Offene Damenhand mit einer Weltkugel mit grünem Hintergrund und wabenförmigen Symbolen.

CSRD ist mehr als Etwas auf die Umwelt achten. (Bild: Narawit – stock.adobe.com)

Zwei zentrale Maßnahmen zur Umsetzung des Green Deals sind auch für den Mittelstand relevant: Die Einführung neuer Richtlinien zur nicht-finanziellen Berichterstattung (Corporate Sustainability Reporting Directive, kurz: CSRD) und die Schaffung neuer Instrumente für den Finanzmarkt (Taxonomie). Nachhaltigkeit soll effektiv in Unternehmensstrategien eingebettet und auf Vorstandsebene institutionalisiert werden. Dabei werden drei Dimensionen betrachtet: Umwelt, Soziales und Führung – auch ESG abgekürzt für Environmental, Social und Governance. Diese Dimensionen umfassen wichtige Kriterien zum Messen und Steuern der Nachhaltigkeit und ethischen Auswirkungen eines Unternehmens. Die Integration von ESG-Kriterien ist kein bloßer Zusatz mehr, sondern eine unverzichtbare Voraussetzung für langfristigen Unternehmenserfolg. Stellen Sie sich eine Wirtschaft vor, die nicht nur auf Profit, sondern auf Langfristigkeit und Generationengerechtigkeit ausgerichtet ist ­– eine „enkelfähige“ Wirtschaft, die nicht nur heute, sondern auch morgen für Wohlstand sorgt. Eine Wirtschaft, die vor allem im Mittelstand verankert ist und dabei wirtschaftliche Dynamik mit einem minimalen ökologischen und so­zia­len Fußabdruck vereint. Europa bis 2050 klimaneutral und nachhaltig zu gestalten, ist keine leichte Aufgabe und erfordert tiefgreifende Veränderungen in allen Branchen, sowie eine radikale Umstrukturierung der Unternehmen hin zu bewussterem und langfristigerem Wirtschaften.

Der European Green Deal: Eine Vision für die Zukunft

Grüner Punkt mit viele Beschriftung rechts daneben.
Einordnung European Green Deal (Bild: Vindelici)

Der European Green Deal verkörpert ein Ziel, das weit über einfache, quantitative Vorgaben hinausgeht: Klimaneutralität bis 2050, Schutz der Biodiversität, Förderung nachhaltiger Landwirtschaft, etablierte Kreislaufwirtschaft und effiziente Nutzung erneuerbarer Energien. Seine Umsetzung erfordert detaillierte Hinweise und Anleitungen für einzelne Unternehmen, die in Form von Gesetzen und Regulierungen zur Verfügung gestellt werden. Es braucht finanzielle Ressourcen für nachhaltige Projekte und Infrastrukturen. Auch Forschung und Innovation, um neue Technologien und Lösungen zu entwickeln, sind unerlässlich und internationale Zusammenarbeit wird erforderlich, um gemeinsame Lösungen für kontinentale und globale Probleme zu finden. Die Komplexität der Transformation, Widerstände und Interessenskonflikte, technologische Herausforderungen und die Notwendigkeit der umfassenden Erfassung und Berichterstattung – all dies erfordert koordinierte Bemühungen auf allen Ebenen. Im Mittelpunkt der Transformation stehen die CSRD und die EU-Taxonomie. Zwei Initiativen, die eine grundsätzliche Neuausrichtung der Unternehmensstrategien erfordern: Weg von getrennten Umweltberichten aus der Marketingabteilung hin zur vollen Integration von Nachhaltigkeit in die obersten Führungsebenen und -prinzipien. Dies bringt nicht nur neue Anforderungen an die Berichterstattung und erhöhte Standards mit sich, sondern bedingt auch einen tiefgreifenden Wandel im gesamten Verständnis von Unternehmensverantwortung und -führung. Die Herausforderungen sind enorm, denn Unternehmen müssen ihre Prozesse, Strukturen und Berichtssysteme laufend überdenken und anpassen. Nachhaltiges Wirtschaften ist kein optionaler Luxus mehr, sondern die entscheidende Bedingung für langfristigen Erfolg und eine gesicherte Zukunft.

Zitat

ESG macht Unternehmen enkelfähig

Für viele Unternehmen wird es zur Herausforderung, bestehende Strukturen umzudenken und eine integrierte Nachhaltigkeitsstrategie zu verfolgen, die auf tiefgehenden Analysen, Bewertungen und Geschäftszielen basiert. Die Umsetzung der CSRD kann dabei als ein dreiteiliger Kreislauf gesehen werden, der zunehmend detailliert und umfassend durchlaufen wird:  

  1. Konkretisierung der Zielsetzung
  2. Entwicklung von Maßnahmen
  3. Integration in das Geschäftsmodell
  4. Review & Repeat

Die CSRD geht jedoch über reine „Rückblicksberichterstattung“ hinaus und fordert zukunftsorientierte Strategien. Sie fordert Unternehmen dazu auf, einen ganzheitlichen ESG-Rahmen zu schaffen, der tief in den Unternehmenskern eingebettet ist. Zudem gilt das Prinzip der doppelten Materialität: Es ist sowohl über den Einfluss des Unternehmens auf Nachhaltigkeit (Inside-out, zum Beispiel CO2-Ausstoß bei der Produktion), sowie über den Einfluss von Nachhaltigkeit auf das Unternehmen (Outside-in, beispielsweise durch den Klimawandel hervorgerufene Temperaturschwankungen und deren Einfluss auf die Produktion) zu berichten. Mit der CSRD gelten einheitliche Standards, die es erfordern, in den betroffenen Unternehmen vollständig integrierte Strukturen aufzubauen. Separate und konkurrierende Verantwortungen beispielsweise in Umwelt-, Qualitäts-, Personal- oder Marketingabteilung, zusammengeführt in einem externen Nachhaltigkeitsbericht, sind nicht effizient. Spätstarter, die erst jetzt direkt mit dem Aufbau integrierter Strukturen beginnen, liegen also vorne.

CSRD und Nachhaltigkeitsmanagement: Unternehmensrolle im Green Deal

Die CSRD, ein Pfeiler der EU-Strategie zur Förderung der nachhaltigen Entwicklung, fordert Unternehmen dazu auf, Nachhaltigkeit zur Priorität zu machen. Sie fordert Transparenz in den Nachhaltigkeitsstrukturen, sowie genaue Indikatoren und die Verankerung von Nachhaltigkeit in den Strukturen der Finanzbereiche der Unternehmen. So wird Nachhaltigkeit mittels Branchenstandards erstmals messbar und vergleichbar. Die European Financial Reporting Advisory Group (Efrag) wurde von der EU-Kommission beauftragt, einheitliche Standards und Kennzahlen zu entwickeln. Der aktuelle Entwurfsstand der European Sustainability Reporting Standards (ESRS), der sich derzeit noch in den verzweigten Wegen des europäischen Konsultations- und Gesetzgebungsprozesses befindet, umfasst: insgesamt 12 Standard-Sets: 2 allgemeine Standards und 10 themenspezifische Standards, zum Beispiel zu Verschmutzung oder Wirkung auf die Gesellschaft, ein Standard-Set ist für alle Unternehmen relevant (allgemeine Angaben).

EU-Taxonomie: Instrument für nachhaltige Investitionen

Die EU-Taxonomie, ein quantitatives Klassifizierungssystem für nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten, ermöglicht einen einfachen Vergleich von Unternehmen hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeitsanstrengungen und soll zum zentralen und holistischen „grünen Vergleichs­instrument“ für den Kapitalmarkt werden. Betroffene Unternehmen ordnen den relativen Umsatz und Investitionen (Capex) sowie, wo sinnvoll, den Betriebsaufwand (Opex) anhand von Nace-Codes definierten ökonomischen Aktivitäten zu. Für die ökonomischen Aktivitäten mit den höchsten Emissionen oder solchen, die zu den größten CO2-Einsparungen führen, definieren spezifische Richtlinien und Indikatoren die Taxonomie-Konformität. Alle anderen Aktivitäten werden nicht klassifiziert. Damit eine ökonomische Aktivität als taxonomiekonform klassifiziert werden kann, müssen drei Bedingungen erfüllt sein:

  • Ein wesentlicher Beitrag zu einem der sechs definierten Nachhaltigkeitsziele
  • Keine signifikante Beeinträchtigung der übrigen Nachhaltigkeitsziele
  • Entsprechung zu den sozialen Mindestanforderungen der Taxonomie

Im verarbeitenden Gewerbe sind bisher vor allem Unternehmen zur Primärherstellung von Werkstoffen, wie Plastik oder Metallen, zu Angaben hinsichtlich Taxonomie-Konformität verpflichtet, nicht aber Unternehmen, die Werkstoffe beispielsweise zu Komponente oder Produkten weiterverarbeiten. Unternehmen, die bisher keiner relevanten Branche angehören und/oder keinen Umsatz mit taxonomierelevanten Aktivitäten generieren, können durch Investitionen in „grüne Aktivitäten“ dennoch größere axonomie-Konformität erzielen. Der Umgang mit dem neuen Instrument Taxonomie stellt insbesondere Banken und Investoren vor eine besondere Herausforderung, da sie sich inmitten eines wachsenden Wunsches nach nachhaltigen Investitionen wiederfinden. Die EU-Taxonomie ist jedoch mehr als nur ein Hindernisparcours. Sie ist eine einzigartige Chance, um transparenten Wettbewerb zwischen einzelne Unternehmen und Projekten zu ermöglichen und grüne Investitionen zu fördern. Sie hat das Potential, die Art und Weise, wie wir Investitionsentscheidungen treffen, grundlegend zu verändern.

Schaukasten mit drei Balken und Beschriftungs Text
Anwendung der CSRD (Bild: Vindelici)

Transformation für nachhaltige ­Unternehmensstrategien

De Industrie steht an einem entscheidenden Punkt: Nachhaltigkeit ist keine Option mehr, sie ist eine betriebliche Notwendigkeit und ein entscheidender Faktor der Wettbewerbsfähigkeit. In einer Welt, die transparente, nachhaltige Geschäftspraktiken fordert, können Entscheider es sich nicht mehr leisten, Nachhaltigkeit zu ignorieren.
Die regulatorische Landschaft, angeführt von Initiativen wie dem European Green Deal, ist unmissverständlich: Nur Rechtskonformität reicht nicht mehr aus. Nachhaltigkeit muss ins Herz der Strategie rücken, um langfristigen Erfolg zu sichern. Diese Integration verlangt einen Wandel, der auf allen Ebenen stattfindet – Geschäftsmodelle, Prozesse und Unternehmenskultur müssen transformiert werden. Die Entscheider und Verantwortlichen müssen konkrete, auf Unternehmenszielen basierende Nachhaltigkeitsziele festlegen und transparent darüber berichten, um das Vertrauen aller Stakeholder zu gewinnen. Vor uns liegt das „Thunberg-Paradox“: Je weniger und je später wir die Unternehmen verändern, desto katastrophaler werden die Folgen für unsere Umwelt – und damit für uns als Wirtschaft und Gesellschaft. Durch proaktive Veränderung können Unternehmen helfen, dieses Paradox zu lösen und durch hohe Veränderungsdynamik eine nachhaltige Zukunft zu sichern. Die Alternative – das Festhalten am Status quo – birgt künftig ein hohes Risiko von Sanktionen, Kundenverlust und letztlich der Bedrohung der eigenen Überlebensfähigkeit wegen des zunehmenden Zusammenbruchs der gesellschaftlichen und natürlichen Grundlagen der Wirtschaft.

Diagramm mit sieben Symbolen und Erklärungen
Fokusindustrien, die von der EU-Taxonomie betroffen sind. (Bild: Vindelici)
Zitat

Banken mögen nachhaltige Unternehmen, da diese langfristig weniger riskant sind

Nachhaltige Unternehmensstrategie: Ein Erfolgsfaktor der Gegenwart

Die Umsetzung einer nachhaltigen Unternehmensstrategie ist heute mehr denn je ein entscheidender Erfolgsfaktor. Die Rolle von Inhabern und C-Level-Führungskräften ist hierbei unerlässlich. Sie tragen die Verantwortung für die Ausrichtung des Unternehmens und die Integration von Nachhaltigkeitszielen in die Unternehmensstrategie. Mit der Einführung der CSRD wird Nachhaltigkeit zur Vorstandsaufgabe und zum Kernelement der Unternehmensstrategie. Die Verknüpfung von finanziellen und nicht-finanziellen Kennzahlen im Jahresbericht erfordert insbesondere die Aufmerksamkeit der CFOs.

Schaubild mit grünen Punkten und Erklärungstext.
Aufschlüsselung der ESRS (Bild: Vindelici)
Zitat

Nachhaltigkeit ist ein offener Prozess für jeden

Nachhaltigkeit kann nicht mehr in die Umwelt-, Qualitäts- oder Marketingabteilung delegiert werden, sondern wird eine zentrale Steuerungs­größe des Unternehmens.
Die Bedeutung klarer und transparenter Kommunikation darf hierbei nicht unterschätzt werden. Sie erstreckt sich über reine Berichterstattung hinaus und umfasst die offene Darstellung von Visionen, Werten und Zielen. Ein Unternehmen, das seine Nachhaltigkeitsmaßnahmen verständlich strukturiert und kommuniziert, baut Vertrauen bei Investoren, Mitarbeitern. Lieferanten und Kunden auf. Technologische Innovation und Digitalisierung sind essenzielle Werkzeuge in der Umsetzung nachhaltiger Strate­gien. Sie erlauben es Unternehmen, Prozesse effizienter und umweltverträglicher zu gestalten sowie Nachhaltigkeitsdaten akkurat zu erfassen und zu analysieren. Die Digitalisierung minimiert dabei manuelle Prozesse und Fehler, wodurch die Präzision und Zuverlässigkeit der Nachhaltigkeitsberichterstattung gesteigert werden. Die Realisierung einer nachhaltigen Unternehmensstrategie erfordert starke Führung, transparente Kommunikation und den effizienten Einsatz von Technologie. Unternehmen, die diese Elemente erfolgreich in ihre Strategie integrieren, können ihre Nachhaltigkeitsziele effektiv erreichen und so einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung der europäischen Wirtschaft und Gesellschaft leisten.

Quellen

Disclaimer: Alle im Text beschriebenen Initiativen wurden mit Kenntnisstand Juli 2023 erarbeitet und können zum Zeitpunkt der Veröffentlich ggf. bereits überholt sein.


[1] CSR – Corporate Sustainability ­Reporting Directive (CSRD) (csr-in-deutschland.de), abgerufen am 28. Juli 2023.
[2] BMUV: EU-Taxonomie und die rechtliche Grundlage | Cluster, abgerufen am 28. Juli 2023.
[3] Umweltberichterstattung – Berichtsstandards | Umweltbundesamt, abgerufen am 28. Juli 2023.

Quelle: Vindelici Advisors

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