Mann im Anzug vor dem WDK Tor.

Michael Wendt (Bild: Redaktion)

KGK-Herr Wendt, wenn Sie auf Ihre Amtszeit zurückblicken, was waren die Meilensteine, die erreicht wurden?

Mann im blauen Anzug
Michael Wendt (Bild: Redaktion)

Michael Wendt: Grundsätzlich war es eine Zeit, in der wir Verlorenes aufholen wollten und dann kam die nächste Krise. Auf die harten Corona-Zeiten folgte der Krieg in der Ukraine und es tauchten plötzlich neue Herausforderungen auf, die so nicht absehbar waren. Wir hätten uns nie vorstellen können, dass wir jemals Probleme in der Energieversorgung bekommen. Die Befürchtung der Unternehmen war, dass der Gashahn zugedreht wird. Nach der Explosion der Pipeline war das Thema akut und für den WDK unerlässlich, im politischen Berlin darzustellen, dass die Kautschukbranche eine tragende Wirtschaftssäule sowie strategisch bedeutend ist. In diesen schwierigen Zeiten, in denen sich die Lage fast täglich veränderte, war es uns auch wichtig, die Mitgliedsunternehmen zu informieren und zu unterstützen, um Orientierung in diesen volatilen Zeiten zu geben.

Was waren die größten Herausforderungen in diesen eineinhalb Jahren?

Wendt: In jedem Fall war eine Herausforderung das Thema Energie hinsichtlich ihrer Verfügbarkeit und der hohen Kosten, die uns ja bis heute noch massiv beschäftigen. Und die andere, die Frage nach der Verfügbarkeit von Rohstoffen. Der ein oder andere Lieferant fiel durch Sanktionen weg und wir mussten uns umorientieren, und zugleich schnellten dann auch noch die Rohstoffkosten extrem nach oben. In dieser Lage war es wichtig, dass der WDK sich entsprechend organisiert und mit anderen Verbänden in seinen Netzwerken zusammenarbeitet. Das haben wir etwa im „Bündnis faire Energiewende“ gemacht. Dort haben wir die Energiegesetzgebung eng verfolgt und die Informationen gebündelt und an unsere Mitgliedsunternehmen weitergegeben. Der WDK hatte zudem einen Erfahrungsaustausch mit den Unternehmen eröffnet, um einen engmaschigen Informationsfluss zu gewährleisten, für den es ein großes Bedürfnis gab – gerade für unsere mittelständischen Mitglieder. Hierfür wird der WDK von den Unternehmen sehr geschätzt. Denn gerade Mittelständler und Familienunternehmer haben nicht die Möglichkeit, entsprechende Abteilungen aufzubauen, benötigen jedoch die Informationen zu Preisen oder der wirtschaftlichen Entwicklung, um ihr Unternehmen am Laufen zu halten. Weiterhin muss man im Blick behalten, dass die Kautschukindustrie ihre Rohstoffe von großen Chemieunternehmen mit entsprechender Marktmacht bezieht und an die Automobilindustrie liefert. Das heißt, die Preise, die teilweise dort auf den Tisch gekommen sind, mussten geschluckt werden, denn sie waren nur schwer an die Kunden weiterzugeben. Es war für zahlreiche Kautschukverarbeiter finanziell eine kritische Zeit. Wir als Verband haben hier die Interessen unserer Mitglieder vertreten. So haben wir beispielsweise direkt die Automobilunternehmen angeschrieben, die Vorstände dort kontaktiert. Denn lange Zeit sind Anfragen über Preiserhöhungen dort absolut abgeprallt. Es war wichtig, dass wir deutlich klar gemacht haben: „Ihr braucht diese mittelständischen Unternehmen, ihr braucht eure Zulieferer und wenn die kaputt gehen, dann habt ihr auch ein Problem.“ Hier haben wir als WDK ein anderes Gewicht als Einzelunternehmen.

Wurden Sie gehört?

Wendt: Hier oder da wurden wir gehört, aber nach wie vor ist die Situation immer noch schwierig. Die Automobilindustrie steht in Bezug auf Elektromobilität durch die anderen Fahrzeughersteller selbst unter Druck. Deswegen machen die das natürlich nicht, um uns zu ärgern. Das ist klar. Aber unsere Aufgabe ist immer, bei allen Themen, auch in der Politik, für das notwendige Bewusstsein zu sorgen. Das können wir, wie gesagt, als Verband ganz anders als ein einzelner Player.

Welche Relevanz spielen Industrieverbände in der heutigen Zeit? Und welche Aufgaben übernimmt der WDK für die Mitgliedsunternehmen?

Wendt: Genau das habe ich gerade schon ein bisschen angerissen. Wir müssen aufklären. Wir sind kein Verband, wie die Branchenvertretungen der Metallindustrie oder der chemischen Industrie, die sehr groß und dadurch sehr hörbar sind. Und deshalb ist es für unsere Mitgliedsunternehmen aus der Kautschukindustrie ganz wichtig, dass wir eine Organisation sind, die ihre verschiedenen Probleme und Meinungen aufnimmt, diese gebündelt in die Politik trägt. Hier findet ein Verband deutlich mehr Gehör, da die entsprechenden Stellen nicht die Zeit haben, jeden Einzelnen zu hören. Die Aufklärung ist gerade in so einer schwierigen, volatilen Zeit, in der auch die Politik teilweise schnell reagieren muss, wichtig, damit die Interessen unserer Branche im Hinterkopf sind. Also das Bewusstsein, dass es da eine Kautschukindustrie gibt, die für unser Land ganz entscheidend ist. Nehmen wir als Beispiel die Verfügbarkeit von seltenen Erden. Maschinen brauchen Halbleiter, ja, sie benötigen für den Betrieb aber auch Dichtungen und Schläuche, sie haben Förderbänder und diese bestehen aus Gummi. Ohne diese Bauteile können die Maschinen auch nicht laufen. Das muss jedem bewusst sein, wenn er in einer Krise schnell reagieren muss, und da ist gerade unsere Aufklärungsarbeit sicherlich ganz, ganz wichtig gewesen und wird in Zukunft weiter wichtig sein.  Ein weiterer Punkt ist die Weitergabe von Fachwissen. Hier arbeiten wir auch eng mit dem DIK zusammen. Es gibt Bereiche, wo wir sagen, da benötigen die Mitglieder mehr Wissen. Deshalb haben wir als WDK einige Projekte beim DIK angestoßen. Ein ganz wichtiger Bereich ist die zunehmende Regulierung. Hier wird es für ein KMU immer schwieriger, den Durchblick zu behalten. Hier kann ein Verband natürlich auch extrem helfen. Wir haben jetzt ja auch beim Thema PFAS massiv Hilfestellung gegeben, damit die einzelnen Unternehmen die Möglichkeit hatten, unter Einhaltung der geforderten Formalien. Bei der Echa ihre Position zu vertreten, ihre Schwierigkeiten darzustellen. Auch das Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz ist selbstverständlich höchst komplex, sodass auch hier der Verband Hilfestellung leistet, um den Regularien zu genügen. Um in Berlin Gehör zu finden sind unser Hauptstadt­büro und das gewachsene Netzwerk enorm wichtig. Hier ist viel Arbeit reingeflossen, die sich zwischenzeitlich auszahlt.

Zitat

Wir brauchen wieder Wertschätzung

für Wertschöpfung.

Michael Wendt

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Sie sind seit Jahrzehnten in der Kautschukbranche tätig. Wie schauen Sie auf die Zukunft der Branche?

Wendt: Genau, und dem WDK-Präsidium gehöre ich auch schon seit 15 Jahren an. Was wir eigentlich immer gesehen haben, und das ist ja auch so ein bisschen unser Spruch:
Kautschuk ist flexibel und die Branche ist es ebenfalls. Das ist in der Tat wirklich so. Deshalb sehe ich immer wieder, dass sich unsere Industrie sehr flexibel auf neue Rahmenbedingungen einstellt. Das war immer unser Vorteil. Ich denke, das ist überhaupt im deutschen Mittelstand ein großer Vorteil. Grundsätzlich sind die Rahmenbedingungen der Punkt. Da brauchen wir entsprechende Unterstützung von der Politik, dass diese so abgesteckt sind, dass wir weiterhin in Deutschland so unterstützt werden, dass wir unsere Unternehmen erfolgreich weiterführen können. Es kann nicht weiter alles massiv reguliert werden, denn dadurch werden die Unternehmen weiter belastet und das führt zu einer Wettbewerbsverzerrung. Die Prozesse müssen entschlackt werden und pragmatische Wege möglich sein, um voranzukommen. Letztendlich muss auch das Thema Energiekosten angesprochen werden. Wir waren schon immer ein Standort, der mit hohen Energiekosten zu kämpfen hatte, und das ist durch die Krise noch größer geworden. Wir müssen wirklich arg aufpassen, dass die Industrie in Deutschland und der deutsche Standort erhalten bleiben. Und nun zur Idee des Industriestrom- oder Transformationsstrompreises: Das ist natürlich etwas, was wir nicht nur in der Schwer-, Metallindustrie und der chemischen Industrie benötigen, sondern auch im Mittelstand, damit wir gegenüber unseren Konkurrenten international bestehen können. Die eine oder andere Stimme sagt, dass diese Subvention keinen Sinn machen würde, da dadurch die Umstellung auf die erneuerbaren Energien verzögert werde. Dies halte ich in dem Sinne für bedenklich, dass die Unternehmen bis zum Erreichen dieses niedrigeren Energiepreislevels durchhalten sollen und deshalb ist für die Kautschukbranche ein Industriestrompreis wichtig, um international wettbewerbsfähig zu bleiben.

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Ist das den Vertretern in Berlin bewusst, dass der Mittelstand, die Stütze der deutschen Wirtschaft, mit dem Rücken an der Wand steht?

Wendt: Also mein Eindruck ist schon, dass es ihnen bewusst ist. Aber über die Wege ist man sich eben nicht einig. Und ich glaube, man darf auch nicht zu zögerlich damit umgehen. Den Politikern ist meines Erachtens nach auch bekannt und sehr bewusst, was in den Vereinigten Staaten über den Inflation-Reduction-Act geschieht. Dies hat dazu geführt, dass einige Investitionen, die in Deutschland vorgesehen waren, nicht hier, sondern in den USA getätigt werden. Das heißt, man muss also wirklich sehr vorsichtig sein, dass dies bei Einzelfällen bleibt und nicht zu einem Exodus unserer Industrie führt. Denn wenn ein Standort oder ein Unternehmer weg ist, dann kommt dieser auch nur schwer wieder zurück. Und ein Thema, über das wir schon lange reden ist der Fachkräftemangel. Es gibt immer noch Unternehmen, die gewisse Aufträge einfach nicht darstellen können, weil sie nicht genügend Fachkräfte haben, und da müssen wir auch überlegen, was wir dagegen tun können. Ich hoffe nicht, dass sich das Thema von selbst erledigt, in dem Sinne, dass die Industrien abwandern und dadurch entsprechend Leute zur Verfügung stehen. Es sieht ja momentan noch nicht so aus, darüber bin ich froh. Aber wir müssen sehen, wenn man den demografischen Wandel anschaut, dass die Fachkräfte der geburtenstarken Jahrgänge in den nächsten Jahren ihre Tätigkeit aufhören werden. Dann kann ich eigentlich nur erwarten, dass der Fachkräftemangel noch größer wird und da müssen wir massiv etwas dagegen tun. Denn die Erfahrung geht weg und wenn keine in Form von jungen Leuten nachkommt, dann ist das ein Supergau!
Hier gibt es keine Patentlösung. Meines Erachtens nach müssen mehr weibliche Fachkräfte gefördert und von außerhalb Deutschlands sollten Fachkräfte angeworben werden. Denen muss es dann unbürokratisch möglich sein, eine Arbeit aufzunehmen, hier gilt es pragmatische Wege zu wählen, um voranzukommen.

Wenn Sie sich ein Abschlussgeschenk von der Bundesregierung für die Branche wünschen dürften, was wäre dies?

Wendt: Ich hätte einen großen Wunsch, der aber mehrere Aspekte hat: Die Bundesregierung muss mehr für mittelständische Industriebranchen, wie die Kautschukindustrie eine ist, kämpfen und sich auch mal schützend vor sie stellen, gerade in Europa. Das gilt nicht nur für den erwähnten Industriestrompreis, sondern auch für die um sich greifende Bürokratie. Bei existenzgefährdender Chemikalienregulierung muss Deutschland nicht in erster Reihe stehen, sondern auch die Praktikabilität der Umsetzung und Interessen seiner Wirtschaft im Blick haben. Gleiches gilt für die Einbeziehung von mittelständischen Unternehmen in das EU-Lieferkettengesetz, in die Unternehmensfinanzierung durch Taxonomie oder die Rückverfolgbarkeitspflichten bis zum einzelnen Naturkautschukfeld in der EU-Verordnung zu entwaldungsfreien Lieferketten. Um das einmal deutlich zu machen: Bei einem unserer Compounder bedeutet diese neue Regelung 3.000 zusätzliche administrative Vorgänge pro Jahr! Ein anderes Beispiel ist das Brennstoffemissionshandelsgesetz, das mit seiner CO2-Bepreisung die Produktionsprozesse beim verarbeitenden Gewerbe unnötig verteuert. Man kann es nicht oft genug betonen: Industrieschutz ist Standortschutz ist Demokratieschutz. Wenn die Bundesregierung das konsequent beherzigen würde, wäre uns als deutscher Kautschukindustrie sehr geholfen.

Was möchten Sie Ihrem Nachfolger im Amt des WDK-Präsidenten mit auf den Weg geben?

Wendt: Ich möchte mit auf den Weg geben, dass es weiterhin ganz wichtig ist, die Interessen unserer Mitgliedsunternehmen, insbesondere in der Politik zu vertreten und hörbar zu machen. Das ist meiner Meinung nach absolut entscheidend und was sicherlich auch sehr wichtig bei der Verbandsarbeit ist, dass es in beide Richtungen geht. Ich wünsche weiterhin sehr aktive Unternehmen, die an den WDK mit Vorgaben herantreten, damit der Verband entsprechend agieren kann. Hier ist es wichtig, dass der Präsident von den Mitgliedern unterstützt wird, um dann auch für sie agieren zu können. Letzteres gilt nicht nur für den Präsidenten, sondern auch für die Verbandsmitarbeiter.

Das Interview führte Simone Fischer, verantwortliche Redakteurin KGK

 

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