Das Aus für die Verbrennermotoren in naher Zukunft ist dafür verantwortlich, dass sich zahlreiche Zulieferer von Elastomerprodukten nach neuen Geschäftsfeldern umsehen. Beispielsweise Zylinderkopfdichtungen, Motorlager oder auch medienführende Schläuche sind bei den alternativen Antriebskonzepten nicht mehr notwendig. Vielmehr gilt es jetzt Winkelstecker, Kabelmuffen oder auch Dichtungen für Elektrolyseure zu produzieren. Von Harald Schmid, Vertriebs- und Marketingleiter Desma, war zu erfahren, dass die Projekte für diese neuen Produkte komplexer geworden sind. Der Teilehersteller fragt nicht mehr nur eine Maschine für Gummiartikel an, sondern eine Komplettanlage für das herzustellende Produkt. Derzeit stammen 60 % der bearbeiteten Projekte aus dem Bereich neue Energie. „Wir müssen uns der Situation anpassen“, betonte Dr. Michael Zaun, Technischer Geschäftsführer Desma, in seiner Begrüßungsrede. Mit wir bezog er sich nicht auf das von ihm geführte Unternehmen, sondern auf die gesamte Branche. Und weiter: „Nichts ist so beständig wie die Veränderung, das wusste schon Heraklit.“ Deshalb werden künftig aus Fridingen neben Gummispritzgießmaschinen auch die zugehörigen Automationslösungen geliefert. Entwickelt, konstruiert und gefertigt werden diese ebenfalls am Standort.
Was treibt die Elastomerindustrie in die Veränderung?
Ein Treiber ist die vorgegebene CO2-Neutralität bis 2045. Hierfür werden die eingesetzten Rohstoffe entscheidender Schlüssel sein. Ein weiterer Punkt ist die Art der Energiebereitstellung beziehungsweise deren Verfügbarkeit. Im Zuge des demografischen Wandels sind die Erwartung ans Arbeitsumfeld gestiegen, sodass es gelte Arbeitsplätze besser oder umzugestalten. Weiterhin sind die Lieferketten brüchiger geworden und die Beschaffungsmärkte haben sich verändert. Nicht zuletzt die zahlreichen gesetzliche Beschränkungen wie beispielsweise PFAS, aber auch Reach und zahlreiche weitere, wodurch die Rahmenbedingungen auch in Zukunft nicht einfacher werden, führte Zaun in seiner Rede aus. Sicher ist er sich auch, dass die Digitalisierung und Virtualisierung immer weiter fortschreiten, sodass alles möglich werde. Außerdem wies der technische Geschäftsführer darauf hin, dass im Unternehmen der Generationswechsel vorbereitet werde. Es sind zwischenzeitlich viele junge Mitarbeiter im Unternehmen, die bereits mit dem Werkstoff Gummi vertraut sind. Derzeit werden in Fridingen 24 junge Menschen in kaufmännischen und technischen Berufen ausgebildet. „Unser Unternehmen wird sich offen der Transformation widmen, um weiterhin erfolgreich zu sein. Transformationen kommen immer wieder und sind unausweichlich und der Schlüssel zum Erfolg“, ist Dr. Zaun überzeugt. Für den Umbruch sieht sich Desma als Engineering-Partner der Branche. Ist eine benötigte Expertise nicht im Haus, so werden entsprechende Partner ins Projekt geholt. Dadurch lassen sich Innovationen beschleunigen, denn die verfügbaren Ressourcen werden gebündelt. Zudem erschließen sich Zugänge zu neuen Märkten, das Risiko wird minimiert und die Bedürfnisse der Endkunden werden besser erfüllt. „Die Projektpartner müssten sich bewusst sein, dass sie Know-how preisgeben werden, jeder ein Stück weit die Kontrolle abgebe und bei internationalen Projekten kulturelle Differenzen auftreten könnten“, weiß Zaun. Hier arbeiten die 5 weltweiten Standorte des Maschinenbauers eng zusammen, dies ist aktuell auch auf dem Beschaffungsmarkt von Vorteil. Nach der Eröffnung des Openhouse konnten die Besucher an Firmenrundgängen und an Workshops teilnehmen. Auf dem Rundgang waren zahlreiche Maschinen in verschiedenen Größen und Ausführungen zu sehen. Dass Desma Partnerschaften wichtig sind, wurde bei den Führungen deutlich, denn fünf Partner waren dort vor Ort. Nela zeigte eine Anlage zur Qualitätsprüfung von O-Ringen in Aktion, Wagner stand für Fragen rund um die Dosierung von LSR bereit, Coldjet demonstrierte die CO2-Reinigung von Werkzeugoberflächen, Güthle erläuterte den einfachen, kraft-sparenden Werkzeugwechsel und Chemtrend hatte PFAS-freie Trennmittel für die Gummiverarbeitung im Gepäck. Das Unternehmen hat eine neue fluorfreie Trennmittelbasis entwickelt, auf der die sechs Alternativen der Produktserie für Elastomere aufgebaut sind. Diese alternativen Trennmittel sind seit dem 30. Juni 2023 in Europa verfügbar. Die Entwicklung war laut Hersteller anspruchsvoll, ermöglicht jedoch einen 1:1 Ersatz bei Elastomeren wie LSR, peroxidisch vernetztem HNBR, FKM, FFKM, Fluorsilikon. Die Trennmittel werden zwischenzeitlich europaweit eingesetzt. Die über den Tag verteilten Workshops hatten die Themen:
- Neue Technologien, um die Transformation in verschiedenen Industriebereichen Realität werden zu lassen
- Energieeffizienz nachhaltig verbessern und den Maschinenbestand fit für die Zukunft machen
- Automatisierungskonzepte erfolgreich umsetzen
- Maschinenvernetzung: Beispiele aus der Praxis
- Chancen einer gemeinsamen Verfahrensentwicklung
Die Workshops, in die Fragen wie „Können Sie sich vorstellen, dass grüner Wasserstoff die Energie der Zukunft ist?“ integriert waren, wurden von den Mitarbeitern durchgeführt, die beim Firmenrundgang an den zugehörigen Stationen als Ansprechpartner zur Verfügung standen.
So können Verarbeiter Energie und CO2 sparen
Im Technikum des Maschinenbauers stehen permanent 6 bis 10 Spritzgießmaschinen in unterschiedlicher Ausführung sowie fünf Anwendungstechniker für Versuche bereit. Bei zwei der dort verfügbaren Maschinen waren alle CO2-Einsparpotenziale, die der Hersteller anbietet, integriert, sodass sich die Besucher ein Bild davon machen konnten. So kann beispielsweise mit einem nachgerüsteten Wärmeschutzschild erheblich Energie eingespart werden. „Durch den Einsatz eines Wärmeschutzschildes kann der negative Einfluss eines Ventilators, der häufig von den Werkern eingesetzt wird, minimiert werden und damit der Energieverbrauch reduziert werden“, erläutert Schmid. Weitere Maßnahmen sind Iso+ Heizplatten, allseitige Formenisolierungen, selbstoptimierende Regelparameter, Energycontrol+, der Einsatz von Servo-Antrieben sowie eine regelmäßige Wartung der Temperiergeräte und deren Durchflussüberwachung. Und auch die Kaltkanaltechnologie nimmt einen bedeutenden Einfluss auf den CO2-Fußabdruck der Bauteile. „Denn der Werkstoff besitzt den größten CO2-Rucksack“, erklärt Schmid. Dies wird eindrücklich bei der Auswahl des Kaltkanalsystems am Desma PCF Navigator Ecos sichtbar. Je näher, der Kaltkanal an die Kavität heranreicht, desto kleiner der Fußabdruck, denn das Angussmaterial bleibt im Prozess.
Was Sie über PFAS wissen müssen
Fluorpolymere und weitere fluorhaltige Substanzen sollen verboten werden. Eine ihrer herausragenden Eigenschaften – die Beständigkeit – könnte ihr Verbot bedeuten. Für Sie haben wir das Thema PFAS aus verschiedenen Blickwinkeln während der Widerspruchsfrist beleuchtet und halten Sie künftig zu PFAS-Alternativen auf dem Laufenden. Alles, was Sie zum Thema wissen sollten, erfahren Sie hier.
Der PCF-Navigator wurde zwischenzeitlich von einem unabhängigen wissenschaftlichen Berater in ein verifizierbares Datenmodell übertragen, welches zusammen mit dem TÜV auf Praxisanwendung als Beratungswerkzeug zur Findung der optimalen Produktionstechnologie überprüft wurde. Zudem ist der PCF Navigator Ecos ab sofort auch für mobile Endgeräte verfügbar. Als Funktionserweiterung können die Realdaten des produzierten Artikels via QR-Code direkt von der Spritzgießmaschine eingelesen und der vorab ermittelte CO2-Fußabdruck mit Realdaten abgeglichen werden.
Digitalisierung nutzen
„Die neue Mobilität bietet Chancen für die Gummiindustrie“, ist sich Siegfried Köhler, Geschäftsführer Vertrieb und Service, sicher. „Die Automobilbranche hat für die Werkstoffe bereits die Vorarbeit geleistet, jedoch müssen die Prozess- und Verfahrenstechnologien erst noch entstehen.“ Dem pflichtet Harald Schmid bei: „Für den Energiesektor gibt es häufig noch keine Massenproduktion. Derzeit sind die Prozesse in diesem Industriebereich häufig noch der Gummiindustrie manuell oder teilautomatisiert. Die Automation muss sich schnell entwickeln, um trotz Fachkräftemangel die Bedarfe decken zu können. Wir setzen deshalb auf die Simulation, sodass die Komplexität des Prozessablaufs bereits im Vorfeld dargestellt und optimiert werden kann.“ Der Einsatz von digitalen Zwillingen stellt eine Win-win-Situation für die Projektpartner hinsichtlich Kosten, Layout, Materialfluss, Sicherheitstechnik und für die Instandhaltung dar. „So entstehen bedarfsgerechte Anlagen aus einer Hand“, schließt Michael Zaun.
Quelle: Klöckner Desma Elastomertechnik
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