Mann mit Brille und Anzug. Prof. Dr.-Ing. habil. Herbert Baaser

Prof. Dr.-Ing. habil. Herbert Baaser (Bild: Prof. Dr.-Ing. habil. Herbert Baaser)

Herr Baaser, Sie bilden an der TH Bingen die Studentinnen und Studenten praxisorientiert aus, wie an der Entwicklung der Experimentalprüfmaschine dargestellt. Diese ist nicht innerhalb eines Praktikums, sondern über mehrere Semester entstanden. Wie erfolgt die Übergabe solcher Arbeiten an die nächste Generation?

Prof. Herbert Baaser: Damit sprechen Sie natürlich ein Grundproblem jeglicher Hochschulentwicklung an – oder zumindest das, was man „landläufig“ davon glaubt zu wissen – in vielen Firmen und Entwicklungsabteilungen existiert übrigens die gleiche Fragestellung. Natürlich ist dies immer eine spannende Herausforderung. Vieles tradiert sich mündlich, von einem Hiwi zum nächsten. Ich selbst spreche viel mit den Studies und stecke schon von Anbeginn meine Erwartungen und Ziele für jede Aufgabe ab; zudem habe ich aktuell das „Glück“ durch meine zusätzlichen Aufgaben in der Hochschulleitung einen Assistenten zur Unterstützung zu haben: Herr Becker ist mir hier eine große und engagierte Hilfe in allen Projekten. In den letzten Jahren ist es uns auch immer wieder gelungen, einen Artikel über die aktuellen Entwicklungen hier in der KGK zu platzieren: Die ist für die jungen Leute natürlich ein Anreiz und ebenso ein erster Kontakt zum wissenschaftlichen Publizieren, andererseits können auch darauf die nächsten Arbeiten aufsetzen.

Ist dieser Praxisbezug ein Kriterium für die jungen Menschen bei der Wahl des Studiengangs?

Prof. Baaser: Aus meiner Sicht schon. Insbesondere an einer (Fach)Hochschule (neu „HAW“ – Hochschule für angewandte Wissenschaften“) ist dies bei dem entsprechenden Klientel auch ein Punkt, der sich positiv und schnell im Freundes- und Bekanntenkreis herumspricht. An der TH Bingen kommt zusätzlich hinzu, dass wir zwar und nur eine kleine Hochschule sind, dadurch aber die Wege kurz und der Austausch intensiv sind. Ich glaube, insbesondere in technischen Berufen/Studienrichtungen ist und bleibt dieser „handwerkliche“ Aspekt ein wichtiges Kriterium.

Wie ist es um die Zahl der Studienanfänger gestellt?

Prof. Baaser: Kurz: schlecht.
Ja, insbesondere die MINT-Studiengänge haben’s momentan sehr schwer – wenn man als Kriterium schlicht die Anfängerzahlen betrachtet. Auf diesem Gebiet gibt es seit einiger Zeit viele Bestrebungen, Ansätze und Aktivitäten – vor allem auch, dies für junge Frauen attraktiv(er) zu machen. Ich sehe hier auch ein gesellschaftspolitisches Problem. Wie wir hier weiterkommen weiß ich momentan auch nicht – auch in der DKG versuchen wir entsprechendes, um diese Berufsfelder wieder mehr „sexy“ zu machen. An großen und wichtigen Aufgabenstellungen mangelt uns momentan ja gewiss nicht!

Welche Maßnahmen ergreifen Sie, um junge Menschen für ein technisches Studium zu begeistern?

Prof. Baaser: Siehe oben – zusätzlich versuche ich selbst mit gutem Bespiel voranzugehen und immer wieder von meiner Begeisterung für’s Ingenieur-wesen und die Naturwissenschaften zu sprechen und zu werben. Bei meinen Kindern scheint dies zu fruchten – ist aber kein Grund zur Verallgemeinerung.
Spaß beiseite: Die Lage ist ernst – und ich sage auch hier an der TH bei den Umwelt- und Klimaschützern immer wieder: Wer etwas entwickeln und für zukünftige Generationen voranbringen möchte, der muss Ingenieurin oder Ingenieur werden.

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Worin liegt es Ihrer Meinung nach begründet, dass die MINT-Studienfächer unattraktiv geworden sind?

Prof. Baaser: Dies ist wohl vielschichtig – und ich kein Philosoph oder Gesellschaftswissenschaftler, soviel vielleicht aus meiner Sicht: Vielleicht geht’s uns (in Zentral-/Westeuropa) zu gut? Vieles scheint selbstverständlich, die „großen Aufgaben“ scheinen gemeistert. Aber ist dem wirklich so? Machen wir es uns zu bequem/zu einfach?
Oder fehlen uns die Vorbilder, die Visionen? Und – nahezu banal – das sagen/zeigen mir Umfragen und persönliche Rückmeldungen: Junge Leute von der Schule haben schlicht Angst vor Physik und Mathe an den Hochschulen. Deshalb bieten wir – siehe oben – inzwischen zusätzliche „Brücken-/Übergangs-/Aufbaukurse“ an, um den „Übergang“ von der Schule zur Hochschule möglichst einfach(er) zu gestalten. Ehrlich gesagt: an besseren Ideen mangelt es uns allen, oder?!

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Sehen die Studentinnen und Studenten, dass sie aufgrund ihrer Ausbildung beispielsweise Teil der Lösung des Klimawandels oder der Abfallproblems sein können?

Prof. Baaser: Auch hier bin ich wieder recht ambivalent – und argumentiere vielleicht nur aus meiner „Lebenswelt“, ohne eine richtige Antwort zu geben: Ja, klar, bei einem Teil der Studies sehe ich dies und unterstütze deren Bestrebungen so gut ich kann; es gibt aber leider auch einen anderen Teil, der mir fast resigniert erscheint, der fragt, was das alles bringt, was der/die Einzelne überhaupt bewirken kann… Wie auch immer: Ich möchte mir meine Zuversicht nicht nehmen lassen, dass „wir“ dies alles „irgendwie gewuppt“ bekommen. Hier an der TH „produzieren“ wir jedenfalls keine Ingenieurinnen und Ingenieure für die Arbeitslosigkeit – sowohl unsere Umweltschützer und unsere Agrarier als auch die Maschinenbau- und E-Technik-Absolventinnen und -Absolventen kommen alle bei attraktiven Arbeitgebern unter.

 

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