Brennstoffzellen können eine wichtige Rolle bei der Lösung der Umwelt-, Energie- und Emissionsprobleme des 21. Jahrhunderts spielen [1]. Sie sind für ein breites Spektrum von Anwendungen attraktiv, von der Mikroelektronik bis hin zur Stromerzeugung in großem Maßstab sowie für den Verkehr und Automobilbau, insbesondere für Langstrecken und für schwere Fahrzeuge wie etwa Lastkraftwagen, Busse und Transporter [2-8]. Bild 1 zeigt schematisch ein typisches Brennstoffzellensystems, welches als Antriebseinheit im Fahrzeug fungiert. Aber nicht nur als Antrieb im Automobilsektor, sondern auch als Teil neuer stationärer Energieerzeugung und -speicherung im Energiesektor, ist die Brennstoffzelle eine interessante Technologie und wird auch in diesem Segment zunehmend eine wichtige Rolle spielen [9-11]. Der Betrieb von Brennstoffzellensystemen erfordert den Einsatz zahlreicher Materialien, darunter Metalle, Kunststoffe und Dichtungsmaterialien. Kunststoffe und Elastomere werden dabei für die Brennstoffzelle selbst, den sogenannten „Stack“, aber auch für die Wasserstoff-, Sauerstoff- und Luftzufuhr sowie für Kühlkreisläufe verwendet. Darüber hinaus werden sie auch in Hilfskomponenten wie Pumpen, Ventilen, Kompressoren, Rohren, Filtern, Dichtungen und Verbindungsstücken eingesetzt. Die gängigen Kunststoffrezepturen und Elastomermaterialien enthalten in der Regel verschiedenste Additive, Füllstoffe, Restmonomere, komplexe Vernetzersysteme und/oder Katalysatoren. Diese Stoffe können für Brennstoffzellenanlagen kritisch sein. Je nach Positionierung der Anwendung beziehungsweise des Bauteils innerhalb des Brennstoffzellensystems (zum Beispiel Dichtungen oder Kathodenfilter) können flüchtige Bestandteile und/oder Ionen aus den Elastomeren in das Brennstoffzellensystem gelangen, was zu Korrosion, Degradation oder Kontamination beiträgt und somit die Leistung und Lebensdauer eines Brennstoffzellensystems stark verringern kann. Daher werden für viele Brennstoffzellenanwendungen Elastomere mit hoher Reinheit und niedrigen Emissionswerten sowie einem geringen Auswaschungspotenzial benötigt. Weitere Anforderungen sind gute Dichtungseigenschaften (zum Beispiel geringer Druckverformungsrest), eine gute elektrische Isolierung sowie langfristige chemische Inertheit und hohe Beständigkeit gegen Hydrolyse und verschiedenste Medien, besonders gegen schwache Säuren. Nicht zuletzt sollten die Dichtungsmaterialien sich einfach verarbeiten lassen und idealerweise 2K-Spritzgussfähigkeit besitzen, um eine ökonomische Teileherstellung zu garantieren. Zu diesem Zweck hat Mocom, Hamburg, hochreine thermoplastische Vulkanisat-Elastomere (TPV) unter der Marke Alfater XL für den Einsatz in Brennstoffzellensystemen, beispielsweise als Dichtungen oder im Filterbereich, entwickelt. Die neuen TPV-Werkstoffe basieren auf Polypropylen (PP) und vernetztem Ethylen-Propylen-Dien-Monomer (EPDM). PP+EPDM ist die bekannte und etablierte Material-basis für TPVs, was sie unter Kostengesichtspunkten für den Markt interessant macht. Darüber hinaus besitzen sie im Vergleich zu klassischen EPDM-Gummi eine sehr niedrige Dichte (< 0,95 g/cm³), lassen sich in der Schmelze mit ähnlichen Zykluszeiten wie Thermoplaste verarbeiten und sind vollständig recycelbar. Produktionsabfälle können so in der Regel für eine erneute Produktion aufbereitet werden, was ein Null-Abfall-Produktionsszenario ermöglicht. Dadurch können sich für den Kunden bei (dünnwandigen) Dichtungsanwendungen in der Brennstoffzelle selber oder in Wasserstoff-, Sauerstoff- und Luftzufuhreinheiten sowie für Kühlkreisläufe erhebliche ökologische und wirtschaftliche Vor-teile gegenüber herkömmlichen EPDM-Gummilösungen ergeben.
Deshalb müssen die Compounds rein sein
Eine hohe Reinheit der TPV-Compounds ist ein wesentliches Kriterium für mögliche Brennstoffzellenanwendungen. Zur Kontrolle und Aufrechterhaltung eines hohen Reinheitsgrades erfolgt die Produktion unter GMP-(Good Manufacturing Practice) und IATF- 16949-Bedingungen. Zudem finden ein umfassender Rohstofffreigabeprozess sowie eine strenge Kontrolle der Produk-tionsfreigabe statt. Ein wesentliches Element ist in diesem Kontext die Elementaranalyse der Compounds mittels Röntgenfluoreszenzanalyse (RFA), um niedrigste Gehalte an bestimmten kritischen Stoffen wie etwa Halogene, Metalle und/oder Übergangsmetalle zu erfassen. Tabelle 1 gibt einen Überblick über den Gehalt an ausgewählten potenziell kritischen Stoffen für zwei neu entwickelte TPV-Compounds der Härte Shore A60 und Shore A70. Die RFA-Ergebnisse bestätigen die hohe Reinheit der TPVs und ein damit verbundenes sehr geringes Potenzial für elektrochemische Korrosion oder Verunreinigung in der Brennstoffzelle.
Geringes Auswaschen von Ionen und organischen Kohlenstoffmolekülen
Für viele Anwendungen in der Brennstoffzelle müssen die eingesetzten Kunststoff- und Elastomermaterialien eine sehr geringe Auswaschung von Ionen und organischen Kohlenstoff-molekülen besitzen. Gelingt dies nicht, können erhebliche Probleme bei der Funktionsfähigkeit der Brennstoffzelle bis hin zum Ausfall auftreten. Um das Ionenauswaschungspotenzial zu prüfen, wurden Lagerungsversuche der TPVs in deionisiertem Wasser für 672 Stunden (4 Wochen) durchgeführt und sowohl die Leitfähigkeit als auch der pH-Wert und die Konzentration an organischen Kohlenstoffmolekülen (TOC) bestimmt. Die Lagertests erfolgten mit spritzgegossenen Platten (80 x 60 x 0,8 mm) nach der neuen Audi-Spezifikation LAH.0Z2.121. Bild 3 zeigt die Entwicklung der elektrischen Leitfähigkeit des deionisierten Wassers als Funktion der Zeit für gelagerte Prüfplättchen aus Alfater XL A60I 4FT0000 (Shore A60) und Alfater XL A70I 4FT0000 (Shore A70). Die elektrische Leitfähigkeit des deionisierten Wassers ist ein Maß für dessen Verunreinigung beziehungsweise Ionenauswaschung aus den TPV-Proben. Je niedriger diese ist, desto geringer die Ionenauswaschung beziehungsweise umso höher die Reinheit des deionisierten Wassers. Sowohl das TPV mit der Härte Shore A60 als auch Shore A70 zeigen bei 80 °C auch nach über 4 Wochen Wasserlagerung eine vergleichsweise niedrige elektrische Leitfähigkeit des deionisierten Wassers. Die Verunreinigung des deionisierten Wassers mit flüchtigen Bestandteilen beziehungsweise Ionen aus den TPV-Compounds scheint demnach vergleichsweise gering zu sein. Eine wesentliche Ursache für die niedrigen Leitfähigkeitswerte spielt die richtige Auswahl der geeigneten Vernetzer, Füllstoffe und Additive für das TPV-Compound.
Bei deionisiertem Wasser ist der pH-Wert (je nach Herstellung) im neutralen Bereich. Sobald jedoch Umgebungsluft an das Reinstwasser gelangt, bildet sich Kohlensäure durch das Kohlendioxid in der Luft und senkt den pH-Wert ab. Dies kann die Ergebnisse der Leitfähigkeitsmessung verfälschen, weshalb neben der kontinuierlichen Leitfähigkeitsmessung auch die laufende Messung des pH-Wertes als Kontrolle sinnvoll ist. Auch sollte immer eine Blindprobe, das heißt reines deionisiertes Wasser ohne Materialprobe als Referenz, mitlaufen. Tabelle 2 zeigt zusammenfassend die Ergebnisse der Lagerung der TPV-Materialien im deionisierten Wasser für 672 Stunden bei 80 °C.
Sowohl die elektrische Leitfähigkeit als auch der TOC-Wert (gesamter organisch gebundener Kohlenstoff des deionisierten Wassers) sind nach der Lagerung auf einem niedrigen Niveau. Auch der pH-Wert des deionisierten Wassers bleibt nach der 672 Stunden nahezu unverändert.
Deshalb müssen die Materialien dicht sein
Materialien, die für Dichtungen in Brennstoffzellensystemen eingesetzt werden, müssen über lange Zeit und bei verschiedenen Temperaturen eine hohe Dichtheit besitzen, damit keine Leckagen entstehen, welche die Funktionsfähigkeit der Brennstoffzelle beeinträchtigen können. Ein wichtiges Maß zum Beurteilen der Dichtfunktion ist dabei der Druckverformungsrest (DVR). Bild 4 zeigt beispielhaft den Langzeit-Druckverformungsrest für Alfater XL A60I 4FT0000 (Shore A60) als Funktion der Zeit für die Temperaturen 22 °C und 70 °C. Die neuen hochreinen TPVs besitzen grundsätzlich auch unter Langzeit ein gutes DVR-Niveau, auch wenn erwartungsgemäß der DVR mit steigender Belastungszeit und Temperatur zunimmt.
Warum das TPV chemisch beständig sein muss
Polymerelektrolytbrennstoffzellen (PEMFC), welche gegenwärtig im Antriebssektor häufig eingesetzt werden, arbeiten in der Regel unter herausfordernden Bedingungen mit Temperaturen im Bereich von 80 bis etwa 110 °C unter vollständig feuchten Bedingungen sowie mildem bis mittlerem Säuregehalt. Elastomere, die beispielsweise für Dichtungen verwendet werden, müssen daher bei erhöhten Temperaturen eine sehr gute Beständigkeit gegen hydrolytischen Abbau sowie wässrige, milde Säuren besitzen. Um die Beständigkeit der neu entwickelten TPVs zu prüfen, wurden die Materialien verschiedenen Medienlagerungen mit anschließender Prüfung unterzogen. Die Lagerung der Materialien erfolgte jeweils vollständig eingetaucht in den Medien unter den in der Tabelle angegebenen Bedingungen. TPVs auf Basis von PP und EPDM sind unpolare Werkstoffe und haben daher eine intrinsisch gute Beständigkeit gegenüber Hydrolyse sowie wässrige, schwachsaure Medien wie Wasserstoffperoxid. Auch neigen diese Materialien kaum zum Quellen in den Medien.
Diese Eigenschaften sind wichtig
Die thermischen Eigenschaften wie zum Beispiel Tieftemperatur-Flexibilität und Wärmealterung sind weitere wichtige Eigenschaften der TPVs. Auch sollten die TPVs für einen potenziellen Einsatz in Brennstoffzellensystemen eine geringe Kriechwegbildung, also hohe Kriechstromfestigkeit, vorweisen. In Tabelle 5 sind wichtige thermische Eigenschaften sowie die Kriechstromfestigkeit zusammengefasst.
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Die neu entwickelten TPVs zeigen eine hohe Kriechstromfestigkeit. Die Materialien sind demnach gute Isolatoren und neigen kaum unter hoher Spannung und Verschmutzung zum Ausbilden von leitfähigen Bahnen (Kriechströmen) auf der Oberfläche. Mit einer Glasübergangstemperatur im Bereich von -60 °C besitzen die neu entwickelten, hoch reinen TPV-Materialien zudem eine gute Tieftemperatur-Flexibilität und geringe Neigung zum Verspröden bei tiefen Temperaturen. Ferner weisen die neuen TPVs eine gute Wärmealterungsbeständigkeit auf und zeigen kaum Veränderungen in den mechanischen Eigenschaften nach einer Wärmealterung unter typischen Arbeitstemperaturen einer Polymerelektrolytbrennstoffzellen (PEMFC).
Deshalb ist das TPV für den 2K-Spritzguss geeignet
Ein wesentlicher Vorteil von TPV-Werkstoffen ist deren thermoplastische Verarbeitbarkeit mit Zykluszeiten und Prozessführungen, die vergleichbar sind zu klassischen Thermoplasten. Die gute Spritzgussfähigkeit der TPVs eröffnet Möglichkeiten Dichtungen in ökonomischer Weise direkt an Gehäuse, Flansche, Filter oder Ventile des Brennstoffzellensystems anzuspritzen. Zum Prüfen der Haftfestigkeit des TPVs auf Thermoplasten dient der mittlerweile etablierte Standard VDI 2019. Für die Versuche wurden glasfaserverstärkte PP-Compounds ausgewählt, welche ebenfalls hinsichtlich Reinheit und Ionenauswaschung für Anwendungen in Brennstoffzellensystemen optimiert sind. Es wurden für die Schälprüfung 2K-Prüfkörper nach VDI 2019 im sogenannten Kalteinlegerverfahren hergestellt (Bild 5).
Wie erwartet zeigen beide TPVs (Shore A60 und Shore A70) eine sehr gute Haftfestigkeit auf glasfaserverstärktem PP-Homopolymer (Tabelle 6). TPV-Dichtungen mit hoher Reinheit können so mittels ökonomischer Spritzgussverarbeitung ohne zusätzliche Haftvermittler oder Klebeschritte direkt an Gehäuse, Flansche oder Ventile aus brennstoffzellenoptimierten PP Werkstoffen angespritzt werden.
Lliteratur
[1] Furusho, N., Kudo, H., Yoshioka, H., Fuji Electric Review, 49, 2003, 60-63.
[2] Electrive.net, Go-Ahead flottet 20 BZ-Busse im Großraum London ein. Abruf [07.07.2023]: https://h2.live/news/2978/.
[3] Pluta, W., BMW nennt Details zum neuen Antrieb. Abruf [07.07.2023]: https://www.golem.de/news/brennstoffzelle-bmw-nennt-detailszum-neuen-antrieb- 2003-147587.html.
[4] Electrive.net, Hyundai Motor liefert 1.300 H2-Busse nach Seoul. Abruf [07.07.2023]: https://h2.live/news/2950/.
[5] Sidiki, T. P., Bin, Y., Janssen, R. Brennstoffzellenfahrzeuge fit für den Einsatz machen. Kunststoffe, 3, 2021, 20-24.
[6] Pander, J., Wasserstoff-LKW: Die neuen Dampfmaschinen. Spiegel Mobilität. Abruf [07.07.2023]: https://www.spiegel.de/auto/wasserstoffantrieb-fuer-lkw-die-neuen-
dampfmaschinen-a-ea6b23f5-bd31-4b2e-8b78-7e16568d59c9.
[7] CHEManager International, Polymers for Fuel Cells and Fuel-Cell Systems: Renewed Interest in Hydrogen Fuel Cells for Long-Range E-Mobility. Abruf [07.07.2023]: https://www.chemanager-online.com/en/news/polymers.
[8] Bin, Y., Sidiki, T. P., Janssen, R., Keine Schererei mit dem H2. Kunststoffe, 3, 2023, 26-33.
[9] Thielmann, A., et al., Technologie-Roadmap Stationäre Energiespeicher 2030. Fraunhofer-Institut für System und Innovationsforschung ISI, Dezember, 2015.
[10] Wurster, R., Zerta, M., Albrecht, U., Stationäre Brennstoffzellen-Anwendungen. Band 5 der Schriftenreihe Wasserstoff und Brennstoffzellen. HA Hessen Agentur GmbH, 1. Auflage,
2016.
[11] Siemens Energy AG, Wasserstoff-Perspektive für Gaskraftwerke wird konkret. Abruf [07.07.2023]: https://press.siemens-energy.com/global/de/pressemitteilung/wasserstoff-
perspektive-fuer-gaskraftwerke-wird-konkret.