befragung von Flottenbetreibern zum Einsatz runderneuerter Reifen für Nfz und Pkw. https://azur-netzwerk.de/wp-content/uploads/RUNDERNEUERT_Whitepaper_Umfrage_Flottenbetreiber_RZ_web.pdf (abgerufen am 18.08.2023).
  6. [6] Leineweber, S; Sundermann, L.; Bindszus, L.; Overmeyer, L.; Klie, B.; Wittek, H.; Giese, U. Additive Manufacturing and Vulcanization of Carbon Black-Filles Natural Rubber-based Components. Rubber Chem. Technol. 2022, 95 (1). 46-57. DOI: 10.5254/rct.21.79906.
  7. [7] Umweltbundesamt. Altfahrzeugverwertung und Fahrzeugverbleib. ­­https://www.umweltbundesamt.de/print/14614 (abgerufen am 15.06.2023).
  8. [8] Wirtschaftsverband der deutschen Kautschukindustrie. Moving in Circles. Kreislaufwirtschaft in der deutschen Kautschukindustrie. 2. Auflage. Frankfurt am Main, 2022.

Quelle: WDK – Wirtschaftsverband der deutschen Kautschukindustrie e.V., Frankfurt

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