Bunte Dichtungsprofil Streifen

Verschiedenfarbige, extrudierte Dichtprofile aus Silikon. (Bild: alle Biesterfeld)

Mann mit Anzug und blauer Krawatte
Jean-Pierre Ventura, Market Manager Silicone Rubber bei Biesterfeld Performance Rubber. (Bild: alle Biesterfeld)

KGK: Das Werk von Biesterfeld in St. Ouen l’Aumône wird seit 2013 von der Biesterfeld Performance Rubber betrieben. Dort werden individuelle Compoundlösungen aus Fest- und Fluorsilikonen hergestellt. Wie kam es zu diesem Werkstoffschwerpunkt?
Jean-Pierre Ventura: Seit April 2013 haben wir in St. Ouen l‘Aumône in Frankreich ein Kompetenzzentrum für die Entwicklung und Compoundierung von Silikonelastomeren aufgebaut, die wir in ganz Europa vermarkten. Durch den Betrieb einer eigenen Mischerei unter der „Biesterfeld-Flagge“ können wir die Anforderungen unserer Kunden sehr spezifisch erfüllen. Mit unserer Marke Semsil bieten wir spezifische Festsilikonkautschuk-Compounds (HCR) und Fluorsilikonkautschuk-Compounds (FSR) für hochwertige Anwendungen in verschiedenen Industrien. Zu den individuellen Lösungen zählen Mischungen für die verschiedenen Verarbeitungsarten wie Spritzgießen, Extrusion oder Kalandrieren. Es können Härtegrade von 20 Shore A bis 90 Shore A abgedeckt werden. Darüber hinaus kann jeder gewünschte Farbton erzielt und aufgrund der platinumkatalysierten Vernetzung auch schnell aushärtende Produkte bereitgestellt werden. Compounds für Lebensmittelanwendungen entsprechend den lokalen europäischen Regelungen sowie Compounds für geschäumte Artikel mit geringer Dichte werden ebenfalls hergestellt.

KGK: Mit der Compoundierung agiert die Biesterfeld Gruppe außerhalb ihres Kerngeschäfts als Distributeur. Wie passt das zusammen?
Ventura: Das Compoundier-Werk ist Teil des Geschäftsbereichs Biesterfeld Performance Rubber. Hier bieten wir ein umfassendes Produktportfolio rund um die Kautschukverarbeitung an. Wir legen großen Wert auf Problemlösungskompetenz und fokussieren uns auf beratungsintensive Spezial-Polymere wie beispielsweise Silikon, Fluorkautschuk und HNBR. Mit unserem Angebot wollen wir alle Hersteller von technischen Elastomererzeugnissen erreichen, sodass das Compoundier-Werk eine sehr gute Ergänzung bietet. Zu unserem Angebot an Silikon-basispolymeren, Additiven, Füllstoffen und Vernetzungschemikalien kommen so verarbeitungsfertige Mischungen hinzu.

KGK: In welchen Branchen werden die hergestellten Materialien eingesetzt?
Ventura: Silikonkautschuk ist ein besonders vielseitiges Elastomer, das in unterschiedlichen Industrieanwendungen zum Einsatz kommt. Im Segment Mobility werden unsere Compounds aufgrund ihrer ausgezeichneten Beständigkeit gegenüber hohen und niedrigen Temperaturen von -50 bis +250 °C verbreitet in Automobil-, Luftfahrt- und Eisenbahnanwendungen eingesetzt. In diesem Bereich zeichnen sich vor allem unsere FSR-Compounds durch ihre guten Dichtungseigenschaften in Kontakt mit Kraftstoff, Öl und Lösemitteln aus. In der Kabelindustrie dienen die Compounds als elektrisches Isoliermaterial und werden außerdem in Nieder-, Mittel- und Hochspannungsisolatoren verwendet. Auch im Verbraucher- und Haushaltssegment finden sich viele Anwendungsmöglichkeiten. Hierzu gehören zum Beispiel Produkte für die Babypflege oder Sportausrüstungen sowie Küchenutensilien. Doch nicht nur die Industrien, in denen unsere Produkte verwendet werden, sind sehr vielseitig, sondern auch die Anwender. Unsere Flexibilität und Reaktionsfähigkeit sprechen sowohl kleine und mittelständische Unternehmen an, die nicht die Möglichkeit einer eigenen Rezepturentwicklung sowie Mischungsherstellung haben, als auch große multinationale Unternehmen, die den Compoundierungsprozess zu uns auslagern.

KGK: Wie haben sich die Fertigungskapazitäten für die Werkstoffe entwickelt?
Ventura: Seit 2013 haben wir in beträchtlichem Ausmaß investiert, um das Produktionsequipment zu modernisieren und die Produktionskapazität zu steigern. Dadurch waren wir in der Lage, die Kapazität innerhalb der letzten zehn Jahre zu verdoppeln. Um unsere Position auf dem Gebiet der Silikon-elastomere langfristig zu halten und weiter zu expandieren, sind weitere Investitionen geplant. Unser Ziel ist es, auch maßgeschneiderte Kundenmischungen innerhalb von wenigen Tagen ausliefern zu können. Dazu werden Produktionskapazität und Auslastung täglich überwacht, und können jederzeit nach Bedarf angepasst werden.

Drei rote Kurbelwellendichtringe.
Kurbelwellendichtringe (Bild: alle Biesterfeld)

KGK: Die Chargengröße ist häufig ein Thema. Fertigen Sie auch Kleinmengen?
Ventura: Flexibilität und individuelle Produktlösungen sind für den wirtschaftlichen Erfolg für die Polymerverarbeiter entscheidend – und damit auch für uns. Wir vertreiben Chargen von 20 kg bis zu einigen Tonnen. Für die Berechnung der richtigen Größe sind die Anforderungen unserer Kunden ausschlaggebend. Zusätzlich zur Chargengröße stellen wir uns auch bei der Lieferform (Fütterstreifen, Platten, Felle und Blöcke) und Verpackungsmethode flexibel auf den Bedarf ein.
KGK: Kann die Materialnachfrage durch den derzeit herrschenden Rohstoffmangel am Weltmarkt immer gedeckt werden?
Ventura: Die „Rohstoffwelt“ befindet sich noch immer in einem Ungleichgewicht. Besonders problematisch sind höhere Frachtraten, Containermangel und längere Lieferzeiten. Dazu kommt eine gestiegene Nachfrage nach Silikonmischungen. Wir verfügen über starke und verlässliche Partnerschaften mit Rohstofflieferanten auf der ganzen Welt. Daher sind wir mit den Verarbeitern im engen Austausch, was die Aufrechterhaltung einer zuverlässigen Lieferkette angeht. Unseren Rohstoffbestand überprüfen wir täglich, unsere Kapazitäten sind flexibel. So können wir kurze Vorlaufzeiten sicherstellen und die Herausforderungen aktuell weitestgehend bewältigen.
KGK: Wie steht es um die Nachhaltigkeit ihrer Produkte?
Ventura:
Nachhaltigkeit hat im Biesterfeld Konzern einen hohen Stellenwert. Wir sind überzeugt, dass ressourcensparende Produktionsmethoden sowie wiederverwertete und wiederverwertbare Produkte im Kautschukbereich weiter an Bedeutung gewinnen, solange den Anforderungen im Endprodukt Rechnung getragen wird. Wir haben ein umfangreiches Portfolio bestehend aus Synthesekautschuken, Rußen sowie Additiven. In unserem Geschäftsbereich wollen wir dieses Produktportfolio gezielt und stetig um nachhaltige Produktlösungen erweitern und wählen zunehmend auch unsere Rohstofflieferanten danach aus.

 

Bunte mit Silikon ummantelte Elektrokabel.
Vieradriges mit Silikon ummanteltes Elektrokabel (Bild: alle Biesterfeld)

KGK: Die Energiepreise in Deutschland steigen derzeit sehr stark und Unternehmen werden diese über kurz oder lang weitergeben müssen. Wie verhält es sich in Frankreich?
Ventura: Wie in Deutschland und vielen anderen Ländern sind steigende Energiepreise derzeit auch in Frankreich ein viel diskutiertes Thema. Die Auswirkungen der Preissteigerungen setzen bereits viele Unternehmen und insbesondere die kautschukverarbeitende Industrie unter enor-men Druck. Die jüngsten Ereignisse in der Ukraine und Russland halten die Lieferketten weiterhin angespannt. Dies wird zwangsläufig auch Auswirkungen auf die Energiepreise haben. Wir überwachen die Preisentwicklung sehr intensiv und versuchen die Konsequenzen für unsere Kunden abzumildern und gleichzeitig die Liefersicherheit bestmöglich aufrecht zu halten.
KGK: Beeinträchtigen die Handelsbeschränkungen, die die EU gegen Russland erlassen hat, Ihre Geschäftstätigkeiten im Compoundier-Werk?
Ventura: Als Biesterfeld Gruppe haben wir eine klare Entscheidung getroffen und ein Zeichen gegen den Krieg gesetzt. Wir haben alle Lieferungen nach und aus Russland gestoppt. Obwohl der Fokus unseres Compoundier-Werks auf der Belieferung von europäischen Firmen liegt und wir keine Rohstoffe von russischen Unternehmen einkaufen, beeinträchtigen die von der EU auferlegten Handelsbeschränkungen dennoch auch unser Tagesgeschäft in allen Geschäftsbereichen ganz grundsätzlich. Insbesondere beobachten wir, dass sowohl Lieferanten als auch die Verarbeiter ihre Lieferketten umstrukturieren und neu organisieren müssen. Hier sind wir als Distributeur gefragt, um neue Wege für eine sichere Supply Chain aufzuzeigen.

KGK: Mit welchen Investitionen stellen Sie sich für die Zukunft auf?
Ventura: Wie in den letzten zehn Jahren wollen wir auch weiterhin in die Zukunft investieren, um unsere Produktionskapazitäten auszuweiten, eine optimierte Nachhaltigkeit sicherzustellen und dem Markt Lösungen noch schneller bereitzustellen, als wir es bereits tun. Diese Investitionen werden sich einerseits auf das Anschaffen neuer Maschinen sowie auf das Erweitern der Lagerkapazitäten konzentrieren. Andererseits soll unser Team aus Produktexperten am Standort weiter wachsen, um der kautschukverarbeitenden Industrie sehr guten Service bezogen auf Rezepturentwicklung und das Herstellen spezifischer Silikonmischungen bieten zu können.
KGK: Wie wird sich der Silikonmarkt Ihrer Meinung nach bis 2030 entwickeln?
Ventura: Die Industrie befindet sich aktuell in einem strukturellen Wandel und rückt Umweltschutz, Nachhaltigkeit sowie das Einhalten von Klima-zielen mehr und mehr in den Vordergrund. Die Elektromobilität, die bereits jetzt einen Schwerpunkt unseres Produktportfolios sowie unserer Kundenberatung bildet, wird in den kommenden Jahren weiter Fahrt aufnehmen.
Für zahlreiche fortschrittliche Technologien in diesem Bereich ist Silikon aufgrund seiner guten thermischen und elektrischisolierenden Eigenschaften ein wichtiger Werkstoff, der Kernaufgaben im Bereich Verbinden, Dichten, Verguss und Beschichten von empfindlichen elektronischen Bauteilen übernimmt.
Der Bedarf nach Energie wächst in vielen Märkten, insbesondere in Entwicklungs- und Schwellenländern. Gerade hier benötigen viele Branchen Produktlösungen für eine wachsende und optimierte Energieübertragung. Silikon ist aufgrund seiner Eigenschaften ein Werkstoff, der verbreitet in Leitungs- und Kabelanwendungen zum Einsatz kommt. Wir beobachten bereits eine steigende Nachfrage und entwickeln entsprechende Compounds.
Für die Zukunft sehen wir uns gut aufgestellt: Jetzt schon bieten wir qualifizierte Beratung, Dienstleistungen und innovative, spezifische Lösungen im Bereich Silikonmischungen. Es kommt darauf an, auf Trends und Entwicklungen des Marktes nicht nur zu reagieren, sondern sie auch vorherzusehen, und hieran arbeiten unsere Teams jeden Tag.

Das Interview führte Simone Fischer, verantwortliche Redakteurin KGK und Plastverarbeiter.
simone.fischer@huethig.de

 

Luftfilter für Automotor mit bunten Schläuchen.
Luftfilter für Automotor (Bild: alle Biesterfeld)

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