Jährlich werden knapp 15 Mio. t Synthesekautschuk produziert – Tendenz steigend. Pkw-Reifen stellen dabei mit etwa 70 % den Hauptmarkt für Synthesekautschuk dar. Die benötigten Ausgangsstoffe – die Monomere Butadien, Styrol und Isopren – werden aktuell fast ausschließlich auf Basis von Erdöl hergestellt. Mit der Erschöpfung fossiler Ressourcen und der dringenden Notwendigkeit, CO2-Emissionen in der Umwelt zu reduzieren, besteht weltweit für Kautschukproduzenten ein enormer Bedarf an nachhaltigen Alternativen. Darüber hinaus ergeben sich aus dem gesamtgesellschaftlichen Ziel, die Mobilität nachhaltiger zu gestalten, auch neue Anforderungen an Autoreifen. Diese erfordern fortgeschrittene Materialien, Design- und Fertigungstechnologien.
Hieran wird geforscht
Um diesen Herausforderungen zu begegnen, erschließt ein Team aus vier Fraunhofer-Instituten im Rahmen des Projekts "Nachhaltige Biomonomere für Synthesekautschuke mit anwendungsbezogenen einstellbaren viskoelastischen Eigenschaften Namokau" biobasierte Rohstoffquellen für Synthesekautschuk. Beteiligt sind die Fraunhofer-Institute für Angewandte Polymerforschung IAP, für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS, für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM und für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik Umsicht.
"In dem Projekt stellen wir die Kautschuk-Monomere Butadien, Isopren und Dimethylbutadien aus biobasierten Alkoholen her", erklärt Dr. Barbara Zeidler-Fandrich vom Fraunhofer Umsicht. "Damit dieser Prozess funktionieren kann, ist es essenziell, einen möglichst aktiven und selektiven Katalysator einzusetzen. Dafür entwickeln wir neuartige Materialien auf der Basis von Tonmineralien."
"Insbesondere die Herstellung von nachhaltigem Dimethylbutadien ist ein herausragendes Merkmal des Projekts, da dieses Monomer im technischen Maßstab bisher nicht verfügbar war und folglich nicht in der Kautschukproduktion verwendet wird", ergänzt Projektleiter Dr. Ulrich Wendler, Fraunhofer IAP. "Wir werden Dimethylbutadien für die Kautschuksynthese zugänglich machen. Kombiniert mit den Synthesebausteinen Butadien und Isopren werden wir neuartige Polymerstrukturen mit einzigartigen mechanischen und thermischen Eigenschaften synthetisieren. Auf diese Weise entstehen völlig neue biobasierte Kautschuktypen mit Materialeigenschaften, die bisher nicht realisierbar waren und äußerst systematisch eingestellt werden können", so Wendler
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Diese Punkte sind bei der Reifenentwicklung herausfordernd
Eine der großen Herausforderungen bei der Entwicklung von Autoreifen besteht darin, einen idealen Ausgleich zwischen den drei Faktoren Rollwiderstand, Nassgriff und Abrieb zu finden. Zur Verbesserung dieser Parameter werden Füllstoffe, Verarbeitungshilfsmittel und andere Additive dem Kautschuk zugesetzt. Diese beeinflussen die Lauffläche des Autoreifens maßgeblich. "Unser Ziel ist es, auf Basis der Kautschuktypen, die wir im Projekt erforschen werden, neue Mischungen für PKW-Laufflächen mit bisher nicht erreichbaren Eigenschaftsprofilen zu entwickeln. Das wird der Reifenindustrie neue Perspektiven eröffnen", erklärt Professor Mario Beiner vom Fraunhofer IMWS.
Um die Markteinführung des Kautschuks so schnell wie möglich zu erreichen, ist der Einsatz digitaler Methoden im Materialdesign unverzichtbar – etwa um die Eigenschaften der komplexen Kautschukcomposite vorherzusagen. "Mittels datengestützter Simulationen machen wir möglichst zielgerichtete Vorschläge für Versuche zur Synthese und zur Materialcharakterisierung. Dafür entwickeln wir einen Softwareprototypen zur modellbasierten Vorhersage, Unsicherheitsbewertung und Versuchsplanung", sagt Professor Michael Bortz vom Fraunhofer ITWM.
Schlussendlich wird aus den entwickelten Materialien ein vollständig testbarer Reifen-Demonstrator entstehen. "Die gesamte Wertschöpfungskette vom Monomer über das Polymer bis zum Kautschukcompound im Demonstrator wird mit einem Life Cycle Assessment begleitet. Durch diese systematische Analyse sind wir in der Lage, den ökologischen Fußabdruck ISO-konform zu ermitteln und zur Grünen Chemie beizutragen", erläutert Dr. Markus Hiebel vom Fraunhofer Umsicht.
Quelle: Fraunhofer IAP